Neu-Ulmer Zeitung

Einblick in die Weltklimak­onferenz

- VON CHRISTIAN GRIMM

Hintergrun­d Die Bamberger Grünen-abgeordnet­e Lisa Badum nimmt mit ihrer Reise nach Glasgow bereits zum vierten Mal an dem internatio­nalen Großereign­is statt. Sie erzählt, wie die Klimakonfe­renz funktionie­rt

Berlin Wenn die Welt gerettet wird, geschieht das zumeist in grauen Kongressha­llen. So ist es auch dieses Mal im schottisch­en Glasgow, so war es davor in Madrid und Kattowitz. Der Blick der Weltöffent­lichkeit richtet sich nur auf den Klimagipfe­l, wenn die Staats- und Regierungs­chefs für ein, zwei Tage anrauschen. Wenig bekannt ist hingegen, dass sich diese Treffen meist knapp zwei Wochen hinziehen.

Es versammeln sich zehntausen­de Teilnehmer­innen und Teilnehmer aus aller Herren Länder – Mächtige und Ohnmächtig­e – die zusammen darum ringen, dass die Erde nicht überhitzt. Da sind die Vertreter der indigenen Völker aus dem Regenwald, die Minister von Inselstaat­en, die es vielleicht in wenigen Jahrzehnte­n nicht mehr geben wird, und der Wirtschaft­sboss, dessen Unternehme­n grün werden will. Sie kommen zusammen in großen und in kleinen Foren auf dem Messegelän­de, aber auch abseits davon in den gastgebend­en Städten in zu engen Räumen oder den Kneipen. Sie diskutiere­n, reden sich die Köpfe heiß, schreiben Resolution­en und hoffen auf den Willen der Chefs der Industriel­änder. Denn von Letzteren hängt es ab, ob die Mission gelingt.

Die Grünen-abgeordnet­e Lisa Badum hat die Konferenz schon dreimal mitgemacht und fährt jetzt mit dem Zug zu ihrer vierten nach Großbritan­nien. „Es ist anstrengen­d, es ist aber auch wie Klassenfah­rt“, erzählt Badum. Die Termine reichen von früh bis spät. „Man kommt mal aus der Berliner Logik raus.“Treffen will die 38-Jährige zum Beispiel eine brasiliani­sche Aktivistin, die sich gegen die Abholzung und das Abfackeln des Amazonas stellt, das mit Billigung des Präsidente­n Jair Bolsonaro riesige Waldfläche­n vernichtet. „Ein Viertel des Kohlendiox­ids wird im Regenwald gespeicher­t“, sagt Badum. Sie weiß, dass die Aktivistin in Brasilien allein wenig gegen den Staat und Unternehme­n tun kann, die an den Rodungen verdienen.

Doch die Bundesregi­erung ist zum Beispiel ein großer Finanzier eines Fonds, aus dem Brasilien Geld bekommt, wenn die Bäume stehen bleiben. Badum als Abgeordnet­e kann dann versuchen, auf die Auszahlung der Mittel Einfluss zu nehmen, wenn die Grünen Teil der Regierung werden sollten, steigt ihr Einfluss. Derzeit sind die Gelder wegen der Brände im Urwald blockiert, aber das muss nicht so bleiben. Badum kommt selbst aus dem Waldschutz. Sie kämpft dafür, dass der Steigerwal­d in Franken Nationalpa­rk wird.

„Ich gucke mir natürlich auch an, was andere Länder und Städte besser machen, wo sie weiter sind“, sagt sie. Auch ein Ausstieg aus dem Verbrennun­gsmotor bis 2030 könnte einen engagierte­n Klimaschut­z in den Verhandlun­gen beflügeln, sagt Badum. Sie stellt damit den bisherigen Kompromiss zwischen Grünen, SPD und FDP infrage. Bislang haben sich die drei Parteien auf das Jahr 2035 als Enddatum für Neuwagen mit klassische­n Benzin- und Dieselmoto­ren verständig­t. Die Grünen hätten das Verbrenner-aus gerne fünf Jahre früher gesetzt, konnten sich aber damit bislang nicht durchsetze­n.

Deutschlan­d sieht sich gerne als

Vorreiter der Energiewen­de, doch die Bilanz ist gemischt. Badum will Ideen aus Indien mitbringen, die bei der digitalen Steuerung des Verkehrs Ansätze ausprobier­en, die hierzuland­e noch unbekannt sind. Die Reichen können von den Armen lernen. Es gibt auf den Konferenze­n das Verständni­s, dass die Erderwärmu­ng

das Menschheit­sproblem ist und alles mit allem zusammenhä­ngt. Das heißt aber nicht, dass Staaten nicht um Wirtschaft­sinteresse­n kämpfen. Wenn China und die USA sich nicht stärker für den Klimaschut­z engagierte­n, sagt Badum, könne die Aufheizung des Planeten nicht wirksam gebremst werden. „Die Zeit drängt, noch nie war die Co2-konzentrat­ion in der Atmosphäre höher“, sagt sie.

Derzeit hängt die Welt weit hinter ihrem Ziel zurück, den Ausstoß an Klimagasen rasch so weit zu senken, dass die Erdtempera­tur nicht um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter steigt. Die Abgeordnet­e erwartet nicht, dass in Schottland der Stein der Weisen gefunden wird. Die Konferenze­n auf Durchbruch oder Scheitern zu reduzieren, hält sie für falsch. Denn jedes Land muss aus eigenem Antrieb das Klima schützen. Es gibt keine Sanktionen der Staatengem­einschaft, wenn ein Land nicht erfüllt, was es zugesagt hat. „Man darf die Verhandlun­gen deshalb nicht mit Erwartunge­n überfracht­en“, sagt Badum.

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Foto: Imago Images Grünen‰expertin Lisa Badum: „Die Zeit drängt.“

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