Das Fischdrehkreuz des Südens
Handel 1800 Tonnen Lebensmittel, 20 Millionen Euro Umsatz im Jahr: Für die Deutsche See
Fischmanufaktur ist Neu-ulm ein wichtiger Standort. So läuft die Arbeit
Neuulm Zwei Grad über Null in den Kühlräumen, 20 Grad minus im Tiefkühlbereich. Auf rund 800 Quadratmetern liegen Lachs und Seeteufel, Garnelen und Venusmuscheln, ganze Fische und filetierte Stücke in Kisten und Regalen. Übermäßig voll ist es nicht. „Gott sei Dank“, sagt Peter Gohl, Regionalund Niederlassungsleiter bei der Deutsche See Fischmanufaktur. Hier soll alles schnell gehen, nichts lange gelagert werden. Viele Produkte, sagt Gohl, würden bestellt und binnen 48 Stunden in Bremerhaven produziert, nach Neu-ulm gebracht und von dort aus ausgeliefert. Rund 1800 Tonnen Lebensmittel werden jährlich von hier aus zu Supermärkten, Fischhändlern, Restaurants und Kantinen gebracht.
An sechs Tagen pro Woche kommt ein Vierzigtonner aus Bremerhaven, montags bis freitags gegen Mitternacht und sonntags schon um etwa 22 Uhr. Dann wird den Morgen über gearbeitet, die Ware wird in kleinere Lastwagen umgeladen und ausgefahren. Das Liefergebiet erstreckt sich an der A7 entlang von Crailsheim bis Füssen und von der Schwäbischen Alb bis nach Augsburg. Die Fahrzeuge, überwiegend kleinere Lastwagen, steuern auch Teile von Vorarlberg in Österreich an. In Ulm und Neu-ulm führen die großen Handelsketten Produkte des Unternehmens, aber auch in den Hotel-restaurants Lago und Maritim kommt Fisch auf den Tisch, den die Deutsche See Fischmanufaktur verkauft hat.
Der studierte Betriebswirt und gelernte Koch Peter Gohl ist seit 1999 im Unternehmen und seit 2019 Filialleiter in Neu-ulm. Regionalleiter für fast ganz Bayern war er schon davor. „Die Nähe zu den Kunden ist uns wichtig“, betont er. Nur durch die Dichte der Niederlassungen – 19 bundesweit – könne man allen gerecht werden. Restaurants, die 20 bis 30 Kilo in der Woche benötigen, und Geschäfte, die 150 bis 200 Kilo Fisch und Meeresfrüchte weiterverkaufen wollen. 35.000 Kundinnen und Kunden hat die Deutsche See Fischmanufaktur in der Republik, etwa 1200 werden von Neu-ulm aus bedient. Die Niederlassung im Lise-meitner-ring nahe der B10 macht einen Jahresumsatz von rund 20 Millionen Euro. Im Corona-jahr sei der Einbruch aber spürbar gewesen, räumt Gohl ein. Restaurants und Kantinen blieben zu, die Deutsche See nahm Kurzarbeitergeld in Anspruch.
Jetzt fahren die 20 Lastwagen aus Neu-ulm wieder überall hin. Nachts geht es los, zuerst mit den weiteren Fahrten. Die kürzeren Touren folgen am Vormittag. Um 8 Uhr ist alles vorbei, montags sogar noch früher. Denn an diesem Tag die Auslieferung zeitiger, weil vor allem die Supermärkte mehr Waren abnehmen. Mittwochs und am Wochenende gibt es weitere Spitzen – zur Wochenmitte, weil viele Handelsketten dann mit Sonderangeboten werben, und zum Wochenende, weil dann der Zulauf in den Gaststätten steigt.
Betriebskantinen und soziale Einrichtungen beliefert die Deutsche See auch, kommunale Krankenhäuser gehören aber nicht dazu. Deren Budget genüge nicht für die Preise, sagt Gohl. Das Unternehmen ist eher im oberen Segment unterwegs. Dafür, sagt der Regionalleiter, achte man sorgsam auf Nachhaltigkeit. Die Deutsche See nehme auch mal einen Fisch aus dem Sortiment, um Bestände zu schützen, betont Peter Gohl, derzeit zum Beispiel den Roten Thun. Und man beziehe die Ware gezielt aus Ländern, die besonders strenge Maßstäbe für Fangquoten festsetzen und sich nicht etwa an der Länge der Küstenkilometer orientieren wie es die EU vorsieht, sondern an wissenschaftlichen Erkenntnissen. „Die Fischbestände sind der Ast, auf dem wir sitzen“, sagt Peter Gohl.
Neu-ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger, die sich bei einem Betriebsbesuch durch die hiesige Niederlassung führen lässt, lobt diesen Einsatz des Unternehmens, das seit 2018 zum niederländischen Fischereikonzern Parlevliet & Van der Plas gehört. Dass das Unternehmern Menschen in ärmeren Ländern unterstützt, kommt bei der Csu-politikerin gut an.
Denn was die Deutsche See unter Nachhaltigkeit versteht, bezieht sich nach Angaben Peter Gohls nicht nur auf den Umgang mit der Natur. Man bestehe darauf, dass die Zulieferfirmen ihr Personal sozialversicherungspflichtig anstellen. In Vietnam habe man Menschen eine Krankenversicherung ermöglicht. Am Victoriasee in Ostafrika habe man eine Schule und einen Kindergarten gebaut.
An die 4000 Artikel hat die Deutsche See im Angebot, ein Großteil der Ware wird in wiederverwendbaren Plastikboxen ausgeliefert, für die es eigene Wasch- und Spülanlagen gibt. Kisten aus Styropor dienen allmählich aus. Das Unternehmen ist 1939 als Großhändler der Schnellrestaurantkette Nordsee gebeginnt gründet worden, die noch heute ein Großkunde des Bremerhavener Händlers ist. In den 80er- Jahren trennten sich Nordsee und Deutsche See. Die Fischmanufaktur verkauft Fische und Meeresfrüchte, verarbeitete Stücke wie Filets, Convenience-produkte, Salate, Sushi und mehr. Die veredelten Lebensmittel kommen aus drei Fabriken am Stammsitz in Bremerhaven, die vom Unternehmen Manufakturen genannt werden. Im Kühllager in Neu-ulm werden aber auch geringe Mengen Fleisch aufbewahrt, die der Konzern ebenfalls veräußert.
Rund 50 Beschäftigte arbeiten in der Niederlassung am Lise-meitner-ring, die meisten im Fuhrpark und im Lager. Vom Fisch-drehkreuz an der bayerisch-baden-württembergischen Landesgrenze aus werden die Produkte aber nicht nur ausgefahren. Zu den Bürozeiten kommen gelegentlich ganz normale Verbraucherinnen und Verbraucher an den Standort im Industriegebiet: Seit acht Jahren können viele Produkte auch im Internet bestellt werden – entweder nach Hause oder eben zur Abholung in die nächstgelegene Niederlassung.