Späte Genugtuung für Siemens
Dass sich ausgerechnet der Usriese General Electric Siemens zum Vorbild nimmt, wirkt wie ein Treppenwitz der Wirtschaftsgeschichte. Denn lange war es umgekehrt. Auf manchen Hauptversammlungen rieten Investoren früheren Chefs des Münchner Konzerns, wie Heinrich von Pierer, am forschen Kapitalismus des Us-unternehmens Maß zu nehmen. In der neoliberalen Hauruck-ära wurde General-electric-chef Jack Welch mit seiner radikalen Politik des Reparierens, Verkaufens und
Schließens von Firmenteilen leichtfertig zu einem Managementhalbgott stilisiert. Die Siemensleute schielten mit einer Mischung aus Neid und Abscheu zu dem Usguru. Sein Name war wie ein Stachel in ihrem Fleisch. Als das unter den Nachfolgern von Welch mehr und mehr erstarrt wirkende Konglomerat General Electric in eine tiefe Krise geriet, blickte das Siemens-management wiederum mit gemischten Gefühlen Richtung USA: Dieses Mal bestand der Emotions-cocktail aus Schadenfreude, aber zum Glück auch aus Angst.
Verantwortlichen wie Joe Kaeser war rasch klar, dass schnell gehandelt werden muss, damit das Konglomerat Siemens nicht das Schicksal des amerikanischen Rivalen erleidet. Der Deutsche hat den einst behäbigen Konzern konsequent in agilere Einheiten aufgeteilt. Das zahlt sich für die auf Digitalisierung und Automatisierung setzende Siemens AG aus. Der Konzern hat sich, wie die Medizintechniksparte, während der Coronakrise als enorm robust erwiesen.
Doch die neue Siemens-welt ist keine heile Welt. Im an die Börse geschickten Energiebereich rumpelt es laut. Nur wenn er in Ordnung gebracht wird, ist Siemens wirklich ein Vorbild für General Electric.