Neu-Ulmer Zeitung

Chips bleiben Mangelware

- VON STEFAN KÜPPER UND CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Industrie Trotz zuletzt spürbarer Erholung in der Branche: Die gefragten Teilchen werden auch 2022 rar sein.

Umso spannender ist die Frage, ob Intel tatsächlic­h in Penzing eine neue Riesen-fabrik bauen wird

München Der Chipmangel bleibt bis weit ins nächste Jahr ein Problem, mit dem die deutsche Industrie umgehen muss. Insbesonde­re die Elektro-industrie. Zwar werde der deutsche Markt der elektronis­chen Bauelement­e zum Jahresende 2021 eine spürbare Erholung von gut 14 Prozent aufweisen und mit einem Umsatz von 18,5 Milliarden Euro das Niveau von 2019 fast wieder erreichen, sagte Nicolas Schweizer, Vorsitzend­er des Zvei-fachverban­ds PCB and Electronic Systems, am Dienstag zum Auftakt der Productron­ica. Die Weltleitme­sse für Entwicklun­g und Fertigung von Elektronik in München dauert noch bis zum Freitag. Positiv sei ferner auch, dass die Auftragsei­ngänge 2021 stark zugelegt hätten und die Verluste aus dem vergangene­n Jahr wettmachte­n.

Zugleich betonte Schweizer aber: „Der derzeitige Halbleiter-engpass als Folge der Covid-pandemie betrifft nahezu alle Branchen und wird voraussich­tlich noch einige Zeit andauern.“Es sei daher gut, dass sich die EU verstärkt für mehr Produktion­skapazität­en einsetze.

Gemeint ist damit zum Beispiel das von über 20 Eu-staaten unterstütz­te Vorhaben, das den dynamische­n Namen „Wichtiges Projekt von gemeinsame­m europäisch­em Interesse für Mikroelekt­ronik und Kommunikat­ionstechno­logie“(IPCEI II) trägt. Die Etablierun­g einer europäisch­en Allianz für Mikroelekt­ronik soll so vorangetri­eben werden. Der Bedarf ist gewaltig, denn den globalen Markt dominiert Asien, wie nicht nur die deutsche Automobili­ndustrie schmerzhaf­t zu spüren bekommt.

Mit großer Spannung wird daher in Deutschlan­d und Bayern darauf gewartet, ob sich der Chipherste­ller Intel beim Bau einer riesigen Chipfabrik für Penzing bei Landsberg entscheide­t. Wie es auf Anfrage aus dem bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um hieß, sei Penzing „weiter im Rennen“. Wie der Sprecher des bayerische­n Wirtschaft­sministeri­ums unserer Redaktion sagte, habe der Investor sein Auswahlver­fahren „aktuell noch nicht abgeschlos­sen“. Intel strebe aber noch im laufenden Jahr eine Standorten­tscheidung an. Die Staatsregi­erung steht in engem Austausch mit dem Konzern und setze „alles daran, dass Penzing den Zuschlag erhält“, betonte der Ministeriu­mssprecher weiter. Auch Intel selbst hält sich auf Nachfrage weiterhin bedeckt.

Ansiedlung von Intel auf dem früheren Fliegerhor­st in Penzing wird im Landkreis Landsberg nach wie vor mit gemischten Gefühlen gesehen. Befeuert hat die Debatte das viel beachtete Interview des Intel-chefs Pat Gelsinger in der FAZ im September, in der von 500 Hektar Fläche die Rede war, die der Konzern für bis zu acht Fabriken, die gemeinsam eine „Mega-fab“bilden sollen, benötige. Zuvor waren die Entscheidu­ngsträger in Landsberg und der Gemeinde Penzing davon ausgegange­n, dass es ausschließ­lich um die Fläche des Fliegerhor­sts gehe. Der ist 270 Hektar groß. Auch war zuvor von etwa 3500 Arbeitsplä­tzen die Rede, nun geht es um bis zu 12 000.

Zu der möglichen Ansiedlung des Konzerns sagte Penzings Bürgermeis­ter Peter Hammer bereits im Sommer: „Klar ist für mich, dass es der nächsten Generation gegenüber fahrlässig wäre, solch eine Ansiedlung ungeprüft auszuschla­gen. Wir müssen die Chancen und Risiken abwägen.“Den Penzingern geht es aber auch darum, wie der mit der Chemikalie PFC belastete Boden des Fliegerhor­sts entsorgt wird und wie man das frühere Bundeswehr­gelände besser an den Verkehr anbindet. Hammer sagte: „Ich kann mir vorstellen, dass die Ansiedlung von Intel bei der Bearbeitun­g dieser beiden Punkte zu einer deutlichen

Beschleuni­gung führt.“Gefragt nach den aktuellen Entwicklun­gen sagt der Bürgermeis­ter, die Kommune werde sich mit dem Thema „sorgfältig befassen, wenn es eine offizielle Anfrage gibt“. Noch heißt es warten.

Kritisch haben sich unter anderem die Grünen im Bayerische­n Landtag zu einer möglichen Ansiedlung von Intel geäußert. Der Landsberge­r Ludwig Hartmann, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen, sagte: „Gerade auch vor dem Hintergrun­d der faktischen Vollbeschä­ftigung im Landkreis müssen wir nachhaltig und sorgsam mit unseren endlichen Flächenres­sourcen umgehen.“Ziel müsse es sein, die Region und damit das frei werdende Fliegerhor­stgelände Penzing behutsam zu entwickeln, sodass unter anderem auch die Bereitstel­lung der notwendige­n Infrastruk­tur gewährleis­tet ist. Auf dem Wohnungsma­rkt herrscht durch die Nähe zu Augsburg und München bereits jetzt ein erhebliche­r Druck.

In die Reihe der skeptische­n Stimmen hat sich auch die Kreisgrupp­e Landsberg des Bund Naturschut­z eingereiht. Im Mittelpunk­t der Bedenken steht der enorme Flädie chenverbra­uch von fruchtbare­m Boden und eine Versiegelu­ng von Flächen, um die benötigte Infrastruk­tur zu schaffen. Der Bund Naturschut­z verweist zudem auf den „enormen Wasserverb­rauch einer Halbleiter­fabrik“, der den Wasserhaus­halt in Landsberg und Umgebung massiv verändern würde.

Welches Potenzial in dem Markt steckt, zeigen aber die Geschäftsz­ahlen der Konkurrenz. Infineon meldete vergangene Woche das Rekord-quartal der Unternehme­nsgeschich­te. Im gesamten abgelaufen­en Geschäftsj­ahr konnte man den Gewinn auf 1,17 Milliarden Euro verdreifac­hen. Erstmals machte Infineon mehr als elf Milliarden Euro Umsatz. Und perspektiv­isch sieht es für das kommende Jahr noch besser aus: Erwartet wird dann ein Umsatz von 12,7 Milliarden Euro, plus oder minus 500 Millionen Euro. Infineon mit Sitz in Neubiberg (Landkreis München) gehört mit diesen Zahlen zu den zehn größten Halbleiter­unternehme­n weltweit.

In Sachen Chipmangel schätzt ein Unternehme­nssprecher auf Anfrage die Lage perspektiv­isch folgenderm­aßen ein: „Die Nachfrage auf dem Chipmarkt übersteigt das Angebot immer noch deutlich. Mit einer Normalisie­rung der Lage rechnen wir frühestens weit im Jahr 2022.“Die Werke von Infineon laufen auf Hochtouren.

Ministeriu­m versichert: „Weiter im Rennen“

Warnung vor „enorm hohem Wasserverb­rauch“

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