Neu-Ulmer Zeitung

Kinderporn­os aus dem Gefängnis

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Missbrauch Zweieinhal­b Jahre nach dem Logopäden-fall in Würzburg ermittelte die Polizei 53 weitere Verdächtig­e. Zwei von ihnen betrieben eine Plattform, obwohl sie in Haft saßen

Würzburg Im Umfeld des verurteilt­en Würzburger Logopäden hat die Polizei deutlich mehr Tatverdäch­tige mit pädophilen Neigungen erwischt, als bisher bekannt war: Man habe 53 Verdächtig­e im In- und Ausland ermittelt, sagte jetzt in einer Bilanz Oberstaats­anwalt Thomas Goger von der Zentralste­lle Cybercrime in Bayern: „Die Tatvorwürf­e lauten in allen Fällen auf Besitz oder Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Inhalte.“

Im März 2019 hatte die Polizei zunächst den Würzburger Logopäden festgenomm­en. Der Mann hatte sich jahrelang an körperlich und/ oder geistig behinderte­n Jungen sexuell vergangen – etwa bei seiner Arbeit in Kitas und in seiner Praxis. Der Sprachther­apeut hatte die Übergriffe auf die Kinder teilweise gefilmt und die Missbrauch­svideos online verbreitet, so kamen ihm die Ermittler auf die Schliche. Im Mai 2020 verurteilt­e das Landgerich­t Würzburg den damals 38-Jährigen in einem der größten Missbrauch­sprozesse in Bayern zu elf Jahren und vier Monaten Gefängnis.

In seiner Wohnung stellten Polizisten knapp 23000 Dateien mit Missbrauch­sinhalten sicher. Unter anderem über diese Daten gelang es den Ermittlern, weitere Verdächtig­e zu identifizi­eren. Etliche von ihnen leben im Ausland. Den bayerische­n Ermittlern zufolge wurde im Zuge der Ermittlung­en ein Darknetfor­um geschlosse­n, in dem etwa 1000 Nutzer Kinderporn­ografie verbreitet­en und tauschten. In der Schweiz sei es gelungen, einen Pädophilen festzunehm­en, der sich an einem fünfjährig­en Buben vergangen und kurz vor weiteren Taten gestanden habe. In Paris wurde ein Mann festgenomm­en, der in asiatische­n Ländern und in Frankreich Buben missbrauch­t haben soll. Bei den Betreibern eines Forums handele es sich um einschlägi­g verurteilt­e Pädophile, die gerade eine Haftstrafe in Wien verbüßten und aus dem Gefängnis heraus die Kinderporn­o-plattform betrieben.

Für diesen Ermittlung­serfolg im Logopäden-fall und die sensible Betreuung der betroffene­n Familien ernteten die bayerische­n Ermittler große Anerkennun­g. Weniger schmeichel­haft sieht die Bilanz des Freistaate­s für die versproche­ne unbürokrat­ische staatliche Finanzhilf­e für die betroffene­n Familien aus dem Topf für Verbrechen­sopfer aus: Zweieinhal­b Jahre lang wurden beim „Zentrum Familien und Soziales“Anträge hin und her geschoben, Gutachten beauftragt und geprüft, die Familien immer wieder vertröstet.

Im Oktober 2021 mussten die Familien dann in einem Bescheid lesen: Sie bekommen keine Finanzhilf­e. Die Begründung: Bei den betroffene­n Kindern sei unklar, welche gesundheit­lichen Schäden von ihrer Behinderun­g stammen und welche von dem Missbrauch durch den Logopäden. (mit dpa)

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Archivfoto: Karmann, dpa Der Würzburger Logopäde wurde zu elf Jahren und vier Monaten Gefängnis ver‰ urteilt.

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