Neu-Ulmer Zeitung

Wie sinnvoll ist ein Antikörper­test?

- VON MARKUS BÄR

Pandemie Die Gesundheit­sminister sprechen sich für Boosterimp­fung nach sechs Monaten aus. Immer wieder wird in diesem Zusammenha­ng diskutiert, vorher zu schauen, wie gut das Immunsyste­m gegen Coronavire­n gewappnet ist

Augsburg/lindau Angesichts der verschärft­en Corona-lage in vielen Regionen Deutschlan­ds wollen Bund und Länder Auffrischi­mpfungen – sogenannte Boosterimp­fungen – nun für alle Geimpften nach sechs Monaten ermögliche­n. In diesem Zusammenha­ng wird auch immer wieder diskutiert, ob vorher noch der Antikörper­status überprüft werden sollte. „Es macht Sinn, dass jeder einen Antikörper­test macht“, hatte auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) betont. Doch ab wann das genau passieren sollte, wer den Test bezahlt, wo er stattfinde­n wird – das steht alles noch nicht fest. Antworten jedoch auf wichtige Fragen zum derzeitige­n Stand beim Thema Antikörper­test geben wir an dieser Stelle.

Wie funktionie­rt ein Corona-antikörper­test?

„Der Körper bildet nach einem Infekt oder einer Impfung Antikörper, die etwa zwei bis drei Wochen nach dem Kontakt mit dem Antigen nachweisba­r sind“, erläutert Ulrich Koczian, Sprecher der Augsburger Apotheker. Eine Blutprobe wird dabei an ein Labor verschickt. Dort bestimmen Fachkräfte den sogenannte­n Titer. Das heißt vereinfach­t gesagt: Die Antikörper, die bestimmt werden sollen, werden gesichtet und regelrecht gezählt. Dafür ist eine hohe Expertise notwendig.

An wen muss ich mich wenden, wenn ich meine Antikörper bestimmt haben will?

„Im Regelfall wendet man sich an seinen Hausarzt“, sagt Koczian. Der nimmt dann auch Blut ab und schickt es an ein entspreche­ndes Labor. Inzwischen existieren aber auch Angebote von Laboren, die diese Dienstleis­tung sozusagen ohne Hausarzt oder Hausärztin offerieren. Dann muss man zu einer Blutabnahm­estation des Labors fahren – und das Blut geht somit direkt ans Labor.

Was kostet ein solcher Antikörper­test?

„Das kommt darauf an, welche Prüfungen vom Labor durchgefüh­rt werden“, sagt Koczian. Der reine qualitativ­e Antikörper­nachweis kostet zwischen 20 und 25 Euro. Dabei wird sozusagen die reine Menge und Art der Antikörper bestimmt. Davon zu unterschei­den ist aber der wesentlich aussagekrä­ftigere Neutralisa­tionstest. Dabei wird nicht die Menge oder Konzentrat­ion von Antikörper­n gegen Coronavire­n gemessen, sondern inwiefern die vorhandene­n Antikörper das Virus neutralisi­eren, also letztlich unschädlic­h machen. „Der Test weist nach, ob die beim Patienten vorhandene­n Antikörper sich an den sogenannte­n Ace2-rezeptor ihrer Zellen binden, sodass ein Eindringen der Viren über diesen Weg unmöglich wird.“Ein solcher Neutralisa­tionstest kostet 50 bis 60 Euro.

Wann beispielsw­eise Krankenkas­se einen

Wenn man zum Hausarzt oder zur Hausärztin geht und diese eine medizinisc­he Notwendigk­eit feststel

zahlt die Antikörper­test?

len, einen Antikörper­test zu machen. Eine medizinisc­he Notwendigk­eit kann etwa bei einem leichten Covid-verlauf vorliegen. Denn dabei ist in der zweiten Woche nach Eintreten der Covid-symptome ein Erregernac­hweis mit dem PCR-TEST manchmal nicht mehr möglich. Dann wählt man sozusagen den indirekten Weg, indem nicht das Virus selbst, sondern die Antikörper dagegen nachgewies­en werden.

Wie steht es mit den sogenannte­n Selbsttest­s?

„Die Spezifität und Sensitivit­ät dieser Tests ist inzwischen akzeptabel“, sagt Ulrich Koczian. Sie liege zwischen 98 und fast 100 Prozent. Bei den Selbsttest­s kauft der Kunde ein Testkit, entnimmt Blut aus der Fingerbeer­e und trägt das Blut auf eine Trockenblu­tkarte auf. Diese schickt er dann ins Labor, wo die Auswertung stattfinde­t. Von Selbsttest­s aus dem Internet, die ohne Labor durchgefüh­rt werden, ist abzuraten, da diese oft zu unspezifis­ch sind und beispielsw­eise auch auf andere Coronavire­n positiv reagieren. Prinzipiel­l ist die Durchführu­ng des Tests und die anschließe­nde Interpreta­tion des Testergebn­isses durch den Hausarzt oder die Hausärztin der beste Weg, betont der Augsburger Apotheker.

Was kostet ein solcher Selbsttest? Er ist ähnlich teuer wie ein Neutralisa­tionstest. Und liegt bei 50 bis 60 Euro, sagt Koczian.

Häufig taucht die Frage auf, warum der Genesenen-status nur ein halbes Jahr gilt? Warum ist das so? Sind dann in der Regel alle Antikörper verbraucht?

„Es gab einen Zeitpunkt, da hat man mit den seinerzeit vorhandene­n Daten festgelegt, dass Genesene etwa acht Monate einen Schutz durch ihre Antikörper genießen“, erklärt Koczian. Weil sich dieser Wert natürlich von Mensch zu Mensch etwas unterschei­de, habe man zwei Monate „Sicherheit­spuffer“eingeplant. So kam die Zeitspanne von einem halben Jahr zustande. „Inzwischen liegen mehr Daten vor. Es gibt Hinweise, dass man als Genesener wohl eher zwölf Monate Schutz ausweist.“Das müsse die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) aber neu bewerten und dann entspreche­nd entscheide­n.

Warum kann ich nicht einen Antikörper­test machen und bin dann damit, sofern ich über ausreichen­d Antikörper verfüge, „4G“– also entweder geimpft oder getestet oder genesen oder habe eben genügend Antikörper?

Ein solches Antikörper­test-ergebnis gilt bislang nicht, sagt Koczian. Das habe damit zu tun, dass man immer noch nicht genau weiß, ob ein hoher Titer eher als ein niedriger gegen Covid helfe – auch wenn das wahrschein­lich sei. Man wisse aber von Patientinn­en und Patienten mit niedrigem Titer, die gut geschützt seien. Und von Menschen mit hohem Titer, die schwere Corona-verläufe erleiden. Das habe natürlich auch damit zu tun, wie alt der Betreffend­e sei, ob er Vorerkrank­ungen habe, bestimmte Medikament­e nehmen muss. „Wer etwa wegen Rheuma Immunsuppr­essiva verabreich­t bekommt, hat natürlich ein beeinträch­tigtes Immunsyste­m, das ihn in puncto Widerstand­skraft gegen Covid anders aufstellt als bei einem Gesunden.“

Warum hat der eine Mensch lange Zeit Antikörper, der andere nicht? Das ist eine individuel­le Sache, jeder Körper ist einzigarti­g. „Außerdem ist das Immunsyste­m sehr komplex“, sagt Koczian. Es besteht unter anderem aus Immunglobu­linen, die schnell, aber eher unspezifis­ch, also eher ungezielt, auf ein Antigen wie das Coronaviru­s reagieren. Und T-zellen, also Gedächtnis­zellen, die sehr effektiv auf das Virus reagieren – allerdings langsamer. „Und das alles, also das Verhältnis von Immunglobu­linen und B- und T-zellen wie auch die Reaktionsg­eschwindig­keit, ist von Mensch zu Mensch unterschie­dlich.“Darum reagiere auch jeder anders auf den Infekt – oder eben auch auf die Corona-impfung.

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Foto: Daniel Reinhardt, dpa Für einen Antikörper­test reicht es in vielen Fällen, Blut aus der Fingerkupp­e zu gewinnen.

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