Chips bleiben Mangelware
Industrie Trotz zuletzt spürbarer Erholung in der Branche: Die gefragten Teilchen werden auch 2022 rar sein.
Umso spannender ist die Frage, ob Intel tatsächlich in Penzing eine neue Riesen-fabrik bauen wird
München Der Chipmangel bleibt bis weit ins nächste Jahr ein Problem, mit dem die deutsche Industrie umgehen muss. Insbesondere die Elektro-industrie. Zwar werde der deutsche Markt der elektronischen Bauelemente zum Jahresende 2021 eine spürbare Erholung von gut 14 Prozent aufweisen und mit einem Umsatz von 18,5 Milliarden Euro das Niveau von 2019 fast wieder erreichen, sagte Nicolas Schweizer, Vorsitzender des Zvei-fachverbands PCB and Electronic Systems, am Dienstag zum Auftakt der Productronica. Die Weltleitmesse für Entwicklung und Fertigung von Elektronik in München dauert noch bis zum Freitag. Positiv sei ferner auch, dass die Auftragseingänge 2021 stark zugelegt hätten und die Verluste aus dem vergangenen Jahr wettmachten.
Zugleich betonte Schweizer aber: „Der derzeitige Halbleiter-engpass als Folge der Covid-pandemie betrifft nahezu alle Branchen und wird voraussichtlich noch einige Zeit andauern.“Es sei daher gut, dass sich die EU verstärkt für mehr Produktionskapazitäten einsetze.
Gemeint ist damit zum Beispiel das von über 20 Eu-staaten unterstützte Vorhaben, das den dynamischen Namen „Wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie“(IPCEI II) trägt. Die Etablierung einer europäischen Allianz für Mikroelektronik soll so vorangetrieben werden. Der Bedarf ist gewaltig, denn den globalen Markt dominiert Asien, wie nicht nur die deutsche Automobilindustrie schmerzhaft zu spüren bekommt.
Mit großer Spannung wird daher in Deutschland und Bayern darauf gewartet, ob sich der Chiphersteller Intel beim Bau einer riesigen Chipfabrik für Penzing bei Landsberg entscheidet. Wie es auf Anfrage aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium hieß, sei Penzing „weiter im Rennen“. Wie der Sprecher des bayerischen Wirtschaftsministeriums unserer Redaktion sagte, habe der Investor sein Auswahlverfahren „aktuell noch nicht abgeschlossen“. Intel strebe aber noch im laufenden Jahr eine Standortentscheidung an. Die Staatsregierung steht in engem Austausch mit dem Konzern und setze „alles daran, dass Penzing den Zuschlag erhält“, betonte der Ministeriumssprecher weiter. Auch Intel selbst hält sich auf Nachfrage weiterhin bedeckt.
Ansiedlung von Intel auf dem früheren Fliegerhorst in Penzing wird im Landkreis Landsberg nach wie vor mit gemischten Gefühlen gesehen. Befeuert hat die Debatte das viel beachtete Interview des Intel-chefs Pat Gelsinger in der FAZ im September, in der von 500 Hektar Fläche die Rede war, die der Konzern für bis zu acht Fabriken, die gemeinsam eine „Mega-fab“bilden sollen, benötige. Zuvor waren die Entscheidungsträger in Landsberg und der Gemeinde Penzing davon ausgegangen, dass es ausschließlich um die Fläche des Fliegerhorsts gehe. Der ist 270 Hektar groß. Auch war zuvor von etwa 3500 Arbeitsplätzen die Rede, nun geht es um bis zu 12 000.
Zu der möglichen Ansiedlung des Konzerns sagte Penzings Bürgermeister Peter Hammer bereits im Sommer: „Klar ist für mich, dass es der nächsten Generation gegenüber fahrlässig wäre, solch eine Ansiedlung ungeprüft auszuschlagen. Wir müssen die Chancen und Risiken abwägen.“Den Penzingern geht es aber auch darum, wie der mit der Chemikalie PFC belastete Boden des Fliegerhorsts entsorgt wird und wie man das frühere Bundeswehrgelände besser an den Verkehr anbindet. Hammer sagte: „Ich kann mir vorstellen, dass die Ansiedlung von Intel bei der Bearbeitung dieser beiden Punkte zu einer deutlichen
Beschleunigung führt.“Gefragt nach den aktuellen Entwicklungen sagt der Bürgermeister, die Kommune werde sich mit dem Thema „sorgfältig befassen, wenn es eine offizielle Anfrage gibt“. Noch heißt es warten.
Kritisch haben sich unter anderem die Grünen im Bayerischen Landtag zu einer möglichen Ansiedlung von Intel geäußert. Der Landsberger Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sagte: „Gerade auch vor dem Hintergrund der faktischen Vollbeschäftigung im Landkreis müssen wir nachhaltig und sorgsam mit unseren endlichen Flächenressourcen umgehen.“Ziel müsse es sein, die Region und damit das frei werdende Fliegerhorstgelände Penzing behutsam zu entwickeln, sodass unter anderem auch die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur gewährleistet ist. Auf dem Wohnungsmarkt herrscht durch die Nähe zu Augsburg und München bereits jetzt ein erheblicher Druck.
In die Reihe der skeptischen Stimmen hat sich auch die Kreisgruppe Landsberg des Bund Naturschutz eingereiht. Im Mittelpunkt der Bedenken steht der enorme Flädie chenverbrauch von fruchtbarem Boden und eine Versiegelung von Flächen, um die benötigte Infrastruktur zu schaffen. Der Bund Naturschutz verweist zudem auf den „enormen Wasserverbrauch einer Halbleiterfabrik“, der den Wasserhaushalt in Landsberg und Umgebung massiv verändern würde.
Welches Potenzial in dem Markt steckt, zeigen aber die Geschäftszahlen der Konkurrenz. Infineon meldete vergangene Woche das Rekord-quartal der Unternehmensgeschichte. Im gesamten abgelaufenen Geschäftsjahr konnte man den Gewinn auf 1,17 Milliarden Euro verdreifachen. Erstmals machte Infineon mehr als elf Milliarden Euro Umsatz. Und perspektivisch sieht es für das kommende Jahr noch besser aus: Erwartet wird dann ein Umsatz von 12,7 Milliarden Euro, plus oder minus 500 Millionen Euro. Infineon mit Sitz in Neubiberg (Landkreis München) gehört mit diesen Zahlen zu den zehn größten Halbleiterunternehmen weltweit.
In Sachen Chipmangel schätzt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage die Lage perspektivisch folgendermaßen ein: „Die Nachfrage auf dem Chipmarkt übersteigt das Angebot immer noch deutlich. Mit einer Normalisierung der Lage rechnen wir frühestens weit im Jahr 2022.“Die Werke von Infineon laufen auf Hochtouren.
Ministerium versichert: „Weiter im Rennen“
Warnung vor „enorm hohem Wasserverbrauch“