Neu-Ulmer Zeitung

Bitte kein „Wetten, dass..?“-comeback!

- VON DANIEL WIRSCHING

Debatte Thomas Gottschalk wird zu Recht für seine Show am Samstag gefeiert.

Schon denkt das ZDF an eine Fortsetzun­g. Doch es sollte die alten Zeiten lieber ruhen lassen

Mach’s noch einmal, Thommy! hatte man Gottschalk vor der „Wetten, dass ..?“-Neuauflage am Samstag gewünscht – und tatsächlic­h machte er es noch einmal. Und zwar genauso wie früher: Mit einem Mix aus dem Besten der 80er, 90er und den Hits von heute entzündete er ein kaum mehr für möglich gehaltenes Fernseh-lagerfeuer und versammelt­e die Tv-nation vor den Bildschirm­en – 13,8 Millionen Zuschauer, 45,7 Prozent Marktantei­l. Und das mit einer Sendung, die exakt so auch vor 25 Jahren hätte laufen können.

Was da am Samstagabe­nd stundenlan­g zu bestaunen war, waren: ein nicht immer witziger Moderator in stilsicher-skurrilem Outfit, belanglose Sofagesprä­che, bekannte internatio­nale und nicht so bekannte deutsche Stars (wie Svenja

Jung, deren Namen Gottschalk nach wenigen Minuten vergaß), viel Pr-getöse, denn das jeweils neue Album, der neue Film, das neue Musical wollten beworben werden. Und natürlich Wetten, die Jugendlich­e als eher grotesk denn spektakulä­r empfinden mussten. Alles in allem und im Jahr 2021: ziemlich cringe, also peinlich, um es mit dem aktuellen Jugendwort zu sagen.

Dennoch war dieser „Wetten, dass..?“-abend ein wunderbare­r Abend mit seiner Feier der Vergangenh­eit, seiner wohltuende­n Harmlosig- und Langsamkei­t.

Gottschalk, der 2011 zum Ende seiner „Wetten, dass ..?“-Jahre gewohnt war, verrissen zu werden, wird jetzt gefeiert. Zu Recht!

Nicht etwa, weil die Show so außergewöh­nlich gewesen wäre mit ihrem Rezept „Kinder, Hunde, Wettstars“, wie es Gottschalk selbst in der Sendung metakritis­ch ansprach. Sondern weil es ihm gelang, die

Zeit zurückzudr­ehen. Ausgerechn­et oder gerade ihm, dem bisweilen grummelige­n 71-jährigen Showmaster-dino, der mit der Gegenwart fremdelt und gleich zu Beginn erklärte, dass einem ab einem gewissen Alter vieles egal sein sollte.

Diesem Gottschalk darf man nun ganz unironisch dafür danken, dass er dem corona- und irgendwie politikmüd­en Land eine kleine Pause vom Alltag schenkte. (Und Eltern um die 40 die einzigarti­ge Möglichkei­t, ihren Kindern ein prägendes eigenes Kindheitse­rlebnis etwas näherzubri­ngen.)

Und ist es nicht einfach nur schön, wenn ein netter Typ in papageienb­untem Poloshirt ein Millionenp­ublikum unterhält, indem er Dartpfeile auf eine Weltkarte wirft – auf der er Länder treffen soll, die er gar nicht sieht? Ist es nicht noch schöner, dass dieser nette Typ mit verlorener Wette dann Wettkönig wird? Und ja: Ist es nicht auch schön (und passend), dass Helene Fischer, begleitet von den ABBA„B“S Björn und Benny, live deren Hit SOS singt? „Where are those happy days, they seem so hard to find“– Ja, wo sind die glückliche­n Tage, die so schwer zu finden scheinen?

Dieses Retro-festival der Glückselig­keit – Einschaltq­uote und Marktantei­l zeigen es – kam im richtigen Moment und hat offensicht­lich ein Bedürfnis befriedigt. Doch so, wie es nicht möglich ist, die Vergangenh­eit zurückzuho­len und zu konservier­en, so ist es auch nicht möglich, diese „Wetten, dass ..?“-Heile-welt fortzusetz­en, wie es bereits Kommentato­ren fordern und es Zdf-programmdi­rektor Norbert Himmler mit Blick auf die große Resonanz nicht ausschließ­t. Die Zeit von „Wetten, dass..?“und der Samstagabe­ndunterhal­tung, wie sie die Show verkörpert, ist vorbei.

Vielmoderi­erer Gottschalk sollte bei seinem Nein zu einer Fortsetzun­g bleiben. Er hat sich selbst ein riesiges Geschenk gemacht: einen „Wetten, dass..?“-abgang mit Würde. Denn das war sein Ausscheide­n, überschatt­et vom Unfall Samuel Kochs, einst nicht.

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Foto: Karmann, dpa Ein gelöster, freudestra­hlender Gott‰ schalk nach der Show.

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