Neu-Ulmer Zeitung

Gesichter des Schreckens

- VON TILMANN MEHL

Dfb‰pokal Nach dem historisch­en 0:5 in Gladbach fragt man sich beim FC Bayern, wie es zum multiplen Organversa­gen

auf dem Feld kommen konnte. Die Ursachenfo­rschung kann schmerzen – die Folgen der Niederlage allerdings auch

Mönchengla­dbach Der Begriff Ehrentreff­er führt in die falsche Richtung. Schließlic­h wäre es ja kein ehrenvolle­r Abend für den FC Bayern gewesen, wenn Corentin Tolisso kurz vor Schluss statt an die Latte ins Tor geköpft hätte. Ob nun 0:5 oder 1:5 war den Münchnern auch selbst reichlich egal. Sie schlichen an diesem nicht anders als historisch zu bezeichnen­den Abend in die Kabine und wirkten auch wenig später noch genauso ratlos wie bei den 90 vorangegan­genen Minuten auf dem Platz.

Nicht einmal dem gleichsam feurig argumentie­renden wie analytisch begabten Thomas Müller wollte eine vernünftig­e Erklärung für die krachende Niederlage bei der Gladbacher Borussia einfallen. „Das musst du erst mal hinbekomme­n – so ein kollektive­s Versagen von einer Bayern-mannschaft bei so einem wichtigen Spiel, bei einem K.o.-spiel, habe ich selber so noch nicht erlebt. Deswegen ist das schwer zu fassen, wenn ich ehrlich bin“, schloss der Offensivsp­ieler.

Ebenso schwer war das Ergebnis für die Gladbacher zu fassen – wenn auch aus anderen Gründen. „Man träumt ab und zu von so etwas. Aber das so etwas mal Realität wird, glaubt man nicht. Das war eine großartige Leistung“, sagte Borussias Sportdirek­tor Max Eberl. So unerwartet der fantastisc­he Auftritt der Gladbacher kam, so überrasche­nd implodiert­e das Münchner Spiel. Nach 21 Minuten stand es 0:3 und das Ergebnis täuschte nicht als (un)glückliche Fügung über das Geschehen auf dem Rasen hinweg.

Vor der Partie hatte nichts auf den Ausfall aller lebenserha­ltender Maßnahmen hingedeute­t. Die Münchner hatten zuletzt erst Hoffenheim und Leverkusen demontiert. Im lärmenden Borussia-park aber verstummte der Herzschlag des bayerische­n Spiels mit dem Anpfiff. Dabei waren die Bayern befreit von der Sorge, Lucas Hernandez an die Spielgemei­nschaft in einer Strafvollz­ugsanstalt zu verlieren, er muss doch nicht im Gefängnis einrücken. Die Debatte um Joshua Kimmich und dessen Weigerung, sich bislang impfen zu lassen, hat merklich an Dynamik verloren und dass mit Julian Nagelsmann der Cheftraine­r zum wiederholt­en Mal nicht an der Außenlinie stand, hatte das Team zuvor auch nicht sichtbar gestört. Wenn aber der Gegner zur Freak

Form aufläuft, wirken sich auch möglicherw­eise außerplanm­äßige Störungen extrem aus.

Die Bayern haben schon häufiger herbe Pleiten kassiert. Als sie 2009 mit 0:4 in Barcelona unterginge­n, war Jürgen Klinsmann eher der Darsteller eines Trainers und musste noch dazu auf eine Defensivre­ihe mit Oddo, Demichelis, Breno und Ottl bauen. In Gladbach aber verteidigt­en unter anderem die französisc­hen Nationalsp­ieler Lucas Hernandez, Benjamin Pavard und Dayot Upamecano. Sie mussten auch nicht gegen Lionel Messi antreten, sondern sahen sich Breel Embolo gegenüber. Der allerdings legte offen, dass es noch dauern dürfte, bis sich Upamecano berechtigt­erweise der Weltklasse zugehörig fühlen darf. Der 23-Jährige patzte schon im Ligaspiel gegen die Gladbacher schwer und war auch bei der 1:2-Heimnieder­lage gegen Frankfurt mitverantw­ortlich.

Als die Münchner wiederum 2019 mit 1:5 in Frankfurt unterlagen, war der Riss unübersehb­ar, der zwischen Mannschaft und Trainer verlief. Niko Kovac wurde daraufhin auch entlassen. In den vergangene­n Wochen aber spielten die Bayern – trotz mancher defensiver Nachlässig­keit – ästhetisch anspruchsv­oll.

Natürlich ließe sich über falsch besetzte Zwischenrä­ume und individuel­le Fehler die Grundlage einer Begründung finden. Meist aber gibt es einen Auslöser für das multiple Organversa­gen auf dem Feld. In diesem Fall aber ist den Spielern kein Vorwurf für ihre Ratlosigke­it zu machen. Den Gladbacher­n kann das freilich reichlich egal sein. Nachdem die Münchner vergangene Saison gegen Kiel in der zweiten Runde ausschiede­n, sorgte nun der Bundesligi­st dafür, dass die Münchner zum zweiten Mal in Folge nicht das Double gewinnen. Zugleich hat die Bundesliga zumindest wieder eine Ahnung davon, dass der Überlegenh­eit der Münchner beizukomme­n ist. Das dürfte sie härter treffen als das 0:5. Noch härter.

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 ?? ?? Verzweiflu­ng, Frust, Resignatio­n – die Gesichter der Bayernspie­ler lassen in ihre Gefühlswel­t blicken. Weder Dayot Upamecano, Thomas Müller, Manuel Neuer, Joshua Kim‰ mich, Leon Goretzka, Robert Lewandowsk­i oder Leroy Sané (im Uhrzeigers­inn) waren den Gladbacher­n gewachsen.
Verzweiflu­ng, Frust, Resignatio­n – die Gesichter der Bayernspie­ler lassen in ihre Gefühlswel­t blicken. Weder Dayot Upamecano, Thomas Müller, Manuel Neuer, Joshua Kim‰ mich, Leon Goretzka, Robert Lewandowsk­i oder Leroy Sané (im Uhrzeigers­inn) waren den Gladbacher­n gewachsen.
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Fotos: Witters (4), dpa (3)
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