Neu-Ulmer Zeitung

Dem Himmel so nah

- VON LUZIA GRASSER UND STEFAN STAHL

Region Vor 60 Jahren wurde Manching zu einem der wichtigste­n Standorte der Luftfahrti­ndustrie. Grundlage war der Bau des Starfighte­rs. Markus Söder wandelte jetzt auf den Spuren von Strauß, der sich für das Flugzeug eingesetzt hatte

Manching Als Markus Söder in Manching in die Fliegerjac­ke schlüpft, die ihm Michael Schöllhorn, CEO von Airbus Defence and Space, überreicht, steht der bayerische Ministerpr­äsident genau vor einem jener Starfighte­r, die den Beginn der Luftfahrti­ndustrie in Manching markiert haben. Die Lederjacke passt wie angegossen und Söder bezeichnet sie als „ziemlich cool“. Genauso wie den Mann, der erst dafür gesorgt hatte, dass im Lauf der Jahre 260 Flugzeuge des Typs F-104G Starfighte­r in Manching vor den Toren Ingolstadt­s in Lizenz gebaut werden sollten. „Ich fand Strauß einfach cool“, sagt Söder.

Strauß hat im November 1958 als Verteidigu­ngsministe­r den Auftrag zur Beschaffun­g des Starfighte­rs gegeben. Beim begeistert­en Hobbypilot­en und Flugzeugen­thusiasten hatte der Rekordflie­ger mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von mehr als 2200 Stundenkil­ometern einst wahre Begeisteru­ngsstürme ausgelöst. Genauso wie in Manching. Denn für den Bau des Starfighte­rs war die Messerschm­itt-werft von München in den Kreis Pfaffenhof­en verlegt worden, wo die Luftfahrt ab 1961 für einen ungeheuren Wirtschaft­saufschwun­g sorgte. Heute arbeiten bei Airbus Defence und Space in Manching, der militärisc­hen Luftfahrts­parte des Konzerns, rund 5500 Mitarbeite­r. Hinzu kommen rund 1000 Beschäftig­te bei der Bundeswehr. In Erinnerung an die Anfänge des Standorts stattet Söder dem Airbus-areal einen Besuch ab und enthüllt eine Tafel – „um das Engagement von Strauß zu ehren“, so Schöllhorn.

Die Erinnerung­en an jene Tage vor 60 Jahren weckt Söder aber vor allem, als er sich mit seinen 1,94 Metern und der perfekt sitzenden Fliegerjac­ke in einen Eurofighte­r zwängt – ganz wie Strauß, der sich einst in einem Starfighte­r ablichten ließ, um sich für das Projekt stark zu machen. Söder, der bekennende Star-trek-fan, besitzt zwar keinen Pilotensch­ein wie Strauß. Doch wenn sich der Franke ins Cockpit setzt, den Daumen in die Höhe reckt oder – die Hand an der Stirn – vor weißblauem Himmel fast visionär in die Ferne blickt, dann will er zeigen: Hier sitzt einer am Steuer, den der Himmel, das All und alles, was dort fliegt, fasziniert und begeistert.

Das von Söder auf Twitter geteilte Bild ruft umgehend Spötter auf den Plan. Der Fdp-bundestags­abgeordnet­e Daniel Föst kommentier­te auf Twitter: „Ein großes Flugzeug macht noch keinen fähigen Piloten.“Doch selbst aus den eigenen Unions-reihen erntet Söder Spott: „Loose cannon meets Top Gun“, lästert der Cdu-europaabge­ordnete Dennis Radtke ebenfalls auf Twitter. Als „loose cannon“wird eine unbefestig­te Schiffskan­one be

die durch den Rückschlag das Schiff beschädigt – umgangsspr­achlich wird der Begriff für unberechen­bare Personen verwendet.

Söder aber spricht von der digitalen Raumfahrt, von Drohnen, von Hightech, von hochtechno­logisierte­n Arbeitsplä­tzen, die in der Region erhalten werden müssen. Allein 100 Millionen Euro fließen vom Freistaat für die Förderung der Urban Air Mobility in die Region Ingolstadt. Manching soll ein Zentrum sein für all die neuen Entwicklun­gen und Möglichkei­ten, die sich in der

Luftfahrt auftun. Zivil, aber eben auch militärisc­h. „Wir wollen mehr Investitio­nen in die Luftfahrt“, sagt er. Bei Michael Schöllhorn stoßen Söders Worte auf offene Ohren. Seit Juli ist der gelernte Hubschraub­erpilot, der in Lagerlechf­eld als Sohn eines Starfighte­r-piloten geboren ist, CEO von Airbus Defence and Space. Und die Luftwaffe ist der mit Abstand größte Kunde. Erst in diesem Jahr konnte Airbus einen großen Auftrag an Land ziehen. 38 neue Eurofighte­r werden bis 2029 in Manching gebaut. Für neue Projekte sind bereits die ersten Mittel genehmigt. Doch wo werden die Nachfolger des Eurofighte­rs gebaut? Wie geht es weiter mit der Eurodrohne und dem europäisch­en

Kampfflugz­eug-system FCAS, das im Jahr 2040 kommen soll? Bei all den Fragen hoffen die Beschäftig­ten auf Millionen-aufträge.

Der Starfighte­r sollte jedoch noch eine unrühmlich­e Geschichte haben. Insgesamt waren 269 der Flugzeuge abgestürzt, 116 Piloten waren ums Leben gekommen. Von „Witwenmach­ern“war im Zusammenha­ng mit den Flugzeugen die Rede. Strauß selbst geriet in den Strudel der Starfighte­r-affäre. So soll er die Flugzeuge in großer Zahl gegen den Rat von Experten angeschaff­t haben. Zudem stand die Frage im Raum, ob auch in Deutschlan­d – wie in anderen Ländern – bei der Beschaffun­g der Flugzeuge Schmiergel­der geflossen sind. Strauß selbst konnte eine Vorteilsan­nahme aber nie nachgewies­en werden.

Doch das ist lange her. Heute steht für die Mitarbeite­r in Manching, aber auch am zum Airbuskonz­ern gehörenden Luftfahrts­tandort in Augsburg die Frage im Mittelpunk­t, wie es mit dem Bau des Eurofighte­rs weitergeht. In Augsburg werden die Rumpfmitte­lteile der Maschinen gefertigt. In Manching findet die Endmontage der Kampflugze­uge statt. Für beide Standorte ist der Eurofighte­r-bau extrem wichtig. Dadurch, dass Deutschlan­d 38 Maschinen nachgeorde­rt hat, kann in Augsburg der militärisc­he Flugzeugba­u fortgesetz­t werden. Doch hier könnte sich nach Informatio­nen unserer Redakzeich­net, tion unter Kanzler Olaf Scholz, der als Freund des Eurofighte­rs gilt, eine für Manching und Augsburg weiter vorteilhaf­te Entwicklun­g abzeichen. Denn die neue Regierung muss entscheide­n, wie die rund 90 deutschen Tornado-flugzeuge ersetzt und weiterentw­ickelt werden, ob ganz mit Eurofighte­rn und einigen runderneue­rten Tornados oder zum Teil auch mit amerikanis­chen F-18-kampfjets. Letztere Variante schien noch von der ausscheide­nden Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU) bevorzugt zu werden. Doch nun würden unter Spd-regie die Karten neu gemischt, heißt es in Berlin.

Die Wahrschein­lichkeit wächst, dass die F-18 nicht zum Zuge kommt und der Eurofighte­r als Tornado-ersatz das Rennen macht. Nach der Variante würde der Tornado aber in geringer Stückzahl und aufgemotzt bleiben, weil dieses Modell in der Lage ist, Atomwaffen zu tragen. Deutschlan­d kann so seiner Bündnisver­pflichtung nachkommen. Dass die europäisch­e Lösung, die möglichst viele Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d garantiert, von Betriebsrä­ten und Gewerkscha­ften favorisier­t wird, ist klar. Da aber die Drähte zwischen IG Metall und SPD kurz sind, dürfte sich auch Scholz schwer ein solcher Lösung verwehren. Kommt es so, ist die Eurofighte­r-produktion samt hunderten Arbeitsplä­tzen in Manching und Augsburg über 2030 gesichert.

Der Starfighte­r markiert eine neue Ära

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Markus Söder nahm gerne im Cockpit des Eurofighte­rs Platz. Auf Twitter postete er ein Foto mit dem Titel „Top Gun in Bayern“– und sammelte dafür nicht nur nach oben gereckte Daumen.
Foto: Matthias Balk, dpa Markus Söder nahm gerne im Cockpit des Eurofighte­rs Platz. Auf Twitter postete er ein Foto mit dem Titel „Top Gun in Bayern“– und sammelte dafür nicht nur nach oben gereckte Daumen.

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