Dem Himmel so nah
Region Vor 60 Jahren wurde Manching zu einem der wichtigsten Standorte der Luftfahrtindustrie. Grundlage war der Bau des Starfighters. Markus Söder wandelte jetzt auf den Spuren von Strauß, der sich für das Flugzeug eingesetzt hatte
Manching Als Markus Söder in Manching in die Fliegerjacke schlüpft, die ihm Michael Schöllhorn, CEO von Airbus Defence and Space, überreicht, steht der bayerische Ministerpräsident genau vor einem jener Starfighter, die den Beginn der Luftfahrtindustrie in Manching markiert haben. Die Lederjacke passt wie angegossen und Söder bezeichnet sie als „ziemlich cool“. Genauso wie den Mann, der erst dafür gesorgt hatte, dass im Lauf der Jahre 260 Flugzeuge des Typs F-104G Starfighter in Manching vor den Toren Ingolstadts in Lizenz gebaut werden sollten. „Ich fand Strauß einfach cool“, sagt Söder.
Strauß hat im November 1958 als Verteidigungsminister den Auftrag zur Beschaffung des Starfighters gegeben. Beim begeisterten Hobbypiloten und Flugzeugenthusiasten hatte der Rekordflieger mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 2200 Stundenkilometern einst wahre Begeisterungsstürme ausgelöst. Genauso wie in Manching. Denn für den Bau des Starfighters war die Messerschmitt-werft von München in den Kreis Pfaffenhofen verlegt worden, wo die Luftfahrt ab 1961 für einen ungeheuren Wirtschaftsaufschwung sorgte. Heute arbeiten bei Airbus Defence und Space in Manching, der militärischen Luftfahrtsparte des Konzerns, rund 5500 Mitarbeiter. Hinzu kommen rund 1000 Beschäftigte bei der Bundeswehr. In Erinnerung an die Anfänge des Standorts stattet Söder dem Airbus-areal einen Besuch ab und enthüllt eine Tafel – „um das Engagement von Strauß zu ehren“, so Schöllhorn.
Die Erinnerungen an jene Tage vor 60 Jahren weckt Söder aber vor allem, als er sich mit seinen 1,94 Metern und der perfekt sitzenden Fliegerjacke in einen Eurofighter zwängt – ganz wie Strauß, der sich einst in einem Starfighter ablichten ließ, um sich für das Projekt stark zu machen. Söder, der bekennende Star-trek-fan, besitzt zwar keinen Pilotenschein wie Strauß. Doch wenn sich der Franke ins Cockpit setzt, den Daumen in die Höhe reckt oder – die Hand an der Stirn – vor weißblauem Himmel fast visionär in die Ferne blickt, dann will er zeigen: Hier sitzt einer am Steuer, den der Himmel, das All und alles, was dort fliegt, fasziniert und begeistert.
Das von Söder auf Twitter geteilte Bild ruft umgehend Spötter auf den Plan. Der Fdp-bundestagsabgeordnete Daniel Föst kommentierte auf Twitter: „Ein großes Flugzeug macht noch keinen fähigen Piloten.“Doch selbst aus den eigenen Unions-reihen erntet Söder Spott: „Loose cannon meets Top Gun“, lästert der Cdu-europaabgeordnete Dennis Radtke ebenfalls auf Twitter. Als „loose cannon“wird eine unbefestigte Schiffskanone be
die durch den Rückschlag das Schiff beschädigt – umgangssprachlich wird der Begriff für unberechenbare Personen verwendet.
Söder aber spricht von der digitalen Raumfahrt, von Drohnen, von Hightech, von hochtechnologisierten Arbeitsplätzen, die in der Region erhalten werden müssen. Allein 100 Millionen Euro fließen vom Freistaat für die Förderung der Urban Air Mobility in die Region Ingolstadt. Manching soll ein Zentrum sein für all die neuen Entwicklungen und Möglichkeiten, die sich in der
Luftfahrt auftun. Zivil, aber eben auch militärisch. „Wir wollen mehr Investitionen in die Luftfahrt“, sagt er. Bei Michael Schöllhorn stoßen Söders Worte auf offene Ohren. Seit Juli ist der gelernte Hubschrauberpilot, der in Lagerlechfeld als Sohn eines Starfighter-piloten geboren ist, CEO von Airbus Defence and Space. Und die Luftwaffe ist der mit Abstand größte Kunde. Erst in diesem Jahr konnte Airbus einen großen Auftrag an Land ziehen. 38 neue Eurofighter werden bis 2029 in Manching gebaut. Für neue Projekte sind bereits die ersten Mittel genehmigt. Doch wo werden die Nachfolger des Eurofighters gebaut? Wie geht es weiter mit der Eurodrohne und dem europäischen
Kampfflugzeug-system FCAS, das im Jahr 2040 kommen soll? Bei all den Fragen hoffen die Beschäftigten auf Millionen-aufträge.
Der Starfighter sollte jedoch noch eine unrühmliche Geschichte haben. Insgesamt waren 269 der Flugzeuge abgestürzt, 116 Piloten waren ums Leben gekommen. Von „Witwenmachern“war im Zusammenhang mit den Flugzeugen die Rede. Strauß selbst geriet in den Strudel der Starfighter-affäre. So soll er die Flugzeuge in großer Zahl gegen den Rat von Experten angeschafft haben. Zudem stand die Frage im Raum, ob auch in Deutschland – wie in anderen Ländern – bei der Beschaffung der Flugzeuge Schmiergelder geflossen sind. Strauß selbst konnte eine Vorteilsannahme aber nie nachgewiesen werden.
Doch das ist lange her. Heute steht für die Mitarbeiter in Manching, aber auch am zum Airbuskonzern gehörenden Luftfahrtstandort in Augsburg die Frage im Mittelpunkt, wie es mit dem Bau des Eurofighters weitergeht. In Augsburg werden die Rumpfmittelteile der Maschinen gefertigt. In Manching findet die Endmontage der Kampflugzeuge statt. Für beide Standorte ist der Eurofighter-bau extrem wichtig. Dadurch, dass Deutschland 38 Maschinen nachgeordert hat, kann in Augsburg der militärische Flugzeugbau fortgesetzt werden. Doch hier könnte sich nach Informationen unserer Redakzeichnet, tion unter Kanzler Olaf Scholz, der als Freund des Eurofighters gilt, eine für Manching und Augsburg weiter vorteilhafte Entwicklung abzeichen. Denn die neue Regierung muss entscheiden, wie die rund 90 deutschen Tornado-flugzeuge ersetzt und weiterentwickelt werden, ob ganz mit Eurofightern und einigen runderneuerten Tornados oder zum Teil auch mit amerikanischen F-18-kampfjets. Letztere Variante schien noch von der ausscheidenden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-karrenbauer (CDU) bevorzugt zu werden. Doch nun würden unter Spd-regie die Karten neu gemischt, heißt es in Berlin.
Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die F-18 nicht zum Zuge kommt und der Eurofighter als Tornado-ersatz das Rennen macht. Nach der Variante würde der Tornado aber in geringer Stückzahl und aufgemotzt bleiben, weil dieses Modell in der Lage ist, Atomwaffen zu tragen. Deutschland kann so seiner Bündnisverpflichtung nachkommen. Dass die europäische Lösung, die möglichst viele Arbeitsplätze in Deutschland garantiert, von Betriebsräten und Gewerkschaften favorisiert wird, ist klar. Da aber die Drähte zwischen IG Metall und SPD kurz sind, dürfte sich auch Scholz schwer ein solcher Lösung verwehren. Kommt es so, ist die Eurofighter-produktion samt hunderten Arbeitsplätzen in Manching und Augsburg über 2030 gesichert.
Der Starfighter markiert eine neue Ära