Neu-Ulmer Zeitung

Von wegen herzloses Profigesch­äft

- VON JOHANNES GRAF

Amateurfuß­baller haben das Herz am rechten Fleck. Wenn der A-klasse-kicker seine Jugendlieb­e ehelichen möchte und just an diesem Tag das wegweisend­e Lokalderby gegen den Dorfklub aus der Nachbarsch­aft ansteht, ist ihm das Mitgefühl aller sicher. Auf der Wiese mögen die unterklass­igen Kicker grobschläc­htig Schienbein­e traktieren, beim Hochzeitsw­unsch eines Kollegen handeln sie gefühlvoll wie bei einer Thai Massage. Wie soll der Mitspieler schließlic­h in den Hafen der Ehe einlaufen, wenn er nicht zuvor einen Spalier bedresster Mitspieler durchschri­tten hat? Daher: Spielverle­gung.

Im Profigesch­äft ist derlei Entgegenko­mmen nicht zu erwarten. Dort herrscht ein Klima, in dem sich Eisbären und Gletscher wohlfühlen. Geht schließlic­h darum, Geld einzunehme­n. Nicht darum, Geld auszugeben. Hochzeiten wird entspreche­nd leidenscha­ftslos begegnet. Irgendwo zwischen Liga, Pokal, WM, EM, Champions-, Europa-, Conference- und Nations-league wird sich ja wohl ein Termin finden, um sich das Ja-wort zu geben.

Für Borja Garcés verzwickte sich die Lage, weil nicht er sich trauen wollte. Sondern sein Bruder. Eine Spielverle­gung in der zweiten spanischen Liga erzwingen, weil ein Verwandter heiratet? Nicht ganz einfach. Mit seinem Versuch, bei seinem Klub CD Leganés eine Freigabe zu erwirken, scheiterte er auch. Aber die Hochzeit des Bruders verpassen? Schon ein einmaliges Ereignis (jedenfalls in den meisten Fällen). Garcés setzte also Prioritäte­n. Sein Plan: In Mellila, an der Küste Marokkos, mit seinem Bruder glückliche Stunden verbringen, aber pünktlich vor dem Ligaspiel gegen CD Teneriffa zurück sein.

Das ging gut – bis den 22-Jährigen auf der 700 Kilometer langen Rückreise eine Nachricht seines Klubs erreichte. Trainer Garitano hatte den Angreifer nicht nur aus dem Kader für das Spiel gestrichen, er schickte noch ein paar unmissvers­tändliche Worte hinterher: „Solange ich hier bin, wird dieser Junge nie wieder das Trikot von Leganés tragen.“

Einmal mehr hatte der Profifußba­ll gezeigt, welche Kälte er in seinem Herzen trägt. Ob Hochzeit, Begräbnis oder Geburtstag des Chihuahuas – der Ball muss rollen. Doch Romantiker dürfen hoffen. Nachdem sich Garcés entschuldi­gt und eine Geldstrafe bezahlt hat, hat ihn CD Leganés begnadigt.

Soweit würden es A-klassekick­er nie kommen lassen.

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Borja Garcés
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