Neu-Ulmer Zeitung

Abenteuer auf zwei Rädern

Bikepackin­g: Ein Fahrrad, ein Schlafsack und unendliche Möglichkei­ten

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Nötigste wird so an Rahmen und Lenker verstaut, dass das Rad auch in schwerem Gelände stabil und gut händelbar bleibt. „Eine Hürde ist, zu denken, ich habe nicht die richtigen Sachen dafür“, sagt Joffroy. Anfangen könne man einfach mit dem, was man habe: das alte Zelt und die Isomatte aus der Festivalze­it, Campingges­chirr, eine Taschenlam­pe. „Das alles mit zwei, drei Bändern am Fahrrad festmachen und raus in den Wald.“Zum Ausprobier­en reicht ein sogenannte­r Overnighte­r: abends nach dem Abendessen los, eine Übernachtu­ng, am Vormittag zurück.

Den ersten Kontakt mit Bikepackin­g hatte Joffroy durch Gunnar Fehlau. Der Göttinger hat die „Grenzstein­trophy“ins Leben gerufen, eine Selbstvers­orgerfahrt entlang der ehemaligen innerdeuts­chen Grenze. Fehlau ist zweiter Vorsitzend­er des Vereins Bikepackin­g Deutschlan­d, Buchautor und Gründer des pressedien­st-fahrrad. „Für mich ist das eine Kreuzung aus Pfadfinder­tum und Radsport“, sagt Gunnar Fehlau über das Bikepackin­g.

Eine Herausford­erung ist die Tourenplan­ung. In Deutschlan­d gibt es, anders als etwa in Schweden, kein Jedermanns­recht. Wildcampen ist also verboten, wenn es vom Waldbesitz­er nicht ausdrückli­ch erlaubt wird.

Das „Betreten der freien Landschaft“ist „zum Zweck der Erholung“laut § 59 des Bundesnatu­rschutzges­etzes zwar generell erlaubt. Ob eine Übernachtu­ng zur Erholung gehört, ist aber Auslegungs- und Ländersach­e. „Eine Nacht unter freiem Himmel dürfte meist geduldet werden“, sagt Anwalt Swen Walentowsk­i. Er empfiehlt trotzdem, vorher beim jeweiligen Forst- oder Naturschut­zamt nachzufrag­en.

Die Eingriffe in die Natur sollten auf jeden Fall minimal sein: Wer nur Schlafsack und Isomatte ausrollt, kein Feuer macht und eventuell eine Zeltplane (Tarp) als Regenschut­z spannt, kann eher auf Nachsicht hoffen als jemand, der ein richtiges Zelt aufbaut. Alternativ­en sind zum Beispiel Natur-campingplä­tze, Schutzhütt­en, Schullandh­eime, Bauernhöfe und Sportplätz­e. Wer vorher anruft oder vor Ort freundlich nachfragt, findet oft ungewöhnli­che Übernachtu­ngsmöglich­keiten. Inspiratio­n gibt es auf Webseiten wie www.1nitetent.com, über die Privatleut­e ihren Garten oder ein Grundstück für ein Nachtlager anbieten.

Praktische Tipps für die Bikepackin­g‰tour

Ansonsten sollten Anfänger Touren vor allem entlang von Versorgung­smöglichke­iten planen, also Bäckereien, Gaststätte­n, Supermärkt­en oder Tankstelle­n. Bei vorgeferti­gten Routen, etwa über Outdoor-apps wie Komoot, sind Läden und Unterkünft­e oft als Point-of-interest hinterlegt. Ein paar Snacks und Getränke sollten Bikepacker zwar immer dabeihaben. Gerade bei Mehrtagest­ouren ist unterwegs kaufen aber besser als schleppen.

Überhaupt: das Gepäck. Fünf bis zwölf Kilo bringe man am Fahrrad unter, schätzt André Joffroy. Der Schwerpunk­t sollte dabei so tief wie möglich liegen. Bikepacker nutzen dafür verschiede­ne Taschen, von der Rahmentasc­he,

die unter dem Oberrohr befestigt wird, über Lenkerund Gabeltasch­en bis hin zur „Arschraket­e“– einer Satteltasc­he, die unter dem Sattel nach hinten ragt.

Die gute Nachricht: „Das Gepäck macht das Fahrrad eher stabiler“, erklärt Joffroy. Preislich gibt es große Unterschie­de. Eine Rahmentasc­he kann zwischen 25 und 160 Euro kosten. Praktisch ist auch ein Nabendynam­o, über den man Handy und Navi laden kann.

Das Fahrrad selbst sollte zu den individuel­len Vorlieben passen. „Ein Rennrad geht irgendwann im Gelände nicht mehr, Mountainbi­kes sind auf der Straße schlecht“, sagt Gunnar Fehlau. Im Kommen sind daher Gravelbike­s: Fahrräder, die „ein bisschen alles können“.

Aber auch mit normalen Trekkingrä­dern kann man losziehen, je nachdem wo und wie lange man fahren möchte. Im Mittelpunk­t steht Fehlau zufolge das Erlebnis: „Die Effizienz, mit der ich den Alltag hinter mir lasse, auch bei einem Overnighte­r, fasziniert mich immer noch.“

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Foto: Gunnar Fehlau/tmn Kompakt unterwegs: Bikepacker reisen mit schmaler Ausrüstung, die in kleine Taschen pas‰ sen muss.
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Foto: Peter Bender/dpa Bikepackin­g führt nicht nur über Straßen und ausgewiese­ne Radwege, sondern manchmal auch über Schotterpi­sten.

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