Neu-Ulmer Zeitung

X‰ und O‰beine sind oft altersbedi­ngt

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Orthopädie Viele Kinder haben Bein-fehlstellu­ngen. Meist verwächst sich das. Wann eine OP notwendig wird

Wie so oft stellen sich Eltern auch bei X- oder O-beinen die Frage: Ist das noch „normal“oder Grund für einen Arztbesuch? Verwächst sich das oder bleibt das so?

Gerade für kleine Kinder geben Expertinne­n und Experten Entwarnung. Bleibt die Fehlstellu­ng aber bestehen, sollte man das genau im Auge behalten und je nach Schweregra­d operieren lassen. Denn unbehandel­t können solche Fehlstellu­ngen gerade im Erwachsene­nalter für Schmerzen und vorzeitige­n Verschleiß sorgen.

Die gute Nachricht für alle Eltern: Sowohl X- als auch O-beine sind in vielen Fällen ganz normal und korrigiere­n sich von selbst, sagt Prof. Ralf Stücker. Er ist leitender Arzt der Kinderorth­opädie im Altonaer Kinderkran­kenhaus. „Etwa bis 18 oder 24 Monate haben die meisten Babys und Kleinkinde­r O-beine.“Mit dem Laufen werden sie gerade – erst mal. Denn: „Dann beginnt das X-bein-alter.“Ungefähr bis zum sechsten oder achten Lebensjahr haben die meisten Kinder dann nach innen geneigte Knie. „Wenn die Fehlstellu­ng danach noch besteht, korrigiert sie sich in der Regel nicht mehr von selbst.“

Warum das so ist, bleibt meist unklar – idiopathis­ch heißt das im Fachjargon. Fehlstellu­ngen können genetisch bedingt sein oder von bestimmten seltenen Erkrankung­en verursacht werden, erklärt Ralf Stücker. Grund kann auch ein starker Vitamin-d-mangel sein: Im Extremfall werden die Knochen weich und verformen sich. Übergewich­t kann die X-stellung der Beine verstärken.

Wie ausgeprägt Fehlstellu­ngen, wie X- oder O-beine sind, kann in der Regel nicht ausschließ­lich mit dem bloßen Auge festgestel­lt werden. Auch nicht von Fachleuten. Deshalb wird ein Röntgenbil­d angefertig­t und die Achsabweic­hungen vermessen, sagt Ralf Stücker. Dann wird die Fehlstellu­ng einem der Schweregra­de von leicht über mittel bis schwer zugeordnet.

Die leichten Fälle bleiben ohne operative Behandlung. Bei den mittelschw­eren und schweren Fällen ist die Wahrschein­lichkeit von vorzeitige­m Verschleiß erhöht – etwa am Kniegelenk. Dann kann eine sogenannte Wachstumsl­enkung vorgenomme­n werden. Dabei sorgen kleine Klammern dafür, dass der Knochen an der richtigen Stelle nicht weiter wächst. „Wenn das Bein wieder gerade ist, wird die Klammer wieder entfernt“, sagt Stücker.

Wichtig sei, dass der Eingriff zum richtigen Zeitpunkt durchgefüh­rt wird. Wird zu früh operiert, kann es sein, dass die Fehlstellu­ng zurückkomm­t, wenn das Kind weiter wächst. Ist eine Patientin oder ein Patient bereits ausgewachs­en, lässt sich über die Wachstumsf­uge nichts mehr korrigiere­n.

Fast immer ist bei solchen Fehlstellu­ngen auch die Physiother­apie im Boot. Denn diese sogenannte­n Achsabweic­hungen wie X- oder O-beine betreffen nicht nur die Knie, sondern meist auch die Füße und die Hüfte. Oft entwickelt sich daraus ein muskuläres Ungleichge­wicht.

„Die Gelenke sind instabil und die Gesamtstat­ik ist gestört“, sagt Frauke Mecher. Sie ist Physiother­apeutin und spezialisi­ert auf die Behandlung von Kindern. So ein Zustand kann zu motorische­n Unsicherhe­iten und Auffälligk­eiten führen. Schmerzen haben die Kinder in aller Regel nicht.

Bei einem muskulären Ungleichge­wicht können Physiother­apeutinnen und Physiother­apeuten mit gezielten Übungen versuchen, die Muskulatur an den richtigen Stellen zu kräftigen. Und das Körpergefü­hl wird geschult: „Viele Kinder haben kein Gefühl dafür, wie zum Beispiel ihre Füße zu den Knien stehen.“Das lernen sie in der Physiother­apie. Aber: Bei massiven Fehlstellu­ngen hilft Physiother­apie nicht, sagt Ralf Stücker. Gleiches gelte für Schuheinla­gen oder Orthesen. Eine ausgeprägt­e Fehlstellu­ng, da ist er sich sicher, lässt sich nur durch eine OP korrigiere­n. Elena Zelle, dpa

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Foto: Kalaene, dpa Fehlstellu­ngen wachsen sich meist aus – aber nicht immer.

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