Draisaitl setzt zu neuem Höhenflug an
Eishockey Er trifft und trifft und trifft: Der deutsche Ausnahmekönner legt einen Traumstart in der NHL hin und führt die Scorerliste an. Auch Söderholm baut auf den 26-Jährigen, doch ein Olympia-einsatz scheint inzwischen gefährdet
Edmonton Es klingt ein wenig wie im Eishockey-märchen, das nicht aufhören will: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der beste Profi im ganzen Land? Die Statistiken, wovon es in der National Hockey League wahrlich nicht wenige gibt, sprechen eindeutig für einen Deutschen. Nach 14 Partien führte Leon Draisaitl mit 31 Punkten (15 Treffer/16 Vorlagen) die Scorerwertung der NHL an. Auf Platz zwei folgte Draisaitls Teamkollege und Sturmpartner Connor Mcdavid mit 27 Scorerpunkten (10/17) vor Alexander „dem Großen“Owetschkin von den Washington Capitals mit 26 Zählern (12 Treffer/14 Vorlagen).
Glaubt man dem 26-Jährigen, dann ignoriert er die Bestenlisten weitgehend. „Es ist nicht so, dass ich tagtäglich auf der Couch sitze und mir die Rankings durchschaue. Mir ist das eigentlich egal“, sagte der Angreifer der Edmonton Oilers im Video-interview kurz vor dem Saisonstart. Und schob grinsend ein leises „sorry“hinterher.
In den vergangenen Tagen lief die Torproduktion Made in Germany auf Hochtouren. Jüngst hat der NHL-STAR mit einer Torvorlage 23 Sekunden vor Schluss und insgesamt drei Scorerpunkten den Edmonton Oilers zum elften Saisonsieg verholfen. Deutschlands bester Eishockeyspieler kam beim 5:4 der Oilers gegen die St. Louis Blues am vergangenen Sonntagabend auf ein Tor und zwei Vorlagen. Zu Beginn des zweiten Drittels traf der gebürtige Kölner zum 2:1. Das 3:2 und vor allem das spielentscheidende 5:4 durch Kailer Yamamoto bereitete der Angreifer vor.
Der wertvollste Nhl-spieler und Topscorer von 2020 ist noch nie so gut in eine Saison gestartet. Edmonton war ebenfalls nur in der goldenen Wayne-gretzky-ära in den 1980er Jahren ein so guter Saisonstart gelungen wie in dieser. Die Oilers führten die Pacific Division nach 14 Spieltagen mit elf Siegen an.
Mit seinen erst 26 Jahren steht Draisaitl im Zenit seiner Karriere und zählt doch bereits zu den Haudegen der besten Eishockeyliga der Welt. Die Nummer 29 geht nun in seine achte Nhl-saison. In den beiden Spielzeiten vor der verkürzten Corona-saison knackte der Kölner jeweils locker die 100-Punkte-marke. Auf dem Weg ist er auch in 2021/22.
Von den Punktelieferanten Draisaitl und seinem Sturmpartner Connor Mcdavid sollen endlich auch die Oilers profitieren. „Wir haben gute neue Spieler dazu bekommen, die uns als Mannschaft verbessern werden“, sagte Draisaitl unmittelbar vor dem Nhl-auftakt und fügte an: „Jetzt ist es unsere Aufgabe, uns zu finden. Jeder muss seine Rolle finden und es gilt, das Produkt so gut es geht, auf das Eis zu bringen.“Edmonton-coach Dave Tippet hat die richtige Mixtur gefunden. Sein Unterschied-spieler Draisaitl schätzt: „Ich persönlich glaube, dass wir das tiefste Team haben seit 2017. Vor allem bei den Stürmern sollten wir noch mehr Qualität haben.“Damals erreichte das Team die Play-offs und schlug in der ersten Runde die San Jose Sharks in sechs Spielen. Anschließend unterlag die Mannschaft den Anaheim Ducks. Im Sommer darauf legte Edmonton den Grundstein für ein hofschon fentlich goldenes Zeitalter. Nach Ablauf ihrer Einstiegsverträge verpflichteten die Oilers sowohl Draisaitl wie auch Mcdavid für jeweils acht Jahre. Das Jahresgehalt des Deutschen beträgt 8,5 Millionen Dollar, der Kanadier verdient 12,5 Millionen. In der Erdöl-metropole Kanadas träumen die Fans von einer Neuauflage der goldenen Ära im vergangenen Jahrtausend. 1984, 1985, 1987, 1988 und 1990 gewannen die Oilers die Nhl-meisterschaft, den Stanley Cup.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Alle zwei bis drei Tage tritt die
Mannschaft an und hat im Olympiajahr ein gewaltiges Pensum zu absolvieren. Für die Winterspiele in Peking ist eigentlich eine Pause eingeplant. Die Klubbosse haben einer Olympia-abstellung ihrer hoch bezahlten Stars zugestimmt. Auch Bundestrainer Toni Söderholm baut auf Draisaitl, Torwart Philipp Grubauer von den Seattle Kraken, Tim Stützle (Ottawa), den Augsburger Nico Sturm (Minnesota) oder Moritz Seider (Detroit). Bei den Winterspielen im Februar ist eine erneute Medaille wie Silber 2018 in Südkorea angesichts der Rückkehr der Nhl-stars zu Olympia zwar vermessen. Doch dürfte auch Deutschland mit dem sportlich besten Aufgebot der vergangenen Jahrzehnte in Peking auflaufen. Nun könnte jedoch die Corona-pandemie den Plänen von Söderholm einen Strich durch die Rechnung machen. Wegen eines Corona-ausbruchs bei den Ottawa Senators sind die Nhlspiele des Teams von Nationalspieler Stützle bis mindestens kommenden Samstag abgesagt worden. Die NHL begründete die Entscheidung damit, dass derzeit zehn Spieler der kanadischen Mannschaft auf der Corona-liste der NHL stehen und dies ein Beweis für eine anhaltende Verbreitung in den vergangenen Tagen sei. Das Trainingsgelände der Senators sei mit sofortiger Wirkung für alle Profis geschlossen worden. Nach Angaben eines Ottawa-sprechers zählt Stützle nicht zu den betroffenen Spielern.
Es ist das erste Mal seit den Saisonstarts im Football, Basketball
Saisonstart wie in der Waynegretzkyära
Coronapandemie sorgt für Spielausfälle in der NHL
oder Eishockey, dass eine der großen Us-profiligen von Spielausfällen durch die Corona-pandemie betroffen ist. In der vergangenen Saison musste die Liga 51 Partien absagen oder verschieben. Theoretisch könnten zu viele Verschiebungen durch Corona dazu führen, dass die NHL die Saison nun doch nicht für die Winterspiele in Peking unterbricht und die Zeit für Nachholtermine nutzt.
Die Entscheidung muss bis zum 10. Januar 2022 getroffen werden. Es darf ab jetzt gezittert werden, ob die große Draisaitl-show im Februar eine Fortsetzung im Dress der Nationalmannschaft findet.