Neu-Ulmer Zeitung

Die Einnahmen wachsen, aber nicht in den Himmel

- VON BERNHARD JUNGINGER

Steuerschä­tzung Der Noch-finanzmini­ster hat gute Nachrichte­n für den nächsten Kanzler – also vermutlich sich selbst. Die angestrebt­e Ampel-koalition darf auf größere Spielräume hoffen. Alle Wünsche werden dennoch nicht erfüllbar sein

Berlin Der geschäftsf­ührende Finanzmini­ster Olaf Scholz hatte ziemlich gute Nachrichte­n für den mutmaßlich nächsten Bundeskanz­ler Olaf Scholz. Sollte sich seine SPD mit Grünen und FDP wie erwartet auf eine gemeinsame Regierung einigen, kann diese deutlich mehr Geld ausgeben als bislang gedacht. Mehr als 14 Milliarden Euro, so das Ergebnis der am Donnerstag in Berlin vorgestell­ten Steuerschä­tzung, stehen dem Bund jährlich bis 2025 zusätzlich zur Verfügung. Scholz: „Die nächste Bundesregi­erung kann auf einer soliden Haushalts- und Finanzpoli­tik aufbauen.“Insgesamt rechnen die Steuerschä­tzer damit, dass in den kommenden vier Jahren knapp 180 Milliarden Euro mehr in den Kassen von Bund, Ländern und Kommunen landen als noch im Mai prognostiz­iert. „Wir können vernünftig arbeiten und haben Handlungss­pielräume“, sagte Scholz. Alle Wünsche der drei Ampel-parteien wird er aber trotzdem nicht erfüllen können. „Klar ist auch, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen“, sagte der 63-Jährige. Denn die

Kosten aller Vorhaben in den eben erst vorgelegte­n Zwischener­gebnissen der Verhandlun­gen summieren sich auf mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Wird Scholz also wirklich Kanzler, muss er Prioritäte­n setzen. Oder vielmehr: Nur wenn es ihm gelingt, die richtigen Prioritäte­n zu setzen, werden auch Grüne und FDP den SPD-MANN zum Kanzler wählen. Wer erwartet hatte, dass Scholz sich über diese Prioritäte­n äußern würde, wurde enttäuscht. „Ich bin sehr froh, dass die drei Parteien vereinbart haben, vertraulic­h zu verhandeln. Dabei wollen wir bleiben“, sagte er. In mehreren Halbsätzen lässt Scholz aber erkennen, dass die zusätzlich­en Spielräume zumindest teilweise auch für den Klimaschut­z genutzt werden sollen. Auf diesem Feld habe Deutschlan­d noch „verdammt viel zu tun“, so Scholz. Für die Grünen ist ein entschloss­ener Kampf gegen die Erderwärmu­ng die zentrale Bedingung für eine Regierungs­beteiligun­g. Gleichzeit­ig bekannte sich der designiert­e Kanzler auch zu einer „Erleichter­ung von Investitio­nen der Privatwirt­schaft“, etwa im Bereich des Umbaus der Industrie und der Erzeugung von Ökostrom. Dies fordert die FDP. Mit den erwarteten Zusatzeinn­ahmen kann er der Ökopartei und den Liberalen nun leichter entgegenko­mmen.

Scholz bekräftigt­e, was schon in der Sondierung­sphase auf Drängen der FDP vereinbart wurde: Die Schuldenbr­emse soll angezogen bleiben, Steuererhö­hungen sollen ausbleiben. Zwar zeichnete der Hamburger in seinem voraussich­tlich letzten Auftritt als Finanzmini­ster

vor der Bundespres­sekonferen­z ein positives Bild der Haushaltsl­age. „Deutschlan­d ist finanziell gut gewappnet.“Doch die Staatsfina­nzen waren zuletzt empfindlic­h unter Druck geraten. In der Pandemie lahmte die Wirtschaft und die Bürger hielten sich beim Konsum zurück, während der Staat das Land mit Abermillia­rden auf Kredit vor einer großen Depression bewahren musste. Erst ab dem neuen Jahr rechnen die Experten mit einem kräftigen Aufschwung.

Für die neue Regierung käme der genau zur rechten Zeit, ansonsten stünde sie vor gewaltigen Finanzieru­ngslücken. Denn mittelfris­tig müssen auch die während der Krise aufgenomme­nen Milliarden­schulden für die Corona-hilfspaket­e getilgt werden. Scholz kündigte an, die Staatsvers­chuldung in den kommenden Jahren sogar zurückzufa­hren. Dass er als Noch-finanzmini­ster schon über seine Haushaltsp­läne als wahrschein­licher Bundeskanz­ler spricht, ist für Scholz kein Widerspruc­h. „Dass sich Bundesmini­ster der Finanzen Gedanken über die Zukunft machen, gehört zum Job“, sagte er.

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