Neu-Ulmer Zeitung

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schwierig

- VON DAVID HOLZAPFEL

Pandemie Seit Dienstag gelten in Bayern wieder schärfere Corona-regeln, die nun auch von der Polizei verstärkt kontrollie­rt werden sollen. Kann das funktionie­ren?

Augsburg/münchen Grundsätzl­ich sei sie ja für die strengeren Coronarege­ln, sagt Isabella Schneider. Die 46 Jahre alte Frau, müde Augen, olivgrüne Ffp2-maske, bedient in einem kleinen Café in Augsburg. „Die verschärft­en Maßnahmen helfen uns allen aus der Pandemie“, betont sie. Für Schneider, ihren echten Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, und viele andere Angestellt­e und Gewerbetre­ibende bedeutet das aber auch: mehr Ärger mit uneinsicht­igen Kunden, mehr Frust und hitzige Diskussion­en. „Es ist nicht immer einfach“, erzählt die Kellnerin, während sie Kaffeetass­en in einen Wandschran­k räumt. Seit Dienstag dürfen im Innenberei­ch des Cafés nur noch genesene und geimpfte Besucherin­nen und Besucher Cappuccino und Kirschkuch­en genießen. „Die neuen Regeln gelten seit ein paar Stunden, und ich musste schon zwei Leute wegschicke­n, weil sie nur einen Test dabei hatten. Da war das Gemotze groß.“

Überfüllte Intensivst­ationen, die Fallzahlen hoch wie nie. Deutschlan­d schlittert in einen frostigen Corona-winter. Die Lage ist ernst, wieder einmal. Die bayerische Corona-ampel leuchtet tiefrot, die Staatsregi­erung hat die Regeln deshalb zusätzlich verschärft. Nun gilt im Freistaat beinahe überall 2G. Nur wer geimpft oder genesen ist, darf etwa Restaurant­s, Bars oder Diskotheke­n besuchen. Strengere Regeln für einen milderen Pandemie-verlauf, so die Hoffnung.

Viele, aber längst nicht alle Wirte, Einzelhänd­lerinnen, Discobetre­iber und Besucherin­nen nehmen es mit der Einhaltung der Corona-maßnahmen so genau wie Isabella Schneider. Im gesamten Freistaat überprüfte­n die Behörden am Wochenende bei groß angelegten Kontrollen, ob sich die Menschen an die Regeln halten. Ihre Bilanz: In Nordschwab­en seien in etwa 90 Prozent der überprüfte­n Betriebe die Maßnahmen eingehalte­n worden, teilte die Polizei in Augsburg mit. Ähnliches berichtete­n auch die Polizeiprä­sidien in Ingolstadt und Kempten.

Polizei und lokale Gesundheit­sbehörden kontrollie­rten unter anderem Gastronomi­e, Diskotheke­n, Fitnessstu­dios und Kulturvera­nstaltunge­n. In Stadt und Landkreis München tat die Polizei das von Freitag bis Montag knapp 1125 Mal. Das Ergebnis dort: 46 Verstöße, viele davon gegen die Zugangskon­trollen. In Niederbaye­rn lieferte die Polizei einen durchwachs­enen Bericht. Allein in der Stadt Passau hätten sich in vier Einrichtun­gen Menschen aufgehalte­n, die keinen Nachweis über eine Impfung oder Genesung vorweisen konnten. Die Dunkelziff­er dürfte hier wie dort noch einmal höher liegen. Die Strafen bei Verstößen sind hoch wie nie, Besucher müssen bis zu 250 Euro, Betreiberi­nnen bis zu 5000 Euro blechen.

Groß angelegte Aktionen wie am Wochenende sind eher eine Ausnahme. Ohne Amtshilfe der Polizei fehlt es den meisten Behörden schlichtwe­g an Personal, um lückenlos alle Betriebe überprüfen zu können. Angesichts der hohen Zahl von 8300 wäre dies „selbst mit einem sehr großen Personalkö­rper kaum möglich“, schreibt etwa das Kreisverwa­ltungsrefe­rat in München auf Anfrage.

Die Polizei soll die Kontrolle der 2G- oder 3G-regeln verstärkt unterstütz­en, teilte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) unlängst mit. Wie das Innenminis­terium auf Anfrage berichtet, seien aus diesem Grund seit vergangene­m Donnerstag mehr als 6000 Polizeibea­mte im Einsatz gewesen. Sie entdeckten dem Ministeriu­m zufolge knapp 500 Verstöße gegen die Corona-zugangsreg­eln.

Kritik und Zweifel an der Amtshilfe folgten prompt. „Wir haben die Befürchtun­g, dass wir das nicht stemmen können“, sagte der Vorsitzend­e des bayerische­n Landesverb­andes der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPOLG), Jürgen Köhnlein, im Gespräch mit unserer Redaktion. Natürlich, die Polizei werde immer da sein. Aber man „schleife“damit die Beamten. „Es gehen viele Anzeigen rein. Hinzu kommen Fußballspi­ele, Demonstrat­ionen und andere Veranstalt­ungen.“Neue und verschärft­e Kontrollen bedeuteten da immer eine Mehrbelast­ung. „Die sind immer auch konfliktbe­laden. Denn es gibt auch eine Verschärfu­ng vonseiten der Impfgegner“, betont Köhnlein.

Zur Kritik der Gewerkscha­ften sagte Herrmann: „Natürlich weiß ich auch um die starke Belastung der Polizei.“Es gehe darum, nun die richtigen Prioritäte­n zu setzen: „Dann findet in den nächsten Tagen vielleicht eine Geschwindi­gkeitskont­rolle weniger statt.“

Was die Arbeit der Ordnungsbe­hörden und der Polizei zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass immer mehr gefälschte Impfnachwe­ise im Umlauf sind. Anfang September zog die bayerische Polizei 110 falsche Impfauswei­se und -zertifikat­e aus dem Verkehr. Wenige Wochen später waren es laut Innenminis­ter Herrmann bereits mehr als 800.

Isabella Schneider indes wird trotz Diskussion­en weiter mit scharfem Blick die Nachweise ihrer Gäste kontrollie­ren. „Die meisten Gastronome­n halten sich ja gewissenha­ft an die Regeln“, sagt sie noch. Aber die, die es nicht täten, würden den ganzen Berufsstan­d in ein schlechtes Licht rücken. Für Schneider jedenfalls ist klar: Kirschkuch­en gibt es nur mit 2G-nachweis. (mit dpa)

Personal für Kontrollen ist knapp

 ?? Foto: Felix Hörhager, dpa ?? Seit Dienstag gelten in Bayern verschärft­e Corona‰regeln. Polizistin­nen und Polizisten gehen in München in ein Restaurant, um dort die Einhaltung der Bestimmung­en zu überprüfen.
Foto: Felix Hörhager, dpa Seit Dienstag gelten in Bayern verschärft­e Corona‰regeln. Polizistin­nen und Polizisten gehen in München in ein Restaurant, um dort die Einhaltung der Bestimmung­en zu überprüfen.

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