Postkartenkunst trifft auf „Rohspanbilder“
Ausstellung Junge Ulmer Kunst, im Kontrast zwischen Spanplattenoptik und Farbenfreude:
Dean Annunziata und Luise Reinholz stellen ihre Werke im Museum Ulm aus
Ulm Wenn ahnungslose Besucher und Besucherinnen in den einen Ausstellungsraum im zweiten Stock des Ulmer Museums gehen, werden sie sich vielleicht irritiert fragen, was die Spanholzplatten an den Wänden zu bedeuten haben. Über die Auflösung werden sie dann sicher staunen: Es sind keine Spanholzplatten, es sind Bilder auf Leinwand, die Spanholzplatten täuschend ähnlich sehen. Der 31-jährige, in Ulm geborene Dean Annunziata nennt seine Werke Rohspanbilder – und hat damit den Förderpreis Junge Ulmer Kunst 2021 gewonnen. Nur ein paar Meter weiter hängen farbige, gut strukturierte, grafische Postkartenbilder, die durch ihre Ausdruckskraft bestechen. Sie sind von der 24-jährigen Luise Reinholz, einer jungen Ulmerin mit dem Downsyndrom. Ihr hat die Jury den Ehrenpreis zugesprochen. Die Ausstellung von Annunziata und Reinholz wird am Freitag, 29. Oktober, um 17 Uhr im Museum Ulm eröffnet, die Preisverleihung erfolgt um 19 Uhr im Stadthaus Ulm.
Die Außergewöhnlichkeit von Dean Annunziatas Werken – der Künstler hat einen kroatischen Vater, eine italienische Mutter „und auch ein paar deutsche Wurzeln“, wie er sagt – war der vornehmliche Grund, warum der Hauptpreis an Annunziata geht, der jetzt im Übrigen in Berlin lebt und arbeitet. Der Preisgewinner ließ sich zuerst in Ulm zum Grafik-designer ausbilden, um dann an der Kunsthochschule Berlin-weißensee Malerei zu studieren. Er machte dort sein Diplom und ging als Meisterschüler an
Akademie der Bildenden Künste nach Wien. Dort war er in der Klasse von Daniel Richter für „erweiterten malerischen Raum“. Nun setzt er seine Studien an der Kunsthochschule Berlin-weißensee bei Friederike Feldmann fort. Wohin sein Weg führen wird, ist offen, denn zur Malerei oder zumindest zur „klassischen“Malerei hat er nach eigenen Worten noch kein eindeutiges, geklärtes Verhältnis.
Die Ausstellung der Rohspanbilder wirkt monoton. Sie ist es wohl auch. Aber es steckt eine Idee dahinter: Dinge der Natur in ein Kunstwerk umzusetzen. Der Künstler beschäftigte sich intensiv mit der Nachbildung echter Spanholzplatten. Was man sieht, ist auf Leinwand gemalt. In mehreren Schichten mit verschiedenen Brauntönen. Letztlich entsteht eine Form der Augentäuschung. „Ich habe Brücken gebaut, damit ich über dem Bild stehe“, erläutert Dean Annundie ziata seine gelegentliche Arbeitsweise. Es gehe um das Festhalten von Details. „Es ist ein aufwendiger Prozess der Nachahmung“, erklärt der junge Künstler, der bei dieser Serie sehr großen Aufwand betrieben hat.
Dies gilt mindestens genauso für seine Serie „Befleckte Leinwand“. Annunziata hat die Leinwand quasi als Tisch benutzt und so wirkt sie, als habe es an diesem ein Gelage gegeben und auf der Tischdecke seien die Spuren dessen zu sehen. Doch der Preisgewinner hat es gemalt. Der Clou dabei: Er hat das Bild zehnfach detailgenau reproduziert und so hängen in diesem Ausstellungsraum neben anderen, eines davon auf einer echten Holzspanplatte, elf identische Bilder, elf „schmutzige“Bilder, wie Annunziata selbst sagt. „Das Schwierigste bei der Reproduktion waren für mich die Geduld, das Durchhaltevermögen und die Konzentration über Monate hinweg“, sagt der junge Preisträger. „Diese Arbeit würde ich nicht noch einmal machen.“
Die 24-jährige Luise Reinholz, die Franz Marc und Friedensreich Hundertwasser besonders mag und sich von diesen Malern auch inspirieren lässt, malt seit ihrer Kindheit. Ihre kleinformatigen Bilder sind farbenfroh und plakativ. „Ich bin lebenslustig“, beteuert sie und das spiegelt sich auch in ihren Bildern, die sie mit großem persönlichen Anspruch anfertigt. Sie hat keine akademische künstlerische Ausbildung, aber sie hat ein sehr gutes Gefühl für Farben und Formen und weiß ihre Ideen konstruktiv und akkurat umzusetzen. In einem Rahmen sind vier gleiche Motive mit unterschiedlichen Farben und sie ergeben ein harmonisches Ganzes. In einem anderen Bild hat sie den Reiz von Fenstern des Ulmer Münsters aufgegriffen, in wieder einem anderen hat sie Eindrücke vom Fischerstechen verarbeitet und eine große Rolle bei ihrer künstlerischen Arbeit spielen Märchen, die sie über alles liebt. Wie engagiert Reinholz auch sonst ist, zeigt ihre frühere Mitarbeit in der Redaktion der Sendereihe „All inclusive“bei Radio Free FM sowie im Ulmer Weststadthaus.