Neu-Ulmer Zeitung

Skeptische Töne zum Auftakt der Klimakonfe­renz

- VON SUSANNE EBNER

Umwelt Keine Einigung über Kohleausst­ieg. Guterres warnt: Wir graben unser eigenes Grab

Glasgow Der Himmel in Glasgow ist grau und wolkenverh­angen. Ein eiskalter Wind weht den Teilnehmer­n der Klimakonfe­renz entgegen, als sie die letzten Meter zum Scottish Event Campus zurücklege­n – einem futuristis­chen Gebäudekom­plex im Herzen der schottisch­en Stadt. Das Bild ist durchaus symbolisch für die Lage: Alle kennen das Ziel – alleine der Weg dorthin ist beschwerli­ch.

Zwei Wochen lang verhandeln 197 Nationen in Glasgow über die weitere Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015. Es sieht die Begrenzung der Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad, idealerwei­se 1,5 Grad vor. „Es ist eine Minute vor Mitternach­t und wir müssen jetzt handeln“, sagte der britische Premiermin­ister Boris Johnson zum Auftakt des Treffens. Dabei fand er auch selbstkrit­ische Worte. Vor 200 Jahren sei hier in Großbritan­nien im Zuge der Industrial­isierung die „Weltunterg­angsmaschi­ne“eingeschal­tet worden. Nun habe man eine besondere Verantwort­ung, dieses Problem wieder in den Griff zu bekommen: „Wir haben die Möglichkei­ten, jetzt müssen wir handeln.“Auch Angela Merkel gestand bei ihrer letzten Rede als Bundeskanz­lerin bei einer Klimakonfe­renz ein, „dass man nicht da ist, wo wir hinmüssen“. Wer jedoch einen emotionale­n Appell von der 67-Jährigen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Stattdesse­n verwies sie unter anderem darauf, dass die Etappen in Sachen Klimaschut­z messbarer werden müssten, und auf das „ambitionie­rte Ziel Deutschlan­ds“, bis 2045 klimaneutr­al zu sein.

Die Vorzeichen für die diesjährig­e Konferenz – sie könnten insgesamt deutlich besser sein, nachdem man sich beim G20-treffen in Italien schon nicht auf einen gemeinsame­n Weg aus dem Kohleausst­ieg einigen konnte. Un-generalsek­retär Antonio Guterres sagte danach: „Ich verlasse Rom mit unerfüllte­n Hoffnungen.“

Wichtige Länder wie Russland und China sind in Glasgow nicht einmal persönlich vertreten, China etwa schickte statt einer Videobotsc­haft nur ein schriftlic­hes Statement. Außerdem kamen viele Teilnehmer verspätet an, weil durch einen Sturm umgestürzt­e Bäume das schottisch­e Schienenne­tz blockierte­n.

Falls die Klimakonfe­renz scheitert, so betonen Experten, dann gehe 2021 als das Jahr in die Geschichte ein, in dem die Menschheit die Weichen ein für alle Mal und unumkehrba­r in die falsche Richtung gestellt habe. „Wir graben unser eigenes Grab“, sagte Guterres. Der tragische Verlust von Menschenle­ben und Existenzen durch extreme Wetterbedi­ngungen zeige deutlich, wie wichtig es ist, dass die Konferenz trotz der Pandemie stattfinde­t, betonte Patricia Espinosa, die Leiterin des Sekretaria­ts der Klimarahme­nkonventio­n der Vereinten Nationen. „Wir müssen diejenigen schützen, die am verwundbar­sten sind“– also die ärmsten Länder und diejenigen, die besonders vom Klimawande­l betroffen sind.

Um das bei der Weltklimak­onferenz in Paris vereinbart­e 1,5-Gradziel zu erreichen, seien konkrete Schritte nötig, betonte Jochen Flasbarth, Staatssekr­etär im Umweltbund­esminister­ium. Es sei wichtig, dass die Industries­taaten ihrem Verspreche­n, ärmere Länder mit jährlich insgesamt 100 Milliarden Usdollar zu unterstütz­en, tatsächlic­h in vollem Umfang nachkommen. Darüber hinaus müsse man sich hinsichtli­ch des umstritten­en „Artikel sechs“einigen. Dieser bietet Staaten die Möglichkei­t, Emissionsr­eduktionen untereinan­der zu handeln. Regierungs­chefs der Staaten, die vom Anstieg des Meeresspie­gels besonders stark betroffen sind, fanden klare Worte: „Wie viele Stimmen wollen wir noch hören, bevor wir beginnen, uns zu bewegen?“, fragte Mia Amor Mottley, die Premiermin­isterin von Barbados. »Politik

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