Vom Korn bis zum Brot alles aus der Region
Modellprojekt In Gablingen stellt sich eine neue Initiative vor: eine geschlossene Lieferkette vom Getreidebauern über den
Müller bis hin zum Bäcker. Sie ist nachhaltig, regional und bio und damit etwas Besonderes in der heutigen Zeit
Gablingen Auf der Wiese, vor einem mobilen Stall, scharren bunte Hühner im Sand, auf der Weide daneben muhen die Rinder. Die Gablinger Familie Rotter baut auf ihren Feldern Kartoffeln, Kleegras, Soja, Mais, Zuckerrüben, Gemüse, Roggen und auch – schwerpunktmäßig – Dinkel an. „30 Hektar von der Sorte Zollernspelz sind es. Weizen lassen wir dafür jetzt ganz bleiben“, erklärt der Senior Franz Rotter. Damit ist der Hafnerbauer, ein großer Bio-betrieb im Norden von Augsburg, Teil eines „ganz besonderen Leuchtturm-projekts“, so Ulrich Deuter von der Ökomodellregion Stadt.land.augsburg.
14 Bio-landwirte, ein Bio-bäcker, zwei Müller und die Bio-vermarkter aus Pöttmes haben sich dafür – von Ulrich Deuter moderiert – zusammengetan. Was dabei herausgekommen ist, erfüllt die Beteiligten mit Stolz: Die Liefergruppe für die Bobinger Bäckerei Cumpanum mit insgesamt neuen Verkaufsstellen im Raum Augsburg und München bildet jetzt eine konsequente nachhaltige Wertschöpfungskette in Sachen Bio-getreide und -Brot.
So funktioniert sie: 14 Landwirte aus der Region bauen künftig für Cumpanum Bio-dinkel an. 600 Tonnen von dem Getreide wollen sie dem Bio-bäcker 2022 liefern, das entspricht etwa 300 Tonnen Dinkelmehl. Dafür bekommen die Bauern einen vertraglich fixierten Festpreis, sagt Andreas Hopf, Geschäftsführer der Bio-vermarktungsgesellschaft Pöttmes. Gerade auf dem Bio-getreidemarkt sind ansonsten starke Preis-schwankungen von einem auf den nächsten Tag möglich. Extrem volatil nennen Experten das. Für Bio-bauern, die bei der Aussaat nicht wissen, ob sich am Ende ihre Ausgaben decken werden, bedeutet das eine schwierige
Situation. Das motiviert Landwirte nicht unbedingt zum Umsteigen auf „Bio“. In der neu geschmiedeten Allianz hingegen können sie mit verlässlichen Einnahmen rechnen. Auch wenn der Diskurs über die Preisgestaltung bisweilen hoch emotional verlief, wie Projektmanager Deuter verrät, sind die Beteiligten zufrieden mit dem Ergebnis.
Der Startschuss für das Projekt ist im Oktober gefallen: Auf 200 Hektar Ackerfläche haben die Landwirte das erste Getreide ausgesät. Zwischen Donauwörth und bis kurz vor Landsberg liegen die 14 Höfe – bis zu 80 Kilometer voneinander entfernt. Was nach den Worten von Landwirt Franz Rotter eindeutig Vorteile hat: Sollte es wie in den vergangenen Jahren Unwetter geben, sei nur ein Teil der Ernte gefährdet. Spielt das Wetter mit, kann das Getreide im Juli und August geerntet, gedroschen und im Reinigungsbetrieb entspelzt werden. Gemahlen wird an zwei Orten: in der Bennomühle in Friedberg und in einem Betrieb in Landshut, mit dem Biobäcker André Heuck seit längerem zusammenarbeitet. Der Bäckermeister wollte immer schon wissen, wo das Getreide herkommt, das er verarbeitet und es nicht einfach in einer großen Mühle kaufen, die jede Woche mehrere hundert Tonnen
Getreide an den Mann bringt, wie es heutzutage in der stark arbeitsteiligen Welt üblich ist.
Mit dem Projekt hat sich Heucks lang gehegter Traum erfüllt. Ähnlich wichtig wie die Gesundheit seiner Kunden, deshalb Dinkel, sind für Heuck: qualitativ hochwertiges traditionelles Handwerk, Stärkung regionaler Produzenten vom Landwirt bis zum Müller, Erhalt von Arbeitsplätzen in der Region und die Gesunderhaltung von Ackerböden.
Corona mit dem wachsenden Interesse der Verbraucher an Regionalität und Bio-qualität verlieh den Ideen Rückenwind. Als unsere Zeitung im Januar von einer Aktion des Bäckers zur Gesunderhaltung von Ackerböden berichtete („Was hinter dem Boden-brot steckt“), meldeten sich mehrere Bio-landwirte, die mit Heuck zusammenarbeiten wollten. Parallel fand er in Andreas Hopf von der Bio-vermarktungsgesellschaft Pöttmes und Ulrich Deuter von der Ökomodellregion zwei Mitstreiter. Damit schloss sich der Kreis auf geradezu logische Weise: Und seit kurzem betreibt die Gablinger Landwirtsfamilie Rotter auch einen Hofladen, in dem auch das aus seinem Dinkel gebackene Brot verkauft wird.
Das Projekt ist sowohl auf Nachhaltigkeit als auch auf Zuwachs angelegt: Für die Jahre zwei und drei ist schon eine Steigerung der Mengen eingeplant. Die Initiative sichere nicht nur Arbeitsplätze und Ertrag in der Region, lobten Landrat Martin Sailer und Augsburgs Umweltreferent Reiner Erben bei der Vorstellung der Initiative. Durch Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Verringerung von Transportfahrten tue sie auch etwas für Umweltund Klimaschutz. Bleibe die Wertschöpfung für landwirtschaftliche Produkte bei ihnen und in der Region, bedeute das auch ein Stück Wertschätzung.