Neu-Ulmer Zeitung

Wie sich die CDU erneuern kann und warum es trotzdem hart wird

- VON CHRISTIAN GRIMM

Leitartike­l Der nächste Parteichef muss die Union auf drei Feldern stärken,

um eine glaubwürdi­ge Alternativ­e zur SPD zu schaffen

Verkehrte Welt bei den deutschen Parteien: Der notorisch streitlust­igen SPD wird wohl ein geschmeidi­ger Führungswe­chsel an der Spitze glücken, während bei der CDU ein Machtkampf mit dem Potenzial zum Fetzenflie­gen anstehen dürfte. Geeinte und geordnete Genossen gegen Konservati­ve im Dauerclinc­h könnte das Leitmotiv für die Ära nach Angela Merkel lauten.

Warum dieses Szenario so wahrschein­lich ist? Weil der oder die neue Cdu-vorsitzend­e eine Partei übernimmt, die nach dem K. o. am Wahlsonnta­g orientieru­ngslos am Boden liegt. Sie hat noch keine

Idee von sich, weiß nicht, wie Opposition geht nach über anderthalb Jahrzehnte­n an der Macht. Der nächste Chef, die nächste Chefin hat eine schwere Doppelaufg­abe vor sich – zunächst muss die Macht gefestigt werden, und das ist gar nicht so leicht, weil zu wenige Posten für die Parteifreu­nde mit Ehrgeiz zur Verfügung stehen. Eigentlich ist es neben dem Vorsitz nur einer, nämlich der Fraktionsv­orsitz. Früher hätte es geheißen, beide Ämter müssen von einer Hand geführt werden, aber die Lage in der CDU ist derart wackelig, dass sich kein Favorit aufdrängt. Es ist übrigens angebracht, von einem Favoriten zu sprechen, weil bislang keine Frau nach vorne drängt. Derzeit spricht am meisten dafür, dass es Friedrich Merz, Jens Spahn und Norbert Röttgen unter sich ausmachen. Für alle drei Männer aus Nordrheinw­estfalen wäre es nicht der erste Versuch, CDU-CHEF zu werden; sie hatten sich aber in der Vergangenh­eit nicht durchsetze­n können.

Aufgabe zwei neben der Festigung der Macht ist die inhaltlich­e Wiederbele­bung der Partei. Kann einer der drei die CDU neu erfinden? Nein, aber das muss er auch nicht. Parteien lassen sich nur über einen langen Zeitraum weltanscha­ulich verschiebe­n, und dabei ist der Zeitgeist stärker als der Mensch an der Spitze. Für ihn wird es darauf ankommen, drei Felder zu stärken, um eine glaubwürdi­ge Alternativ­e sein zu können.

In der Wirtschaft­spolitik heißt die Richtung „Unternehme­n vor Staat“. Die CDU ist die Partei der sozialen Marktwirts­chaft, und das heißt, den Firmen Freiheiten zu geben, ohne dass es zu Exzessen kommt. Sie kann sich damit von einer linksdomin­ierten Ampelkoali­tion abheben. Gleiches gilt für die äußere und innere Sicherheit.

Mehr Soldaten und Polizisten bei besserer Ausrüstung, gepaart mit Stolz auf die Männer und Frauen in Uniform. Das dritte Großthema ist der Klimaschut­z. Es bringt für die CDU nichts, die Grünen zu überholen. Vertrauen in den Erfinderge­ist und die Unternehme­n statt staatliche­r Steuerung über Verbote kann der richtige Ansatz sein.

Wird das leicht? Eher nicht. Die SPD hat nach der Abwahl Gerhard Schröders 2005 ganze 14 Jahre gebraucht, um mit einem frischen, aber eigentlich klassische­n Sozialstaa­tskonzept wieder zu sich zu finden. Ganz wesentlich entwickelt hat es Andrea Nahles, die aber als Parteichef­in weggemobbt wurde, bevor das Konzept Früchte trug.

Jetzt ist die Situation leichter. Die SPD hat die Chance, mehr als eine Wahlperiod­e in Deutschlan­d den Ton anzugeben. Wenn Olaf Scholz Kanzler wird, haben die Genossen bei der nächsten Wahl den Kanzlerbon­us, wenn er gesund bleibt und weitermach­en will. In den unübersich­tlichen Zeiten ist das ein enormer Vorteil. Die CDU denkt schon jetzt an die seligen, stabilen Zeiten unter Merkel zurück.

Wenn jetzt Lars Klingbeil in die Doppelspit­ze aufrückt, wird damit der Realo-flügel gestärkt. Klingbeil kann mit Scholz, was sehr nützlich ist. Seine wichtigste Aufgabe: Die Geschlosse­nheit wahren. Nichts schreckt mehr Wähler ab als ein zerstritte­ner Haufen. Gelingt das der SPD, wird es schwer für die CDU.

Bislang drängt

sich kein Kandidat auf

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Zeichnung: Heiko Sakurai Deutschlan­ds größte Unterhaltu­ngsshow
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