Leitstelle Krumbach braucht mehr Personal
Engpässe Die Arbeit für die Leitstelle, die sich um die Alarmierung von Rettungsdienst, Feuerwehr und Katastrophenschutzkräften kümmert, nimmt stetig zu. Sie kommt an Grenzen
Krumbach Die Intensivbetten in den Kliniken werden knapp. Das liegt bei Weitem nicht nur an den steigenden Corona-zahlen. Es liegt auch am Personalmangel im Pflegebereich, sodass einige eigentlich vorhandene Betten gar nicht erst benutzt werden können. Das stellt auch die Integrierte Leitstelle (ILS) Donau-iller in Krumbach zunehmend vor Probleme – und die öfter auftretende Frage: Wo können noch Patientinnen und Patienten aufgenommen werden? Nicht Sinn der Sache und so nicht vorgesehen ist, dass Notärzte direkt zu einer Klinik fahren, die sich für die Notfallversorgung eigentlich abgemeldet hat. Aber auch das kommt in diesen Tagen öfter vor, ist beim kleinen Jubiläum der Leitstelle zu hören gewesen. Es ist bei Weitem nicht die einzige Schwierigkeit.
Doch zunächst zum „Geburtstag“, der aufgrund der Pandemie nur im ganz kleinen Kreis begangen wurde, während ansonsten die Arbeit mit dem Disponieren der Rettungskräfte natürlich weitergehen musste. Die Leitstelle in Krumbach gibt es bereits seit 1976, zunächst aber nur zuständig für den Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Zwischenzeitlich liefen hier auch die Anrufe für den Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst auf. Diese Aufgabe wurde aber wieder abgegeben. Zum 8. November 2011 wurde die Rettungs- dann zur Integrierten Leitstelle, die sich auch um die Alarmierung der Feuerwehren in ihrem Bereich kümmert.
Mehrfach ist die Leitstelle in diesen 45 Jahren innerhalb der Stadt umgezogen. Zuständig ist sie für 491.000 Einwohner in den Landkreisen Günzburg, Neu-ulm, Unterallgäu und der kreisfreien Stadt Memmingen. Nachdem bereits digital gefunkt wird, soll künftig auch digital alarmiert werden. Das ist eines der Projekte, mit denen man sich hier gerade beschäftigt. Im Rettungsdienstbereich wurden von 2011 bis Oktober dieses Jahres durch die Fahrzeuge des öffentlichrechtlichen Rettungsdienstes insgesamt rund 660.000 Einsätze bewältigt. In der ILS wurden seit der Inbetriebnahme knapp 1,43 Millionen Anrufe und Hilfeersuchen bearbeitet. Das waren circa 632.000 Notrufe über die Notrufnummer 112, gut 287.000 Anrufe über die Nummer 19222 und etwa 510.000 über sonstige Rufnummern, erklärte Leitstellen-chef Reiner Wolf.
Betrieben wird die Einrichtung vom Bayerischen Roten Kreuz. Vor der vom Staat vorangetriebenen Organisationsreform, die zu den Integrierten Leitstellen führte, sei das BRK für alle Rettungsleitstellen im Freistaat verantwortlich gewesen. Heute kümmere man sich noch um acht, sagte Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk. Er würdigte die Arbeit von Reiner Wolf und seinem Team, der sich auch für eine angemessene Bezahlung der Disponenten eingesetzt habe und zurecht dafür plädiere, dass diese Tätigkeit zu einem anerkannten Ausbildungsberuf werden müsse. Die Kolleginnen und Kollegen „draußen“sagten längst nicht mehr, dass die Mitarbeiter in den Leitstellen einen lauen Job im Warmen hätten. Was hier geleistet werde, sei inzwischen anerkannt. Die Belastung habe stetig zugenommen.
Es könne jedenfalls nicht sein, dass man zuerst die dreijährige Aus
zum Notfallsanitäter durchlaufe und sich dann für die Arbeit in der Leitstelle weiterqualifizieren müsse. Es sei ein Unding, Leute dem Rettungsdienst entziehen zu müssen, die draußen arbeiten wollten und so diesen Bereich „zu kannibalisieren“.
Dem schloss sich der Geschäftsführer des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Donau-iller, Jan Terboven, an. Er sagte auch, dass dieser Leitstellenbereich derjenige mit den meisten Autobahnkilometern in Bayern sei, das aber vom Freistaat genauso wenig bei der Bedarfsplanung der Rettungsmittel berücksichtigt würde wie der ebenfalls im Zuständigkeitsgebiet liegende Flughafen Memmingen. Durch die vergleichsweise guten Zeiten, bis Hilfe beim Patienten eintrifft, werde nicht die Notwendigkeit gesehen, vorzusorgen. Doch schon bei den größeren Unfällen auf den Autobahnen zeige sich, dass man an Grenzen komme.
Ein weiteres „Unding“aus Stärks und Terbovens Sicht: Der weit überwiegende Teil der Einsätze falle in den Bereich des Rettungsdienstes. Dafür zahlten die Kassen. Doch die stellten sich auf den Standpunkt, dass die Verteilung mit Blick auf die Feuerwehren 50 zu 50 sei. „Wir zahlen dadurch drauf, das kann aber keine gemeinnützige Organisation tun.“
Er erwarte, dass die Kassen endlich eine angemessene Lösung zur Leitstellen-finanzierung fänden – und auch die kommunalen Spitzenverbände sich bewegten. Terboven bezeichnete diese Situation als „absurd“. Das sei sie auch bei einem anderen Thema: Da in Baden-württemberg noch immer analog gefunkt werde, sei es sehr schwierig, im Grenzbereich den Kontakt zu den dortigen Einsatzkräften zu haben. Im Übrigen, sagte Stärk, sei das bei Österreich auch so. Und Terboven weiter: Es sei nach wie vor nicht bundeseinheitlich geregelt, was Notfallsanitäter dürfen. Angesichts der ohnehin knappen Zahl an Notärzten sprach er sich dafür aus, sie für schwere Fälle einzusetzen, um alle anderen müsse sich das Retbildung tungsdienstpersonal kümmern dürfen.
Notrufe kommen inzwischen längst nicht mehr nur per Telefon bei der Leitstelle an. Es gibt auch andere Möglichkeiten, beispielsweise die App „Nora“oder das Notrufsystem in Autos. Zudem habe man gute Erfahrungen damit gemacht, Ersthelfer telefonisch bei Reanimationen anzuleiten. Um neue Aufgaben und das gestiegene Notrufaufkommen weiter bewältigen zu können, das unter anderem durch die gesunkene Hemmschwelle erklärt wird, für alle möglichen Lebenslagen die 112 zu wählen, braucht es mehr Personal.
Die Finanzierung vorausgesetzt, könnten 16 neue Stellen geschaffen werden. Derzeit werde untersucht, erklärte Günzburgs Landrat und Zweckverbandsvorsitzender Hans Reichhart, ob die jetzigen Räume genug Platz bieten oder es neue braucht. Am Standort Krumbach wolle er aber festhalten. Geprüft werde übrigens auch, inwieweit Homeoffice für eine Leitstelle möglich ist.