Neu-Ulmer Zeitung

Warme Worte, wenig Geld

- VON SUSANNE EBNER

Umwelt Die Klimakonfe­renz in Glasgow geht in die heiße Phase. Zum Schutz des Waldes und zum Ausstieg aus der Kohle gibt es erste Einigungen. Anders sieht es bei der finanziell­en Unterstütz­ung für die ärmeren Länder aus

London/glasgow Wenn man mit Delegierte­n dieser 26. Weltklimak­onferenz spricht, sieht man ihnen die vielen Stunden der Beratungen an. Sie sehen müde aus, mancher sogar zerzaust. Das ist kein Wunder: Die zweite Woche ist der Arbeit am Text gewidmet, den Details, den harten Verhandlun­gen – oft bis spät in die Nacht. Jeder weiß, dass die Zeit drängt. Schließlic­h ist heute der letzte Tag der COP26 in Glasgow, zumindest offiziell.

Einiges wurde bereits erreicht. Immerhin 40 Staaten stimmten einem verbindlic­hen Kohleausst­ieg zu. Darüber hinaus einigte man sich darauf, dass bis 2030 die Abholzung der Wälder gestoppt werden soll. Mehr als 100 Länder versprache­n weniger Methan-emissionen. Der indische Präsident Narendra Modi kündigte an, sein Land wolle bis 2070 klimaneutr­al sein, und stahl damit den Chinesen erst einmal die

Show. Doch vieles andere steht weiter zur Diskussion.

Besonders anspruchsv­oll gestalten sich die Verhandlun­gen zum „Artikel 6“. Hier geht es darum, wie der weltweite Handel mit Emissionen geregelt wird. Experten wie Niklas Höhne, Wissenscha­ftler am Kölner New Climate Institute, betonen: Wenn man das 1,5-Grad-ziel der Erderwärmu­ng gegenüber der vorindustr­iellen Zeit noch erreichen will, muss man sich hier in Glasgow einigen. Jennifer Tollmann von E3G, einem Thinktank im Bereich Klimaschut­z, bezweifelt, dass dies gelingen wird. „Die Vorstellun­gen, wie der Artikel aus Sicht der Länder im Einzelnen aussehen soll, werden zwar immer klarer, aber sie liegen auch weit auseinande­r“, sagte sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Als positives Signal für die Schlussver­handlungen werten viele Experten die gemeinsame Erklärung der Vereinigte­n Staaten von Amerika und Chinas von Donnerstag­nacht. Dass sie so überrasche­nd kam, spreche für dynamische Gespräche. Beide Länder verpflicht­en sich, gemeinsam engagierte­re Klimaschut­z-maßnahmen zu ergreifen, um das 1,5-Grad-ziel doch noch zu erreichen. Aktuell steuert die Welt laut Experten auf eine Erwärmung um 2,4 bis zu 2,7 Grad bis zum Ende dieses Jahrhunder­ts zu.

Die Reaktionen auf diesen Beschluss fielen jedoch sehr unterschie­dlich aus. Während Jochen

Flasbarth, Staatssekr­etär im deutschen Umweltmini­sterium, den Willen beider Länder zu einer Allianz lobte, beklagten andere, dass die Erklärung eigentlich nichts Neues beinhalte. „So sehr ich es begrüße, dass das ‚Blame Game‘ zwischen China und den USA ein Ende hat. Es reicht nicht, wenn die Erklärung nur dafür steht, dass man sich nicht mehr streitet“, sagt Tollmann.

Auch was die Finanzieru­ng der Folgen des Klimawande­ls angeht, blieb die COP26 bislang hinter den Erwartunge­n vieler Experten zurück. Dabei zeigen sich Beobachter vor allem von Europa enttäuscht. „Viele fragen sich, ob es die EU ernst meint. Wieso ist sie nicht da, um die Debatte anzutreibe­n – insbesonde­re wenn es darum geht, besonders von Klimawande­l betroffene Länder zu unterstütz­en?“, sagte Bernice Lee von Chatham House, einem Thinktank im Bereich Internatio­nale Beziehunge­n. Denn mit Geld könne man ein wichtiges Signal setzen und den Druck auf andere Länder erhöhen.

„Die im Vorfeld gemachten Versprechu­ngen der EU passen nicht zu den tatsächlic­hen Zugeständn­issen“, sagte Tollmann und erklärte dies anhand eines Beispiels: Laut Schätzunge­n der UN bräuchten Entwicklun­gsländer jetzt schon 70

Milliarden Euro jährlich, um sich an die Folgen des Klimawande­ls anzupassen. Wenn man alle Zusagen der COP26 zusammenne­hme, komme man aktuell insgesamt jedoch nur auf knapp eine Milliarde Euro mehr, ausgehend von aktuell 20 Milliarden jährlich. „Die Finanzieru­ngslücke zwischen 20 und 70 Milliarden ist also noch lange nicht geschlosse­n.“

Doch wer schon einmal bei einer Klimakonfe­renz war, der weiß: Es kann noch viel passieren. Richie Merzian von der Forschungs­einrichtun­g „The Australia Institute“hofft, dass der Druck auf die Staaten in den letzten Stunden wächst, auch weil die Verhandlun­gen dann teils öffentlich geführt werden. Angesichts der vielen offenen Punkte erwarten Beobachter, dass die COP26 noch mindestens bis Samstag weitergehe­n wird. Für routiniert­e Besucher ist das jedoch keine Überraschu­ng. Denn schließlic­h wurde bislang bei jeder Klimakonfe­renz überzogen.

Warum treibt die EU nicht mehr an?

 ?? Foto: Christoph Soeder, dpa ?? Ein beleuchtet­er Globus als Mahnung: Bei der Klimakonfe­renz in Glasgow hat der Endspurt begonnen. Es gibt erste Ergebnisse und erste Enttäuschu­ngen.
Foto: Christoph Soeder, dpa Ein beleuchtet­er Globus als Mahnung: Bei der Klimakonfe­renz in Glasgow hat der Endspurt begonnen. Es gibt erste Ergebnisse und erste Enttäuschu­ngen.

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