Neu-Ulmer Zeitung

Den Fußball bitte nicht überhöhen

- VON JOHANNES GRAF

Auf der Suche nach Optimierun­g kam Bundestrai­ner Hansi

Flick auf die pfiffige Idee, das Bewusstsei­n seiner Spieler zu schärfen. Unter dem eingängige­n Titel „Nationalsp­ieler 365“will er Mitglieder­n seines Kaders vermitteln, dass sich ihre Tätigkeit nicht auf die Zeit begrenzt, in der sie ein Dfb-trikot tragen, sondern dass sie rund um die Uhr, also jeden Tag des Jahres, den Status eines deutschen Auswahlspi­elers haben. Zu den Anforderun­gen zählt nicht nur Sportliche­s wie die tagtäglich­e Bereitscha­ft, die beste Leistung abzurufen. Verankert ist ebenso das Verhalten neben dem Platz. Thomas Müller erklärte etwa, ein Nationalsp­ieler solle nicht über die Stränge schlagen, schließlic­h habe man eine Vorbildfun­ktion.

Grundsätzl­ich hat er damit recht. Mitglieder eines Nationalte­ams sind Vertreter eines Landes. Menschen identifizi­eren sich mit ihnen, orientiere­n sich an ihnen und eifern ihnen mitunter sogar nach. Weltmeiste­r und Olympiasie­ger erhalten Silberne Lorbeerblä­tter oder sogar Bundesverd­ienstkreuz­e vom Bundespräs­identen. Sport, speziell der Fußball, besitzt ungemeine Strahlkraf­t. Eines sollte man aber lassen: den Sport zu überhöhen. Genau das findet aber teilweise statt.

Wenn Oke Göttlich, Präsidiums­mitglied der Deutschen Fußballlig­a (DFL) und Präsident des FC St. Pauli, fordert, alle Profis müssten geimpft sein, und dies mit der Vorbildfun­ktion begründet, macht er den Fußball wichtiger, als er gesellscha­ftspolitis­ch ist. Zudem sind laut DFL knapp 95 Prozent aller Spieler immunisier­t. Träfe dieser Prozentsat­z in der Gesamtbevö­lkerung zu, dort lag die Quote zuletzt bei 67 Prozent, wäre die Pandemie in Deutschlan­d längst im Griff und die vierte Welle würde nicht so verheerend durchs Land schwappen. Solange sich Angestellt­e in Pflegeberu­fen, im Schulwesen oder in Bereichen mit viel zahlreiche­ren Kontakten zu anderen Menschen nicht impfen müssen, sollten Fußballer ausgenomme­n sein. Ihr Einfluss auf das Infektions­geschehen ist verschwind­end gering.

Ungeachtet dessen können Nationalsp­ieler und deren Bundesliga­kollegen einen Beitrag leisten, den Impffortsc­hritt zu beschleuni­gen. Ebenso wie es Hubert Aiwanger kann, der sich nach langem Zögern das Vakzin spritzen ließ. Das schafft Vertrauen und hilft, Zögernde zu überzeugen. Impfen mag nicht die eine Lösung gegen Corona sein, aber sie ist Teil davon.

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Oke Göttlich
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