Skeptische Töne zum Auftakt der Klimakonferenz
Umwelt Keine Einigung über Kohleausstieg. Guterres warnt: Wir graben unser eigenes Grab
Glasgow Der Himmel in Glasgow ist grau und wolkenverhangen. Ein eiskalter Wind weht den Teilnehmern der Klimakonferenz entgegen, als sie die letzten Meter zum Scottish Event Campus zurücklegen – einem futuristischen Gebäudekomplex im Herzen der schottischen Stadt. Das Bild ist durchaus symbolisch für die Lage: Alle kennen das Ziel – alleine der Weg dorthin ist beschwerlich.
Zwei Wochen lang verhandeln 197 Nationen in Glasgow über die weitere Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015. Es sieht die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, idealerweise 1,5 Grad vor. „Es ist eine Minute vor Mitternacht und wir müssen jetzt handeln“, sagte der britische Premierminister Boris Johnson zum Auftakt des Treffens. Dabei fand er auch selbstkritische Worte. Vor 200 Jahren sei hier in Großbritannien im Zuge der Industrialisierung die „Weltuntergangsmaschine“eingeschaltet worden. Nun habe man eine besondere Verantwortung, dieses Problem wieder in den Griff zu bekommen: „Wir haben die Möglichkeiten, jetzt müssen wir handeln.“Auch Angela Merkel gestand bei ihrer letzten Rede als Bundeskanzlerin bei einer Klimakonferenz ein, „dass man nicht da ist, wo wir hinmüssen“. Wer jedoch einen emotionalen Appell von der 67-Jährigen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen verwies sie unter anderem darauf, dass die Etappen in Sachen Klimaschutz messbarer werden müssten, und auf das „ambitionierte Ziel Deutschlands“, bis 2045 klimaneutral zu sein.
Die Vorzeichen für die diesjährige Konferenz – sie könnten insgesamt deutlich besser sein, nachdem man sich beim G20-treffen in Italien schon nicht auf einen gemeinsamen Weg aus dem Kohleausstieg einigen konnte. Un-generalsekretär Antonio Guterres sagte danach: „Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen.“
Wichtige Länder wie Russland und China sind in Glasgow nicht einmal persönlich vertreten, China etwa schickte statt einer Videobotschaft nur ein schriftliches Statement. Außerdem kamen viele Teilnehmer verspätet an, weil durch einen Sturm umgestürzte Bäume das schottische Schienennetz blockierten.
Falls die Klimakonferenz scheitert, so betonen Experten, dann gehe 2021 als das Jahr in die Geschichte ein, in dem die Menschheit die Weichen ein für alle Mal und unumkehrbar in die falsche Richtung gestellt habe. „Wir graben unser eigenes Grab“, sagte Guterres. Der tragische Verlust von Menschenleben und Existenzen durch extreme Wetterbedingungen zeige deutlich, wie wichtig es ist, dass die Konferenz trotz der Pandemie stattfindet, betonte Patricia Espinosa, die Leiterin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. „Wir müssen diejenigen schützen, die am verwundbarsten sind“– also die ärmsten Länder und diejenigen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.
Um das bei der Weltklimakonferenz in Paris vereinbarte 1,5-Gradziel zu erreichen, seien konkrete Schritte nötig, betonte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltbundesministerium. Es sei wichtig, dass die Industriestaaten ihrem Versprechen, ärmere Länder mit jährlich insgesamt 100 Milliarden Usdollar zu unterstützen, tatsächlich in vollem Umfang nachkommen. Darüber hinaus müsse man sich hinsichtlich des umstrittenen „Artikel sechs“einigen. Dieser bietet Staaten die Möglichkeit, Emissionsreduktionen untereinander zu handeln. Regierungschefs der Staaten, die vom Anstieg des Meeresspiegels besonders stark betroffen sind, fanden klare Worte: „Wie viele Stimmen wollen wir noch hören, bevor wir beginnen, uns zu bewegen?“, fragte Mia Amor Mottley, die Premierministerin von Barbados. »Politik