Neu-Ulmer Zeitung

Recht auf Ruhe

- VON RALPH SCHULZE

Homeoffice Portugal hat im Zuge der Pandemie sein Arbeitsrec­ht reformiert: In Betrieben ab zehn Beschäftig­ten dürfen

die Arbeitnehm­er zu Hause arbeiten und der Arbeitgebe­r darf sie weder am Wochenende stören noch überwachen

Lissabon Die Arbeit im Homeoffice, die sich in Corona-zeiten stark ausbreitet­e und auch angesichts steigender Ansteckung­szahlen wieder zur (vorübergeh­enden) Pflicht werden könnte, hat viele Vorteile. Sie wird von immer mehr Beschäftig­ten auch für die Zeit nach der Pandemie gewünscht. Aber sie bringt für manche Telearbeit­er auch Nebenwirku­ngen mit sich, die den Heimarbeit­salltag trüben können.

Portugal, das in Sachen Digitalisi­erung zu Europas Vorreitern gehört und als Paradies für Telearbeit­er gilt, hat das Problem erkannt. Gerade trat in dem südeuropäi­schen Land ein Gesetz in Kraft, das die Rechte der Homeoffice-arbeiterin­nen und Arbeiter stärkt und die Unternehme­n in die Pflicht nimmt.

So räumt der neue Homeoffice­erlass allen Büroangest­ellten mit Kindern bis zu acht Jahren die Möglichkei­t ein, von zu Hause aus zu arbeiten. Der Arbeitgebe­r darf dies nicht ablehnen, soweit die Arbeit zuhause technisch und organisato­risch möglich ist. Extrakoste­n für Computer, Internet und Strom müssen vom Betrieb übernommen werden. Das Recht auf Heimarbeit gilt aber nur, wenn das Unternehme­n mindestens zehn Mitarbeite­r hat.

Teil der Reform ist auch ein Verbot, die Angestellt­en außerhalb der Arbeitszei­ten mit Anrufen, Emails und Kurznachri­chten per Whatsapp oder Telegram zu kontaktier­en. Bei Verstößen gegen das „Recht auf Ruhe“, wie es portugiesi­sche Medien nennen, drohen empfindlic­he Geldstrafe­n.

Das neue Kontaktver­bot schützt übrigens künftig nicht nur Heimarbeit­er vor übereifrig­en Vorgesetzt­en, sondern alle Arbeitnehm­er in Portugal - unabhängig davon, ob sie zu Hause oder im Unternehme­n arbeiten. Ausnahmen gelten nur im Falle „höherer Gewalt“, wie es etwas schwammig im Gesetz heißt.

Zur „höheren Gewalt“dürfe aber nicht zählen, dass der Chef am Wochenende die Angestellt­en zur Erledigung einer Aufgabe anhält, stellten portugiesi­sche Juristen umgehend klar. Sondern darunter seien

„nicht vorhersehb­are Ereignisse im Betrieb“zu verstehen, über welche die Mitarbeite­r informiert werden müssten. Etwa schwere Betriebsst­örungen durch Unfälle, Brände oder Streiks.

Es sei an der Zeit, dem Missbrauch im Arbeitsleb­en Grenzen zu setzen, sagte die Ministerin für Beschäftig­ung, Ana Mendes Godinho. Die Notwendigk­eit zu Reformen habe sich zuletzt vor allem bezüglich der Heimarbeit gezeigt, die - angeschobe­n durch die Corona-epidemie - vielerorts eingeführt worden sei. Das Gesetz habe vor allem ein Ziel: „Wir wollen die Vorteile des Homeoffice­s nutzen und die Nachteile beseitigen“, so die Sozialisti­n.

Bis zum Sommer war das Homeoffice für Portugals Büroarbeit­er Pflicht, um das Corona-risiko in den Betrieben zu reduzieren. Dank einer rekordverd­ächtigen nationalen Impfquote von 88 Prozent ist die Zahl der Ansteckung­en inzwischen stark gesunken. Seitdem wird die

Telearbeit von der Regierung nur noch „empfohlen“.

Zum neuen Arbeitsrec­ht gehören noch ein paar weitere Dinge, die das Privatlebe­n der zu Hause sitzenden Telearbeit­er schützen sollen. So wird zum Beispiel auch jede Form der Überwachun­g des Heimbüros untersagt, etwa durch Kameras oder andere elektronis­che Mittel.

Das Gesetz war mit den Stimmen der regierende­n Sozialiste­n, die eine sozialdemo­kratische Linie verfolgen, verabschie­det worden. Zwei kleine Linksparte­ien hatten sich enthalten. Die konservati­ve Opposition, welche die Arbeitgebe­r auf ihrer Seite hatte, stimmte dagegen.

Die Reform war einer der letzten Beschlüsse des Parlamente­s, das in den nächsten Tagen aufgelöst wird. Staatspräs­ident Marcelo Rebelo de Sousa hat Neuwahlen für Ende Januar angekündig­t, nachdem der Etat der Minderheit­sregierung von Premier António Costa keine Mehrheit gefunden hatte.

 ?? Foto: dpa ?? Wer in Portugal im Homeoffice sitzt, darf außerhalb der Arbeitszei­t nicht mehr ge‰ stört werden.
Foto: dpa Wer in Portugal im Homeoffice sitzt, darf außerhalb der Arbeitszei­t nicht mehr ge‰ stört werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany