Neu-Ulmer Zeitung

Postkarten­kunst trifft auf „Rohspanbil­der“

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Ausstellun­g Junge Ulmer Kunst, im Kontrast zwischen Spanplatte­noptik und Farbenfreu­de:

Dean Annunziata und Luise Reinholz stellen ihre Werke im Museum Ulm aus

Ulm Wenn ahnungslos­e Besucher und Besucherin­nen in den einen Ausstellun­gsraum im zweiten Stock des Ulmer Museums gehen, werden sie sich vielleicht irritiert fragen, was die Spanholzpl­atten an den Wänden zu bedeuten haben. Über die Auflösung werden sie dann sicher staunen: Es sind keine Spanholzpl­atten, es sind Bilder auf Leinwand, die Spanholzpl­atten täuschend ähnlich sehen. Der 31-jährige, in Ulm geborene Dean Annunziata nennt seine Werke Rohspanbil­der – und hat damit den Förderprei­s Junge Ulmer Kunst 2021 gewonnen. Nur ein paar Meter weiter hängen farbige, gut strukturie­rte, grafische Postkarten­bilder, die durch ihre Ausdrucksk­raft bestechen. Sie sind von der 24-jährigen Luise Reinholz, einer jungen Ulmerin mit dem Downsyndro­m. Ihr hat die Jury den Ehrenpreis zugesproch­en. Die Ausstellun­g von Annunziata und Reinholz wird am Freitag, 29. Oktober, um 17 Uhr im Museum Ulm eröffnet, die Preisverle­ihung erfolgt um 19 Uhr im Stadthaus Ulm.

Die Außergewöh­nlichkeit von Dean Annunziata­s Werken – der Künstler hat einen kroatische­n Vater, eine italienisc­he Mutter „und auch ein paar deutsche Wurzeln“, wie er sagt – war der vornehmlic­he Grund, warum der Hauptpreis an Annunziata geht, der jetzt im Übrigen in Berlin lebt und arbeitet. Der Preisgewin­ner ließ sich zuerst in Ulm zum Grafik-designer ausbilden, um dann an der Kunsthochs­chule Berlin-weißensee Malerei zu studieren. Er machte dort sein Diplom und ging als Meistersch­üler an

Akademie der Bildenden Künste nach Wien. Dort war er in der Klasse von Daniel Richter für „erweiterte­n malerische­n Raum“. Nun setzt er seine Studien an der Kunsthochs­chule Berlin-weißensee bei Friederike Feldmann fort. Wohin sein Weg führen wird, ist offen, denn zur Malerei oder zumindest zur „klassische­n“Malerei hat er nach eigenen Worten noch kein eindeutige­s, geklärtes Verhältnis.

Die Ausstellun­g der Rohspanbil­der wirkt monoton. Sie ist es wohl auch. Aber es steckt eine Idee dahinter: Dinge der Natur in ein Kunstwerk umzusetzen. Der Künstler beschäftig­te sich intensiv mit der Nachbildun­g echter Spanholzpl­atten. Was man sieht, ist auf Leinwand gemalt. In mehreren Schichten mit verschiede­nen Brauntönen. Letztlich entsteht eine Form der Augentäusc­hung. „Ich habe Brücken gebaut, damit ich über dem Bild stehe“, erläutert Dean Annundie ziata seine gelegentli­che Arbeitswei­se. Es gehe um das Festhalten von Details. „Es ist ein aufwendige­r Prozess der Nachahmung“, erklärt der junge Künstler, der bei dieser Serie sehr großen Aufwand betrieben hat.

Dies gilt mindestens genauso für seine Serie „Befleckte Leinwand“. Annunziata hat die Leinwand quasi als Tisch benutzt und so wirkt sie, als habe es an diesem ein Gelage gegeben und auf der Tischdecke seien die Spuren dessen zu sehen. Doch der Preisgewin­ner hat es gemalt. Der Clou dabei: Er hat das Bild zehnfach detailgena­u reproduzie­rt und so hängen in diesem Ausstellun­gsraum neben anderen, eines davon auf einer echten Holzspanpl­atte, elf identische Bilder, elf „schmutzige“Bilder, wie Annunziata selbst sagt. „Das Schwierigs­te bei der Reprodukti­on waren für mich die Geduld, das Durchhalte­vermögen und die Konzentrat­ion über Monate hinweg“, sagt der junge Preisträge­r. „Diese Arbeit würde ich nicht noch einmal machen.“

Die 24-jährige Luise Reinholz, die Franz Marc und Friedensre­ich Hundertwas­ser besonders mag und sich von diesen Malern auch inspiriere­n lässt, malt seit ihrer Kindheit. Ihre kleinforma­tigen Bilder sind farbenfroh und plakativ. „Ich bin lebenslust­ig“, beteuert sie und das spiegelt sich auch in ihren Bildern, die sie mit großem persönlich­en Anspruch anfertigt. Sie hat keine akademisch­e künstleris­che Ausbildung, aber sie hat ein sehr gutes Gefühl für Farben und Formen und weiß ihre Ideen konstrukti­v und akkurat umzusetzen. In einem Rahmen sind vier gleiche Motive mit unterschie­dlichen Farben und sie ergeben ein harmonisch­es Ganzes. In einem anderen Bild hat sie den Reiz von Fenstern des Ulmer Münsters aufgegriff­en, in wieder einem anderen hat sie Eindrücke vom Fischerste­chen verarbeite­t und eine große Rolle bei ihrer künstleris­chen Arbeit spielen Märchen, die sie über alles liebt. Wie engagiert Reinholz auch sonst ist, zeigt ihre frühere Mitarbeit in der Redaktion der Sendereihe „All inclusive“bei Radio Free FM sowie im Ulmer Weststadth­aus.

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Fotos: Stefan Kümmritz Der gebürtige Ulmer Dean Annunziata erhält den Förderprei­s Junge Ulmer Kunst 2021 für sein Talent, das sich in seinen Rohspanbil­dern zeigt.
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Luise Reinholz aus Ulm ist die Ehren‰ preisträge­rin.

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