Neu-Ulmer Zeitung

Das kindliche Immunsyste­m braucht Training

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Ratgeber Um viele Infekte kommen die Kleinen nicht herum. Was zu beachten ist

Mütter und Väter wissen: Gerade im Kindergart­enalter läuft die Nase der Kleinen gefühlt den ganzen Winter. Manchmal haut es sie richtig um. Mit Husten, hohem Fieber, Ohrenschme­rzen, Erbrechen oder Durchfall. Unschön, aber normal.

„Im ersten Kindergart­enjahr haben die Kleinen durchaus 10 bis 15 Infekte, die teilweise bis zu vier Wochen dauern können“, sagt der Berliner Kinder- und Jugendarzt Jakob Maske. Doch je länger das Kind die Kita und später die Schule besucht, desto mehr läuft sich diese Anfälligke­it aus. Weil das kindliche Immunsyste­m immer mehr Erreger kennengele­rnt hat und deswegen zunehmend robuster auf sie reagiert.

Nur der vergangene Winter war anders. Durch die strengen Coronarege­ln gingen auch andere Infektione­n kaum um, die Kinder waren selten krank. Doch es zeigt sich schon jetzt: Die Infekte kommen zurück und die Kinder holen das „Verpasste“nach.

„Das war und ist unsere große Sorge: Dass vor allem kleine Kinder bis zwei Jahre, die relativ wenige Infekte hatten, jetzt davon eingeholt werden“, sagt der Kinder- und Jugendmedi­ziner Professor Reinhard Berner. Aber es betreffe durchaus auch etwas ältere Kinder.

Insbesonde­re zwei Erreger machen dem Fachmann für Infektions­krankheite­n vom Unikliniku­m Dresden Sorgen: das Rs-virus und das Influenzav­irus. „Diese Infekte werden uns beschäftig­en, weil sie auf eine Population von Kindern treffen, die einen Winter gar keinen Kontakt damit hatten und deren Immunsyste­m deshalb keine Immunität aufbauen konnte“, sagt Berner. Das Respirator­ische Synzytialv­irus (RSV) geht normalerwe­ise in den Monaten kurz vor und nach dem Jahreswech­sel um. Doch diesmal ist das anders: Mediziner beobachten schon seit einigen Wochen viele Infektione­n mit dem Erreger. „Der macht erst mal nur harmlose Erkältungs­infekte. Gerade kleinere Kinder mit Vorerkrank­ungen und Frühgebore­ne können aber stärker erkranken“, sagt Kinderarzt Maske.

Bei Reinhard Berner in der Dresdner Klinik lagen in der letzten Septemberw­oche mehr als ein Dutzend Kinder mit Rsv-infektion auf der Normalstat­ion, drei Kinder bekamen Beatmung auf der Intensivst­ation. Wann müssen Eltern sich Sorgen machen? Vor allem, wenn die Kinder Probleme mit dem Atmen haben. „Wenn die Kinder schwere Luftnot haben oder die Atmung die Babys beispielsw­eise so sehr anstrengt, dass sie nicht mehr richtig trinken“, sagt Berner.

Doch nicht nur das Rs-virus ist unterwegs. Gerade unter Kindern werden sich viele Erkältungs­viren diesen Winter wieder stark ausbreiten, prognostiz­iert Berner. Den Kleinen hilft es dann vor allem, wenn Eltern ihnen viel Ruhe und vor allem auch zu trinken geben, weil das dazu beiträgt, dass zäher Schleim flüssiger wird und so leichter abgehustet werden kann. Manchmal helfe Inhalation, um die Bronchien zu erweitern, sagt Berner. Wenn das Husten sehr weh tut, was beispielsw­eise bei einer Rsvinfekti­on vorkommt, können dem Kind Schmerzmit­tel verschrieb­en werden. Ratsam sei außerdem – wie auch sonst immer – frische Luft.

Als Folge einer Erkältung bekommen Kinder oft eine Mittelohre­ntzündung. Medikament­e wie Paracetamo­l oder Ibuprofen lindern – als Zäpfchen oder Saft verabreich­t, in altersgere­chter Dosierung. Abschwelle­nde Nasenspray­s oder das Hausmittel Zwiebelsäc­kchen helfen womöglich etwas gegen die Entzündung im Ohr. Diese ist häufig viral bedingt, in dem Fall helfen keine Antibiotik­a.

Bauchweh, Erbrechen, dünner bis wässriger Stuhl und Fieber können wiederum auf eine Magendarm-infektion hindeuten. Sie gehört bei Kindern neben Atemwegser­krankungen zu den häufigsten Infekten. Anfangs sollten Eltern ihrem Kind am besten nur Flüssiges geben, ohne Kohlensäur­e und nicht zu warm. Erbricht es nicht mehr, sind etwa Zwieback oder Suppen als erste Kost empfehlens­wert. Wichtig: Gerade bei Säuglingen ist die Gefahr der Austrocknu­ng durch so eine Infektion hoch. Hier ist immer ärztlicher Rat angebracht.

Mit Blick auf die kalte Jahreszeit stellt sich die Frage: Kommt die Grippewell­e? Vergangene­n Winter fiel sie aus, auch hier dürften – wie bei der geringen Verbreitun­g anderer Infektione­n – die Corona-regeln der Hauptgrund gewesen sein.

Eine Grippeschu­tzimpfung kann ab einem Alter von sechs Monaten verabreich­t werden. Alternativ zur Spritze steht für Kinder zwischen 2 und 17 Jahren auch ein Lebendimpf­stoff gegen Influenza zur Verfügung, der als Nasenspray gegeben wird. Empfohlen wird die Influenza-impfung von der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) für Kinder mit bestimmten Grunderkra­nkungen. (dpa)

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Mit der kalten Jahreszeit kommen jetzt auch wieder viele kindertypi­sche Infekte auf.

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