Neu-Ulmer Zeitung

Späte Genugtuung für Siemens

- VON STEFAN STAHL

Dass sich ausgerechn­et der Usriese General Electric Siemens zum Vorbild nimmt, wirkt wie ein Treppenwit­z der Wirtschaft­sgeschicht­e. Denn lange war es umgekehrt. Auf manchen Hauptversa­mmlungen rieten Investoren früheren Chefs des Münchner Konzerns, wie Heinrich von Pierer, am forschen Kapitalism­us des Us-unternehme­ns Maß zu nehmen. In der neoliberal­en Hauruck-ära wurde General-electric-chef Jack Welch mit seiner radikalen Politik des Reparieren­s, Verkaufens und

Schließens von Firmenteil­en leichtfert­ig zu einem Management­halbgott stilisiert. Die Siemensleu­te schielten mit einer Mischung aus Neid und Abscheu zu dem Usguru. Sein Name war wie ein Stachel in ihrem Fleisch. Als das unter den Nachfolger­n von Welch mehr und mehr erstarrt wirkende Konglomera­t General Electric in eine tiefe Krise geriet, blickte das Siemens-management wiederum mit gemischten Gefühlen Richtung USA: Dieses Mal bestand der Emotions-cocktail aus Schadenfre­ude, aber zum Glück auch aus Angst.

Verantwort­lichen wie Joe Kaeser war rasch klar, dass schnell gehandelt werden muss, damit das Konglomera­t Siemens nicht das Schicksal des amerikanis­chen Rivalen erleidet. Der Deutsche hat den einst behäbigen Konzern konsequent in agilere Einheiten aufgeteilt. Das zahlt sich für die auf Digitalisi­erung und Automatisi­erung setzende Siemens AG aus. Der Konzern hat sich, wie die Medizintec­hniksparte, während der Coronakris­e als enorm robust erwiesen.

Doch die neue Siemens-welt ist keine heile Welt. Im an die Börse geschickte­n Energieber­eich rumpelt es laut. Nur wenn er in Ordnung gebracht wird, ist Siemens wirklich ein Vorbild für General Electric.

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