Coronazahlen schnellen nach oben
Pandemie Noch nie war in Bayern die Inzidenz so hoch. Wo die größten Hotspots sind und wer sich vor allem infiziert
München Die Corona-infektionszahlen sind am langen Wochenende in Bayern auf ein bisher unerreichtes Niveau gestiegen. Vor allem in Südbayern stecken sich derzeit viele Menschen mit dem Virus an. Die Sieben-tage-inzidenz lag am Montag bayernweit nach Zahlen des Robert Koch-instituts (RKI) bei 248,1 – ein Rekord für den Freistaat.
Die bundesweit höchste Inzidenz hatte der Landkreis Mühldorf am Inn mit 654,2. Am Sonntag war der vom RKI ermittelte Wert in der Region mit 662,8 so hoch wie noch nie zuvor in einem bayerischen Landkreis. In fünf weiteren Kreisen im Südosten Bayerns (Miesbach, Traunstein, Berchtesgadener Land, Straubing-bogen und Regen) lag die Inzidenz über 500. In unserer Region, Schwaben und im angrenzenden Oberbayern, wiesen die Landkreise Oberallgäu (423) und Ostallgäu (414) die höchsten Werte auf.
Die Inzidenz misst die Zahl der erfassten Neuinfektionen pro 100000 Einwohner binnen einer Woche. Neun der zehn Regionen
Deutschlands mit den höchsten Inzidenzwerten liegen in Bayern.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte angesichts der bundesweit ebenfalls gestiegenen Corona-zahlen ein Treffen, um vor dem bevorstehenden Regierungswechsel die Corona-politik von Bund und Ländern genauer abzustimmen. „Wir müssen uns auch über die Drittimpfungen unterhalten, über Kontrollen reden und Maßnahmen gegen das Fälschen von Impfausweisen planen“, sagte Söder der Bild am Sonntag. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warb für Auffrischungsimpfungen – auch über die „verwundbaren Gruppen“hinaus. „Ich glaube schon, dass wir prüfen müssen, ob nicht jeder eine Auffrischungsimpfung, auch im Sinne einer gesundheitlichen Vorsorge, kriegen sollte“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Söder ergänzte: „Die Booster-impfungen brauchen wir nicht nur für die über 70-Jährigen, sondern für alle.“
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gibt es bei den Infektionszahlen
einen gewaltigen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften. „Die Sieben-tage-inzidenz der Geimpften beträgt in Bayern aktuell 50,9. Bei den Ungeimpften ist der Wert mit 451,5 neunmal so hoch“, sagte Holetschek am Sonntag.
Im Freistaat steigen die Infektionszahlen besonders bei den Schulkindern, für die es noch keine Impfung
gibt. In der Altersgruppe der Sechs- bis Elfjährigen lag der Wert vergangene Woche bayernweit bei rund 527, wie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen mitteilte. Innerhalb von zwei Wochen hat sich der Wert damit verdoppelt. Auch unter den Zwölf- bis 15-Jährigen stecken sich immer mehr mit dem Coronavirus an: Hier liegt die Inzidenz inzwischen bei etwa 493. Für die 16- bis 19-Jährigen gab die Behörde den Wert mit knapp 404 an. Der bisherige Inzidenzrekord für eine Altersgruppe stammte von Ende vergangenen Jahres und hatte in der Altersgruppe über 80 damals den Wert von 376 erreicht.
Die Sieben-tage-inzidenz ist wegen des Impffortschritts – mehr als 64 Prozent der Menschen in Bayern sind vollständig geimpft – nicht mehr die entscheidende Größe zur Bemessung des Infektionsgeschehens. Entscheidender ist inzwischen die Hospitalisierungsrate, dargestellt mit der sogenannten Krankenhaus-ampel, die für den gesamten
Freistaat gilt. Sie steht weiterhin auf Grün. „Wir werden für Coronahotspots, in denen sich die Lage in den Krankenhäusern zuspitzt, am Mittwoch im Kabinett weitere Maßnahmen diskutieren“, kündigte Holetschek an. „Wir werden auch über eine bayernweite Maskenpflicht im Unterricht sprechen.“
Verständnis für eine Wiedereinführung der Maskenpflicht im Klassenzimmer äußerten am Wochenende Lehrerverbände. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, sagte: „Selbstverständlich versteht der BLLV, dass aufgrund der deutlich gestiegenen Inzidenzen weitere Maßnahmen zum Gesundheitsschutz gegangen werden müssen.“Der Vorsitzende des Realschullehrerverbands, Jürgen Böhm, sagte: „Bei den derzeit hohen und täglich steigenden Inzidenzzahlen, die man nach wie vor im Auge behalten muss, ist es eine pädagogisch schmerzhafte, aber sinnvolle Maßnahme, zur Maskenpflicht auch im Unterricht zurückzukehren.“(dpa)