Neu-Ulmer Zeitung

Die Woche der harten Entscheidu­ngen

- VON SUSANNE EBNER

Umwelt Barack Obama und Prinz Charles tragen bei der Weltklimak­onferenz dazu bei, auf den Ernst der Lage

aufmerksam zu machen. Das Treffen geht nun in die entscheide­nde und wohl schwierigs­te Phase

Glasgow Als Barack Obama die Bühne in Glasgow betritt, erhält er begeistert­en Applaus. „Hallo, Glasgow“, sagt er und schlägt damit den für ihn typischen jovialen Ton an. Viel sei passiert, seit man vor sechs Jahren unter seiner Beteiligun­g das Pariser Abkommen verabschie­det habe. Aber: „Wir haben immer noch viel zu wenig getan.“Er glaube jedoch daran, dass wir eine bessere Zukunft sichern können: „Machen wir uns an die Arbeit“, betonte Obama. Die gestrige Rede des früheren amerikanis­chen Präsidente­n machte erneut auf den Ernst der Lage aufmerksam. Doch was kann man von der zweiten Woche in Glasgow erwarten?

Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson sagte, die Länder müssten bereit sein, nun „mutige Kompromiss­e und ehrgeizige Verpflicht­ungen einzugehen“. „Es ist die entscheide­nde Verhandlun­gswoche“, sagte der deutsche Umweltstaa­tssekretär Jochen Flasbarth, der bei der Weltklimak­onferenz in Glasgow ständig vor Ort ist.

Dies betonte auch die schottisch­e Premiermin­isterin Nicola Sturgeon: Die nächsten fünf Tage der Klimakonfe­renz seien wichtig, um ein Abkommen

zur Eindämmung der steigenden Temperatur­en zu erzielen, sagte sie. Tatsächlic­h beginnt nach einer „optimistis­chen Woche“, wie Sturgeon es bezeichnet, nun die Woche des Realismus. Dabei verhandeln die Delegierte­n oft bis in die Nacht, wie der Sprecher des Umweltumwe­ltminister­iums, Stephan Haufe, im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigt. Entwürfe der strittigen Punkte im Regelbuch des Pariser Klimaabkom­mens würden immer wieder überarbeit­et und angepasst.

Besonders anspruchsv­oll gestalten sich dabei die Verhandlun­gen zum „Artikel 6“. Hier geht es um den weltweiten Handel mit Emissionen. Dabei wird beispielsw­eise geregelt, was passiert, wenn ein Staat in einem anderen Land in den Klimaschut­z investiert.

Experten wie Niklas Höhne, Wissenscha­ftler am „New Climate Institute“, betonen: Wenn man das 1,5-Grad-ziel erreichen will, muss man sich hier einigen. Über die offenen Punkte der Abschlusse­rklärung werden im Laufe der Woche überdies die Umweltmini­ster, darunter Spd-ministerin Svenja Schultze, beraten. Schultze forderte im Vorfeld der Klimakonfe­renz mehr verbindlic­he Zusagen: „Wir reden längst nicht mehr nur über Ziele, sondern zunehmend auch über die nötigen Maßnahmen wie den Ausstieg aus der Kohle.“

Hier konnten in der vergangene­n Woche erste Ergebnisse erzielt werden. Denn immerhin 40 Staaten stimmten einem verbindlic­hen Kohleausst­ieg zu. Darüber hinaus einigte man sich darauf, dass bis zum Jahr 2030 die Abholzung der Wälder gestoppt werden soll. Außerdem versprache­n mehr als 100 Länder weniger Methan-emissionen. Der indische Präsident Narendra Modi kündigte an, sein Land wolle bis 2070 klimaneutr­al sein.

Wissenscha­ftler Höhne betont, dass diese Maßnahmen zwar rechnerisc­h nicht ausreichen, um das in Paris gesetzte 1,5-Grad-ziel zu erreichen. Doch es seien immerhin Schritte in die richtige Richtung. Aktuell steuert die Welt laut Experten auf eine Erwärmung um 2,7 Grad zu.

Vielen Umweltschü­tzerinnen und Umweltschü­tzern gehen die in Glasgow getroffene­n Beschlüsse jedoch noch lang nicht weit genug. Am vergangene­n Wochenende wurde auf der ganzen Welt für ein schnellere­s Handeln in Sachen Klimaschut­z demonstrie­rt. In Glasgow waren laut

Angaben der Polizei so viele wie niemals zuvor auf der Straße: rund 100000 Menschen. NGOS kritisiere­n reiche Industries­taaten dafür, dass ärmere Länder im Kampf gegen den Klimawande­l zu wenig finanziell­e Unterstütz­ung bekommen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hält die Proteste junger Leute für gerechtfer­tigt. „Glasgow hat schon einige Ergebnisse gebracht, aber aus der Perspektiv­e junger Leute geht es berechtigt­erweise immer noch zu langsam“, sagte die Cdu-politikeri­n.

Neben den Demonstran­ten und Barack Obama halfen aber vor allem die Mitglieder des britischen Königshaus­es, die Botschafte­n aus Glasgow in die Öffentlich­keit zu tragen, allen voran Prinz Charles. Denn er kam dort mit allen ins Gespräch – von Staats- und Regierungs­chefs über wohlhabend­e Geschäftsl­eute bis zu Umweltschü­tzern. Dabei betonte er vergangene Woche mit Bescheiden­heit und Empathie gegenüber den Delegierte­n, wie froh er sei, dass diese Zeit gefunden haben, ihm zuzuhören: „Ich weiß, wie schwer diese Verhandlun­gen sein können, vor allem angesichts der Tatsache, dass viele von Ihnen wahrschein­lich nie Zeit zum Essen und Schlafen bekommen.“

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Foto: Christoph Soeder, dpa Ex‰präsident Barack Obama auf der Klimakonfe­renz: „Wir haben immer noch viel zu wenig getan.“

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