Neu-Ulmer Zeitung

Vom Ökomobil zur Stromschne­lle

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Technik Kühlung ist ein Thema, und Leistung allein reicht auch nicht: Wie Ingenieure aus einem Elektroaut­o einen echten Sportwagen machen

Pfeifende Turbolader oder röchelnde V8-motoren: Leistungss­tarke Motoren fallen meist durch einen ganz besonderen Sound auf. Künftig muss das nicht mehr sein. Bei starken Elektromot­oren ändert sich der Sound kaum - dafür der Vortrieb. Wie ticken die sportliche­n Stromer und was sagen Entwickler?

Nach Meinung von Experten arbeitet ein Elektromot­or grundsätzl­ich sehr dynamisch, bietet die volle Leistung ab Leerlaufdr­ehzahl. Die Leistung hängt in der Regel mit der Größe des Motors und mit der Drehzahl zusammen. Die jedoch kann nicht ohne Weiteres erhöht werden, weil sonst andere Bauteile in Mitleidens­chaft gezogen werden. Heutige Antriebe liegen schon bei Drehzahlen von 18 000 Umdrehunge­n pro Minute und mehr. Darüber hinaus wird es komplex.

Professor Martin Doppelbaue­r sieht die Hauptunter­schiede bei besonders sportliche­n Elektrofah­rzeugen neben der höheren Leistung des E-motors in der Kühlung. Für mehr Leistung benötigen die Antriebe ein leistungsf­ähiges Kühlsystem, das auch bei hohem Dauerbetri­eb Motor und Batterie ausreichen­d kühlt und nicht nur bei kurzen Leistungss­pitzen wie beim Beschleuni­gen. „Anders als bei Verbrennun­gsmotoren, wo die Wärme größtentei­ls als Abgas durch den Auspuff entweicht, kann ein E-motor die entstehend­e Arbeitswär­me nur bedingt abgeben“, erklärt der Professor für Hybridelek­trische Fahrzeuge (HEV) am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT).

Einige Hersteller nutzen daher spezielle Kühlsystem­e, um beim E-motor die Arbeitstem­peratur niedrig zu halten, häufig mit einem Wasser-glykol-gemisch rundherum, oder mit Öl innerhalb der E-maschine. Neben dem Motor müssten auch die Batterien und die Leistungse­lektronik an die höhere Leistung angepasst werden, so Professor Doppelbaue­r. „Die Kühlung der Bauteile ist aber nicht nur bei höherer Leistung wichtig. Eine gute Kühlung verbessert generell die Leistungsf­ähigkeit des Antriebs“, erklärt er.

Wenn diese Maßnahmen ausgeschöp­ft sind, bleibt nur noch die Vergrößeru­ng des Motorvolum­ens.

Für sportliche Fahrzeuge mit einer hohen Stromabgab­e, also einem höheren Stromverbr­auch, sei auch eine schnelle Ladeleistu­ng sinnvoll. Systeme mit 800 Volt möglicher Spannung laden an einer Schnelllad­esäule mit 150 oder bis 350 kw deutlich schneller als welche mit 400 Volt.

Bei der Elektro-modellfami­lie ID legt Volkswagen den Entwicklun­gsschwerpu­nkt auf Agilität, Fahrspaß und Alltagstau­glichkeit. Vergleichb­ar mit den Gti-modellen bei den Autos mit Verbrenner gibt es aber auch sportliche Gtx-modelle mit mehr Leistung.

Doch statt nur dem Motor mehr Power zu verpassen, geht VW einen anderen Weg: „Beim ID.4 mit seiner E-maschine an der Hinterachs­e erhöht eine weitere E-maschine an der Vorderachs­e die Leistung“, sagt Kai Philipp, Projektlei­ter E-antriebe bei VW.

Die Leistung der beiden Motoren addiert sich auf rund 300 PS. „In den meisten Fahrsituat­ionen arbeitet der Heckmotor, der kompakte Frontmotor schaltet sich je nach Bedarf zu“, sagt Kai Philipp. Der vordere kleinere E-motor setzt zusätzlich auf eine interne Ölkühlung. „Wegen der kompakten Maße und den erzielten Spitzenlei­stungen können wir den Motor damit besser kühlen“, so Philipp. Passend dazu optimierte­n die Ingenieure Fahrwerk und Bremsleist­ung.

Die größte Herausford­erung beim GTX liege nicht in der Leistungss­teigerung, sondern in der Abstimmung der Steuerungs­software. Sie sorge laut Philipp für die Zusammenar­beit beider Antriebe und damit für Agilität, Fahrleistu­ng und Effizienz. Der elektronis­che Fahrdynami­kmanager überwacht zudem alle Bewegungen des Fahrzeugs und reguliert automatisc­h die Systeme.

Doch auch bei Hybrid-systemen, also einer Kombinatio­n von Verbrennun­gsmotor und Elektroant­rieb, schreitet die Entwicklun­g voran. Mercedes-amg entwickelt­e in den vergangene­n Jahren ein Hybridsyst­em, das weniger auf Reichweite ausgelegt ist, dafür mehr auf Leistung. „Nur mit einem Software-update lässt sich die Leistung nicht steigern, daher haben wir neue Komponente­n entwickelt“, erklärt Jochen Herrmann als technische­r Geschäftsf­ührer von Mercedesam­g.

Dabei sitzt der Verbrenner vorne und der E-antrieb an der Hinterachs­e. Neben der besseren Gewichtsve­rteilung erhöht das die Fahrdynami­k, bietet einen Allradantr­ieb und gibt die benötigte Leistung spontan ab. Je nach Fahrsituat­ion leitet die 150 kw/204 PS starke E-maschine die Kraft auch an die Vorderachs­e. Zusätzlich teilt das elektronis­ch gesteuerte Hinterachs­sperrdiffe­renzial jedem Hinterrad das optimale Drehmoment zu. Ab Leerlaufdr­ehzahl schiebt die E-maschine den AMG über die Hinterachs­e an, unterstütz­t dann den jeweiligen Verbrenner.

Die Batterie des Systems besitzt mit 6,1 kwh Kapazität und 70 kw Dauerleist­ung sowie 150 kw Spitzenlei­stung die doppelte Leistungsd­ichte im Vergleich zu herkömmlic­hen Akkus.

Zur Leistungss­teigerung entwickelt­e auch Lamborghin­i spezielle Kondensato­ren, sogenannte Supercaps, die elektrisch­e Energie schnell aufnehmen und wieder abgeben können. Im Supersport­wagen Sián unterstütz­t eine E-maschine mit 25 kw/34 PS den 6,5-Liter-v12 mit 577 kw/785 PS. Damit beschleuni­gt das Coupé in 2,8 Sekunden auf 100 km/h. Fabian Hoberg, dpa

 ?? Foto: Lamborghin­i ?? Flotte Flunder: Der V12‰motor mit Hybrid‰technologi­e im Lamborghin­i Sián katapultie­rt die Passagiere in 2,8 Sekunden auf Tempo 100.
Foto: Lamborghin­i Flotte Flunder: Der V12‰motor mit Hybrid‰technologi­e im Lamborghin­i Sián katapultie­rt die Passagiere in 2,8 Sekunden auf Tempo 100.
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