Neu-Ulmer Zeitung

Vom Korn bis zum Brot alles aus der Region

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Modellproj­ekt In Gablingen stellt sich eine neue Initiative vor: eine geschlosse­ne Lieferkett­e vom Getreideba­uern über den

Müller bis hin zum Bäcker. Sie ist nachhaltig, regional und bio und damit etwas Besonderes in der heutigen Zeit

Gablingen Auf der Wiese, vor einem mobilen Stall, scharren bunte Hühner im Sand, auf der Weide daneben muhen die Rinder. Die Gablinger Familie Rotter baut auf ihren Feldern Kartoffeln, Kleegras, Soja, Mais, Zuckerrübe­n, Gemüse, Roggen und auch – schwerpunk­tmäßig – Dinkel an. „30 Hektar von der Sorte Zollernspe­lz sind es. Weizen lassen wir dafür jetzt ganz bleiben“, erklärt der Senior Franz Rotter. Damit ist der Hafnerbaue­r, ein großer Bio-betrieb im Norden von Augsburg, Teil eines „ganz besonderen Leuchtturm-projekts“, so Ulrich Deuter von der Ökomodellr­egion Stadt.land.augsburg.

14 Bio-landwirte, ein Bio-bäcker, zwei Müller und die Bio-vermarkter aus Pöttmes haben sich dafür – von Ulrich Deuter moderiert – zusammenge­tan. Was dabei herausgeko­mmen ist, erfüllt die Beteiligte­n mit Stolz: Die Liefergrup­pe für die Bobinger Bäckerei Cumpanum mit insgesamt neuen Verkaufsst­ellen im Raum Augsburg und München bildet jetzt eine konsequent­e nachhaltig­e Wertschöpf­ungskette in Sachen Bio-getreide und -Brot.

So funktionie­rt sie: 14 Landwirte aus der Region bauen künftig für Cumpanum Bio-dinkel an. 600 Tonnen von dem Getreide wollen sie dem Bio-bäcker 2022 liefern, das entspricht etwa 300 Tonnen Dinkelmehl. Dafür bekommen die Bauern einen vertraglic­h fixierten Festpreis, sagt Andreas Hopf, Geschäftsf­ührer der Bio-vermarktun­gsgesellsc­haft Pöttmes. Gerade auf dem Bio-getreidema­rkt sind ansonsten starke Preis-schwankung­en von einem auf den nächsten Tag möglich. Extrem volatil nennen Experten das. Für Bio-bauern, die bei der Aussaat nicht wissen, ob sich am Ende ihre Ausgaben decken werden, bedeutet das eine schwierige

Situation. Das motiviert Landwirte nicht unbedingt zum Umsteigen auf „Bio“. In der neu geschmiede­ten Allianz hingegen können sie mit verlässlic­hen Einnahmen rechnen. Auch wenn der Diskurs über die Preisgesta­ltung bisweilen hoch emotional verlief, wie Projektman­ager Deuter verrät, sind die Beteiligte­n zufrieden mit dem Ergebnis.

Der Startschus­s für das Projekt ist im Oktober gefallen: Auf 200 Hektar Ackerfläch­e haben die Landwirte das erste Getreide ausgesät. Zwischen Donauwörth und bis kurz vor Landsberg liegen die 14 Höfe – bis zu 80 Kilometer voneinande­r entfernt. Was nach den Worten von Landwirt Franz Rotter eindeutig Vorteile hat: Sollte es wie in den vergangene­n Jahren Unwetter geben, sei nur ein Teil der Ernte gefährdet. Spielt das Wetter mit, kann das Getreide im Juli und August geerntet, gedroschen und im Reinigungs­betrieb entspelzt werden. Gemahlen wird an zwei Orten: in der Bennomühle in Friedberg und in einem Betrieb in Landshut, mit dem Biobäcker André Heuck seit längerem zusammenar­beitet. Der Bäckermeis­ter wollte immer schon wissen, wo das Getreide herkommt, das er verarbeite­t und es nicht einfach in einer großen Mühle kaufen, die jede Woche mehrere hundert Tonnen

Getreide an den Mann bringt, wie es heutzutage in der stark arbeitstei­ligen Welt üblich ist.

Mit dem Projekt hat sich Heucks lang gehegter Traum erfüllt. Ähnlich wichtig wie die Gesundheit seiner Kunden, deshalb Dinkel, sind für Heuck: qualitativ hochwertig­es traditione­lles Handwerk, Stärkung regionaler Produzente­n vom Landwirt bis zum Müller, Erhalt von Arbeitsplä­tzen in der Region und die Gesunderha­ltung von Ackerböden.

Corona mit dem wachsenden Interesse der Verbrauche­r an Regionalit­ät und Bio-qualität verlieh den Ideen Rückenwind. Als unsere Zeitung im Januar von einer Aktion des Bäckers zur Gesunderha­ltung von Ackerböden berichtete („Was hinter dem Boden-brot steckt“), meldeten sich mehrere Bio-landwirte, die mit Heuck zusammenar­beiten wollten. Parallel fand er in Andreas Hopf von der Bio-vermarktun­gsgesellsc­haft Pöttmes und Ulrich Deuter von der Ökomodellr­egion zwei Mitstreite­r. Damit schloss sich der Kreis auf geradezu logische Weise: Und seit kurzem betreibt die Gablinger Landwirtsf­amilie Rotter auch einen Hofladen, in dem auch das aus seinem Dinkel gebackene Brot verkauft wird.

Das Projekt ist sowohl auf Nachhaltig­keit als auch auf Zuwachs angelegt: Für die Jahre zwei und drei ist schon eine Steigerung der Mengen eingeplant. Die Initiative sichere nicht nur Arbeitsplä­tze und Ertrag in der Region, lobten Landrat Martin Sailer und Augsburgs Umweltrefe­rent Reiner Erben bei der Vorstellun­g der Initiative. Durch Verzicht auf Pflanzensc­hutzmittel und Verringeru­ng von Transportf­ahrten tue sie auch etwas für Umweltund Klimaschut­z. Bleibe die Wertschöpf­ung für landwirtsc­haftliche Produkte bei ihnen und in der Region, bedeute das auch ein Stück Wertschätz­ung.

 ?? ?? 14 Landwirte bauen auf ihren Feldern Bio‰dinkel an, der in der Region gemahlen und zu Bio‰brot – oben rechts die „Saatenroll­e“– verarbeite­t wird. Und damit sich der Kreislauf schließt, kann man die Produkte jetzt auch im Hofladen von Sebastian und Franz Rotter (v.l.) kaufen. Einer der Unterstütz­er des Projekts ist Bio‰vermarkter Andreas Hopf.
14 Landwirte bauen auf ihren Feldern Bio‰dinkel an, der in der Region gemahlen und zu Bio‰brot – oben rechts die „Saatenroll­e“– verarbeite­t wird. Und damit sich der Kreislauf schließt, kann man die Produkte jetzt auch im Hofladen von Sebastian und Franz Rotter (v.l.) kaufen. Einer der Unterstütz­er des Projekts ist Bio‰vermarkter Andreas Hopf.
 ?? Fotos: Deuter, Cumpanum, Schmidt‰forth ??
Fotos: Deuter, Cumpanum, Schmidt‰forth
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany