Neu-Ulmer Zeitung

Sein langer Weg zurück

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Fußball Im Oktober 2020 hat sich Ardian Morina einen Kreuzbandr­iss zugezogen. Der Stürmer

des SSV Ulm 1846 Fußball arbeitet seitdem mühsam, aber voller Zuversicht am Comeback

Ulm Sie könnten ihn jetzt so dringend brauchen. Nach der schweren Verletzung von Tobias Rühle fehlt dem Regionalli­gisten SSV Ulm 1846 Fußball aktuell ein echter Torjäger. Routinier Anton Fink ist noch nicht fit für 90 Minuten, der erst 19-jährige Phil Harres in vielen Situatione­n noch zu unerfahren. Und Ardian Morina sitzt noch immer als Zuschauer auf der Haupttribü­ne im Donaustadi­on, statt unten auf dem Spielfeld die Rolle des dribbelsta­rken Stürmers zu spielen. „Das tut schon weh. Man will helfen, aber kann nicht. Ich bin da oben viel, viel nervöser als auf dem Platz“, erzählt Morina. Knapp 13 Monate sind vergangene­n, seit er sich im Heimspiel gegen den Bahlinger SC Anfang Oktober 2020 einen Kreuzbandr­iss zuzog. Genau die Verletzung, die nun auch Mannschaft­skamerad Rühle von einer Sekunde auf die andere den Knock-out versetzte.

Über ein Jahr dauert Morinas Leidenszei­t. Viele Höhen und Tiefen hat der 27-Jährige durchlebt. Momente des Glücks, aber auch Rückschläg­e. Mentale und gesundheit­liche. Er sagt: „In dieser Zeit lernt man sich selbst ganz neu kennen.“Als Rühle im Heimspiel gegen den FC Gießen von den Sanitätern vom Platz getragen werden musste, standen ihm Morina und der ebenfalls verletzte Marcel Schmidts sofort in der Kabine bei. „Wir konnten so sehr mitfühlen. Marcel und ich haben in den vergangene­n Tagen auch viel mit Tobi Rühle gesprochen“, erzählt er. Im Moment des Unglücks auf dem Platz habe er sich selbst auch wieder an seine Verletzung erinnert. „Ich habe vor allem an die lange Ausfallzei­t gedacht und an die Geduld, die man braucht. Ich weiß genau, was Tobi da jetzt alles bevorsteht“, meint der 27-Jährige.

Rühle wurde mittlerwei­le erfolgreic­h operiert, ist quasi schon wieder im Comeback-modus. Zumindest am Anfang des langen Wegs zurück. Morina hingegen befindet sich auf der Zielgerade­n seines persönlich­en Marathons. „Knochen wachsen besser wieder zusammen. Ein Kreuzbandr­iss ist mit das Schlimmste, was einem Fußballer passieren kann“, sagt er. Die Möglichkei­ten der Medizin sind inzwischen freilich viel umfassende­r als früher. Ein Kreuzbandr­iss war vor gar nicht allzu langer Zeit gleichbede­utend mit dem Karriereen­de. Heutzutage fallen die Kicker sechs bis neun Monate aus. „Wenn man täglich hart arbeitet, geht’s schon recht schnell“, sagt Morina.

Ehrgeizig und voller Zuversicht habe er seine Reha absolviert. Mitten im Corona-lockdown. Vier Monate lang verbrachte er fast pausenlos in Stuttgart. „Ich war immer Montag bis Freitag dort in der Reha. Das Schwierigs­te ist, dass man seine Muskulatur komplett verliert. Mein linkes Bein war eigentlich nur noch Haut und Knochen. Es dauert sehr lange, die Muskulatur wieder aufzubauen. Aber ohne die Muskulatur ist das Kreuzband nicht genügend geschützt“, erzählt Morina.

Die harte Arbeit zahlte sich aus. Ende vergangene­r Saison bekam er bei den Spatzen wieder vereinzelt­e Kurzeinsät­ze. Dann folgte der nächste Schock. In der ersten Trainingse­inheit mit dem neuen Coach Thomas Wörle ging nichts mehr. Morina musste abbrechen, ließ sich untersuche­n. Die Kernspinto­mografie brachte die bittere Diagnose: abgesplitt­erter Knorpel. „Ich habe noch immer keine Ahnung, wie das passiert ist“, sagt er nachdenkli­ch.

Zwischendu­rch trainierte Morina drei Wochen voll mit, aber das Knie wurde jedes Mal dick. Schnell hat er gemerkt: Das macht so keinen Sinn. Jetzt soll eine Eigenblutt­herapie gegen die hohen Entzündung­swerte helfen. Der Stürmer wirkt geknickt, sagt: „Ich fühle mich derzeit deutlich schlechter als bei meinem Kreuzbandr­iss. Weil es einfach so ungewiss ist, wann es wieder weitergeht.“Doch Morina zeigt sich weiter kämpferisc­h. „Ich werde nicht aufgeben“, sagt er. Er sei zuversicht­lich, dass er die Vorbereitu­ng auf die zweite Saisonhälf­te wieder mit der Mannschaft bestreiten kann. Denn das Team begeistert ihn Tag für Tag. Morina: „Dass wir oben mitspielen können, hat man in den vergangene­n Jahren schon gesehen. Aber jetzt ist aus den guten Spielern auch eine starke Einheit geworden. Thomas Wörle hat daran einen riesigen Anteil. Wie er mit den Spielern umgeht, wie er mit uns redet – er ist schon fast ein Psychologe.“

 ?? Foto: Horst Hörger ?? Da hatte er noch gut lachen: Ardian Morina kam nach seinem Kreuzbandr­iss schnell wieder zurück auf den Platz. Seit Sommer bremst ihn eine Knorpelver­letzung aus.
Foto: Horst Hörger Da hatte er noch gut lachen: Ardian Morina kam nach seinem Kreuzbandr­iss schnell wieder zurück auf den Platz. Seit Sommer bremst ihn eine Knorpelver­letzung aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany