Neu-Ulmer Zeitung

Nicht einmal Müller beliebt zu scherzen

- VON JOHANNES GRAF

Fußball Aus dem anfangs bedeutungs­losen Aufeinande­rtreffen mit Liechtenst­ein ist für die deutsche Nationalma­nnschaft ein Politikum geworden. Wie der Bayern-profi und Bundestrai­ner Flick über den Corona-fall und dessen Folgen denken

Wolfsburg Die Vorlage hatte Oliver Bierhoff am Dienstag geliefert. Der Direktor des Deutschen-fußballbun­ds (DFB) war überzeugt, Thomas Müller würde noch einen Spruch raushauen, um die ernste Lage in der Nationalma­nnschaft weit weniger ernst wirken zu lassen. Müller steht schließlic­h dafür, nicht nur Ball und Tor in Zusammenha­ng bringen zu können, ebenso zeichnen ihn Wortwitz und Redegewand­theit aus. Mit seinen 32 Jahren bringt er zudem Erfahrung mit, wie Worte eines Nationalsp­ielers in der Öffentlich­keit wirken.

Diesmal jedoch war Müller nicht gewillt, den Hofnarr zu geben. Als er auf dem Podium Platz nahm, um sich den Fragen der Medienvert­reter zu stellen, tat er dies im Bewusstsei­n, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für Scherze war. Aus dem anfangs bedeutungs­losen Wm-qualifikat­ionsspiel gegen Liechtenst­ein ist im Vorfeld ein Ereignis nationaler Tragweite geworden (Donnerstag, 20.45 UHR/RTL).

Weder das Sportliche noch der Abschied des ehemaligen Bundestrai­ners Joachim Löw werden es schaffen, den Corona-fall von Niklas Süle aus dem Fokus zu rücken. Weil dieses Thema alle angeht. Weil letztlich darüber diskutiert wird, wie in den kommenden Wochen mit Ungeimpfte­n verfahren wird. Im Beruf, aber auch im Privaten.

Am Montagaben­d war ein PCRTEST Süles auf Covid-19 positiv, obwohl der Spieler doppelt geimpft ist. Gemeinhin wird dies als „Impfdurchb­ruch“bezeichnet. Folgen hatte das nicht nur für den Bayernvert­eidiger selbst, ebenso mussten die Vereinskol­legen Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Jamal Musiala sowie der Salzburger Karim Adejemi abreisen. Zu den Gründen der Abreise äußerten sich auf Pressekonf­erenzen weder Oliver Bierhoff noch Dfb-teamarzt Tim Meyer, Bundestrai­ner Hansi Flick oder Thomas Müller. Letzterer verwies auf das gängige Prozedere: „Wir sind damit umgegangen, wie es in den Regeln steht“, sagte der Offensivsp­ieler. „Dementspre­chend mussten die Spieler, die abgereist sind, abreisen. Das ist der aktuelle Status quo.“

Auch wenn es kein Dfb-verantwort­licher bestätigen wollte: Die Spieler mussten das Mannschaft­squartier in Wolfsburg verlassen, weil sie ungeimpft sind. Das Robert-koch-institut (RKI) empfiehlt, dass enge Kontaktper­sonen nicht mehr in Quarantäne müssen – wenn sie geimpft sind. Ungeimpfte hingegen schon. Flick bemühte sich am Mittwoch um Diplomatie und Beiläufigk­eit. Auch wenn es unmöglich schien, so versuchte er das Thema kleinzuhal­ten. „Dass es bei uns bei der Nationalma­nnschaft passiert, war ja fast vorauszuse­hen.“Im letzten Heimspiel des Jahres hätte er wohl lieber ausführlic­h von sportliche­n Fortschrit­ten, seiner Zeit mit

Löw und dem erstmalige­n Einsatz einer Schiedsric­hterin in einem Länderspie­l erzählt. Doch dafür blieb kaum Redezeit. Stattdesse­n der Fall Süle und seine Folgen. Mehrmals erklärte der 56-Jährige, dass er alles dazu gesagt habe. Ehe er ein weiteres Mal dazu Auskunft erteilen sollte. Immerhin ließ sich Flick entlocken, dass der Profifußba­ll wohl nur dann gut durch den Winter käme, wenn sich Spieler, Trainer, Betreuer und Funktionär­e immunisier­en ließen. „Für mich ist der einzige Weg aus der Pandemie, dass man sich impfen lässt, gerade im Profifußba­ll. Das ist meine Überzeugun­g.“Zugleich verwies er darauf, dass es keine Impflicht gebe. Jeder habe die Verantwort­ung für sich und das

Recht, das zu verweigern. „Man darf die Leute, die sich nicht impfen lassen, weil sie Sorge haben, nicht verurteile­n.“

Und schon war Flick wieder beim großen Ganzen gelandet. Diskutiert wird öffentlich nicht mehr nur, wer mit welchem G-status ein Kino oder ein Restaurant besuchen kann, ebenso werden sich Flick und Trainerkol­legen fragen müssen, wie sie künftig mit ungeimpfte­n Spielern am Arbeitspla­tz umgehen werden. Jederzeit müssen sie schließlic­h damit rechnen, dass etliche Spieler sich in Quarantäne begeben müssen.

Flick kann es sich leisten abzuwarten. Nach der Partie in Armenien (Sonntag, 18 UHR/RTL) ist das Länderspie­ljahr vorbei. Der Frage, ob er demnächst nur noch genesene und geimpfte Spieler (2G) einlädt, weicht er aus. Er sagt nur: „Ich mache mir nach dem Lehrgang Gedanken.“

Zwischen den Zeilen deutet er aber an, dass er Kimmich und Co. ins Gewissen reden werde. „Dass es solche Themen, dass wir fünf Spieler aufgrund von Corona nach Hause schicken müssen, nicht mehr gibt, das würde ich mir als Trainer wünschen.“

 ?? Foto: Swen Pförtner, dpa ?? Sonst die gute Laune in Person, diesmal eher ernst unterwegs: Thomas Müller (rechts) und die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft (links Florian Neuhaus) müssen sich mit dem positiven Corona‰fall von Niklas Süle und dessen Folgen auseinande­rsetzen.
Foto: Swen Pförtner, dpa Sonst die gute Laune in Person, diesmal eher ernst unterwegs: Thomas Müller (rechts) und die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft (links Florian Neuhaus) müssen sich mit dem positiven Corona‰fall von Niklas Süle und dessen Folgen auseinande­rsetzen.

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