Die Sucht nach Bewegung
Psychologie Wenn das Sporttreiben zwanghaft wird, bleibt oft die Gesundheit auf der Strecke.
Viele Betroffene leiden auch an Essstörungen. Ab wann man sich Sorgen machen muss
spricht jedenfalls eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie und der Uni Freiburg, die elektronische Tagebücher essgestörter Patientinnen mit denen gesunder Teilnehmerinnen verglich. Demnach trieben Patientinnen gezielt Sport, um aus Stimmungstiefs zu kommen. Auch diese Strategie, schreiben die Studienautoren, kann in einen Teufelskreis hineinführen: nämlich dann, wenn man immer mehr Sport treiben muss, um sich gut zu fühlen.
Daneben gibt es viele weitere Gründe, aus denen sich eine Sportsucht entwickeln kann. „Zum Beispiel ist soziale Anerkennung eine Belohnung für Sporttreibende, die zu einer Verhaltensverstärkung führen kann“, sagt die Leipziger Sportpsychologin Walter. Neben den sozialen Medien, über die bestimmte Schönheitsideale verbreitet werden, spiele oft der Freundeskreis eine besondere Rolle, meint die Expertin. „Manche Betroffene bewegen sich in ‚In-groups’, in denen nur über Sport, Trainingsfortschritte und Ernährung kommuniziert wird.“Ob sie primär sportsüchtig seien, zusätzlich ein essgestörtes Verhalten oder gar eine manifeste Essstörung zeigten, lasse sich oft schwer sagen. „Es gibt keine exakte Diagnostik. Außerdem fehlt es an Therapeuten, die auf Essstörungen und Sportpsychologie spezialisiert sind“, sagt Walter.
Wichtig ist, eine beginnende Sportsucht möglichst früh zu behandeln. Wer an sich erste Anzeichen bemerkt, sollte sich daher Hilfe holen. „Ansprechpartner kann zunächst der Hausarzt sein“, sagt Heiko Ziemainz. „Ansonsten ist man bei einem Psychologen oder Psychotherapeuten gut aufgehoben, der auf Verhaltenssüchte spezialisiert ist.“Die Behandlung läuft in der Regel auf eine kognitive Verhaltenstherapie hinaus. Aber wer braucht wirklich eine Therapie? Auch darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Die Freiburger Sportpsychologin Jana Strahler erklärt: „Entscheidend ist der Leidensdruck.“Eine Behandlung setzt auch voraus, dass die Betroffenen einsichtig sind – wie bei anderen Süchten kann der wohlgemeinte Rat von Freunden oder Angehörigen nichts ausrichten. Manchmal reicht auch eine Beratung, um gefährdete Sportler auf den richtigen Weg zu bringen. „Auch Wissensvermittlung kann helfen. Zum Beispiel der Hinweis darauf, dass Muskelwachstum nicht beim Training, sondern in den Regenerationsphasen stattfindet“, sagt Strahler.