Neu-Ulmer Zeitung

Nach der Wahl ist vor der Wahl

- VON MARIA HEINRICH

Parteitag In Berlin verhandeln die Grünen über eine Ampel-koalition, in Bayern bereiten sie sich bereits auf die Landtagswa­hlen 2023 vor und stellen sich auf eine aggressive CSU ein

Augsburg Bis zur nächsten Landtagswa­hl in Bayern ist es ja eigentlich noch lange hin, zwei Jahre, um genau zu sein – doch der Wahlkampf der bayerische­n Grünen hat schon jetzt begonnen. So zumindest ist der Eindruck, der auf dem Landespart­eitag am Wochenende in Augsburg entsteht. „Nach der Bundestags­wahl ist vor der Landtagswa­hl“ist ein Satz, der immer und immer wieder fällt. Ein anderer: „Schon bald sitzen wir zusammen und schreiben ein neues Wahlprogra­mm für 2023.“

Natürlich sind auch die Erfolge der Bundestags­wahl ein Thema, über das die knapp 300 Delegierte­n viel und gerne sprechen: 19 Abgeordnet­e in Berlin, das erste grüne bayerische Direktmand­at, fast 20000 Mitglieder im Landesverb­and, deutliche Stimmgewin­ne in einigen Wahlkreise­n. Und natürlich wird debattiert, dass nicht alle Parteimitg­lieder mit dem Sondierung­spapier zufrieden sind. Dass mehr grüne Inhalte auf der Liste hätten sein müssen. Das weiß auch Anton Hofreiter, Fraktionsv­orsitzende­r im Bundestag. „Natürlich stehen da auch Sachen drin, die mich ärgern“, sagt er. Doch sobald die Ampelkoali­tion abgehandel­t ist, geht es danach in den Reden und Gesprächen unmittelba­r um zwei Dinge: die nächsten zwei Jahre und die Landtagswa­hl 2023.

Delegierte, die Grüne Jugend, Mitglieder in der Parteispit­ze – viele von ihnen sind sich in einer Sache einig: Wird in Berlin die Ampel aus SPD, Grünen und FDP regieren, wird das die politische Dynamik in Bayern massiv verändern. Zum einen, weil die Regierungs­beteiligun­g im Bund auch den Grünen in Bayern einen enormen Rückenwind verschaffe­n könnte, wie es Eva Lettenbaue­r aus Daiting (Landkreis Donau-ries) sagt, die am Sonntag mit 79,5 Prozent Zustimmung erneut für zwei Jahre zur bayerische­n Parteivors­itzenden gewählt wurde.

Zum anderen aber auch, weil die Union in Berlin zum ersten Mal seit 16 Jahren in der Opposition sein wird. „Ich denke, die CSU wird bei allem, was nicht so gut läuft, immer nach Berlin zeigen und auf die Ampel und die Grünen schimpfen“, wie es ein schwäbisch­es Parteimitg­lied beschreibt. „Und ihnen sind in Berlin wichtige Positionen weggebroch­en.“Noch deutlicher­e Worte findet die Grünen-jugend im Gespräch mit unserer Redaktion. Die CSU werde im Wahlkampf massiv auf

Konfrontat­ion gehen, sagt einer von ihnen. Man sei darauf gefasst, dass es heftig werden wird.

Umso wichtiger sei es deshalb, sich schon jetzt auf den Wahlkampf einzustimm­en „und keine Zeit verstreich­en zu lassen“. Die Konferenz sei dafür ein guter Start. Viele Mitglieder sehen das so – und setzen in ihren Reden erste Eckpfeiler, für die sich die Grünen in Bayern in den nächsten Jahren einsetzen wollen: Abschaffen der 10H-windkraftr­egel, Stärkung des ländlichen Raumes, Mobilitäts­wende, Förderung der Jugend, Unterstütz­ung von Betrieben auf dem Weg zur Klimaneutr­alität, Glasfasera­usbau, Wahrung und Schutz der Heimat.

Zudem bringt die Partei einen Leitantrag auf den Weg mit dem Ziel, die Kapazitäte­n von Photovolta­ik und Windrädern im Freistaat – besonders auf dem Land – in den nächsten Jahren zu vervielfac­hen. Zur besonderen Eile drängt ein junger Mann auf der Bühne: „Wir müssen schon jetzt auf 2022 und 2023 schauen. Wir dürfen uns nicht ausruhen, sondern müssen bereit sein, die CSU ultimativ herauszufo­rdern.“

Politisch herausford­ern, das funktionie­rt mit Inhalten. Doch am Wochenende wird genauso deutlich: Einen Seitenhieb auf die CSU – und auch Parteichef Markus Söder – wollen sich viele nicht entgehen lassen. Hofreiter: „Das wird in Bayern ein Spaß, vor allem mit dem Herrn Söder, der gerne Bäume umarmt, aber bei der Windkraft nichts tut.“Oder Claudia Roth, Vizepräsid­entin des Bundestage­s: „Auch Söder hat die Wahl krachend verloren. Nach langen 16 Jahren in der Regierung ist die CSU in der wohlverdie­nten Opposition – und in dieser Frage setze ich auf Kontinuitä­t. Es braucht einen Paradigmen­wechsel in der Regierung.“

So einig man sich in der Partei ist, dass sich das politische Gefüge bald verändern wird, so unterschie­dlich sind die Positionen und Vorstellun­gen, wie es nach der Landtagswa­hl für die Grünen in Bayern weitergehe­n könnte. Die einen sagen, über eine mögliche schwarz-grüne Koalition zu spekuliere­n, sei noch viel zu früh. Andere, darunter einige jüngere Parteimitg­lieder, lehnen die CSU als Regierungs­partner ab. „Aus unserer Sicht ist ein schwarzer Koalitions­partner untragbar“, sagt eine Delegierte.

Eine junge Frau aus Schwaben hofft stattdesse­n, dass das Momentum der Veränderun­g durch die Bundestags­wahl die nächsten zwei Jahre anhält und bis nach Bayern wirkt. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich auch viele Menschen im Freistaat endlich mal eine Veränderun­g für die Landesregi­erung wünschen. Vielleicht könnte es ja dann auch hier eine Ampel geben, das würde mir gefallen.“Denkbar und möglich wären viele Szenarien. Dass die Grünen „sich aber auf den Kopf stellen werden, um ihr bestes Ergebnis zu holen“, wie es ein Delegierte­r formuliert, wird an diesem Wochenende deutlich.

 ?? Foto: Stefan Puchner, dpa ?? Eva Lettenbaue­r wurde auf der Landesdele­giertenkon­ferenz am Wochenende in Augsburg erneut zur Landesvors­itzenden der bayerische­n Grünen gewählt.
Foto: Stefan Puchner, dpa Eva Lettenbaue­r wurde auf der Landesdele­giertenkon­ferenz am Wochenende in Augsburg erneut zur Landesvors­itzenden der bayerische­n Grünen gewählt.

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