Neu-Ulmer Zeitung

Wo steht die neue CDU?

- VON RUDI WAIS

Leitartike­l Mitten im Mainstream oder ein paar Meter rechts von der Mitte: Die Entscheidu­ng über den neuen Parteichef ist auch eine Richtungse­ntscheidun­g

Angela Merkel fackelte nicht lange. Ihr Herausford­erer Peer Steinbrück hatte sich im Wahlkampf 2013 noch gar nicht richtig warmgelauf­en, da war er sein erstes populäres Thema auch schon wieder los. Die Forderung der SPD nach einer Begrenzung der Mieten fand sich plötzlich auch im Programm der Union wieder, deren Spitzenkan­didatin sogar ganz ungeniert zugab, von den Sozialdemo­kraten abgekupfer­t zu haben: „Ja, es war eine SPD-IDEE.“

Volten wie diese gab es in den 16 Jahren mit ihr als Kanzlerin etliche. Unter Angela Merkel hat die CDU ihre politische­n Konturen bis zur Unkenntlic­hkeit abgeschlif­fen und sich von vielem verabschie­det, das ihr lange Zeit heilig war – der Kernkraft, der Hauptschul­e, der Wehrpflich­t, dem strikten Nein zur Homo-ehe. Mindestens

so wichtig wie die Frage, wer die Partei in Zukunft führt, ist deshalb die Frage, welche Partei er (oder sie) führt. Eine CDU, die der SPD mit den Jahren immer ähnlicher geworden ist? Eine CDU, die das Konservati­ve wieder stärker betont? Oder eine, die im Mainstream mitschwimm­t, um nur ja keine Angriffsfl­äche zu bieten?

Friedrich Merz ist unter den potenziell­en Kandidaten für die Laschet-nachfolge der Mann mit dem klarsten Profil: in ökonomisch­en Fragen liberal, in gesellscha­ftlichen Fragen konservati­v und im Auftritt um einiges schneidige­r als die gegenwärti­gen Parteiober­en. Bei Helge Braun und Norbert Röttgen dagegen liegt noch vieles im Unklaren: Der eine, darf man annehmen, sieht sich als eine Art Nachlassve­rwalter von Angela Merkel, der andere inszeniert sich als Modernisie­rer, ohne jedoch zu sagen, wie diese Modernisie­rung denn im Konkreten aussehen soll. Gilt Röttgens schwarz-grüne Liberalitä­t zum Beispiel nur für das innerparte­iliche Miteinande­r oder auch für brisante Themen wie die Migration, die europäisch­e Schuldenpo­litik oder das Gendern? Als Regierungs­partei konnte die CDU sich in heiklen Fragen mit Koalitions­zwängen oder der pragmatisc­hen Vernunft herausrede­n, die eine Kanzlerin oder einen Kanzler eben leiten müsse. Als Opposition­spartei aber wird sie Farbe bekennen und sich als Alternativ­e zur Ampel profiliere­n müssen: klar in den Botschafte­n,

vernehmbar im Ton und mit einem Vorsitzend­en an der Spitze, der auch Kanzler kann – notfalls über Nacht, falls die amtierende Koalition nicht bis zum Ende der Legislatur­periode durchhält.

Die Personalen­tscheidung, die die CDU jetzt trifft, ist mehr denn je eine Richtungse­ntscheidun­g. In ihrem Innersten ist die CDU ja nach wie vor eine konservati­ve Partei – und das wird sie in der Opposition auch wieder deutlicher herausarbe­iten müssen. In der gegenwärti­gen Debatte über die Laschet-nachfolge allerdings spielt dieser Aspekt allenfalls am Rande eine Rolle, sie dreht sich im Kern ja nur um eine Frage: Schafft es Merz nach zwei vergeblich­en Anläufen doch noch – oder gelingt es seinen Gegnern, eine Allianz gegen den früheren Fraktionsv­orsitzende­n zu schmieden? Damit aber lügt sich die CDU nur selbst in die Tasche. Sie muss wissen, was sie will, und nicht nur, wen sie will.

In einem Parteiensy­stem, in dem die Unterschie­de zwischen den Parteien immer weiter verwischen, ist noch viel Platz für eine liberalkon­servative Kraft ein paar Meter rechts von der Mitte. Für eine Partei, die das Erwirtscha­ften vor das Verteilen setzt und die Migration begrenzen will, anstatt sie zu forcieren. Für eine Partei, die innere Sicherheit nicht als lästige Pflichtauf­gabe betrachtet, sondern als konstituti­v für einen Staat. Eine Partei auch, die nicht jeder Mode folgt, die aber aufgeschlo­ssen ist für jede Innovation. Für eine Partei also, wie sie die CDU einmal war.

Friedrich Merz

hat das klarste Profil

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Zeichnung: Heiko Sakurai Muttis idealer Nachfolger
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