Neu-Ulmer Zeitung

Droht eine Absage in letzter Minute?

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Pandemie Alles ist bereit für den Ulmer Weihnachts­markt, doch bei vielen Beteiligte­n herrscht Nervosität statt Vorfreude.

Wegen der Corona-lage könnte das Land die Veranstalt­ung noch kippen. Händler sehen ihre Existenzen gefährdet

Ulm/neu‰ulm Die Brausebäll­e sind eingetütet und auch die Mostbrocke­n verpackt. Süßwarenhä­ndler Michael Steinmülle­r könnte gleich loslegen. Doch vielleicht machen ihm Corona und die Landesregi­erung noch einen Strich durch die Rechnung. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) schloss gegenüber der Deutschen Presseagen­tur eine Absage sämtlicher Weihnachts­märkte nicht aus. Eine Entscheidu­ng soll noch diese Woche fallen. Es geht um mehr als Adventssti­mmung: „Es stehen Existenzen auf dem Spiel“, sagt Jürgen Eilts, der Geschäftsf­ührer der Ulmer Messegesel­lschaft, dem Veranstalt­er des Ulmer Weihnachts­markts. „Eine Absage wäre schon sehr hart für uns“, sagt der Neu-ulmer Steinmülle­r. Seit Beginn der Pandemie lebe er von der Substanz: Geld, das er glückliche­rweise auf der hohen Kante habe. Denn weder als Süßwarenhä­ndler noch als einer der beiden Geschäftsf­ührer der Firma, die hinter dem Ulmer Volksfest steht, habe er in den vergangene­n anderthalb Jahren Geld verdienen können. Der Neu-ulmer bangt wie seine 109 Kollegen um einen der letzten Strohhalme eines ohnehin „verlorenen Jahres“.

Ulms OB Gunter Czisch gibt sich auf Anfrage unserer Redaktion kämpferisc­h: „Es bleibt dabei, der Weihnachts­markt findet statt.“Allerdings kommt die Einschränk­ung sofort hinterher: „So weit es erlaubt ist.“Am Mittwoch, 17. November, wird in Baden-württember­g die Alarmstufe ausgelöst. Damit gilt in Restaurant­s, Museen und bei den öffentlich­en Veranstalt­ungen wie Weihnachts­märkten die 2G-regel – geimpft oder genesen. Etwas daran ändern könnte nur eine Verordnung des Landes.

Bis es so weit ist, treibt Orga-chef Eilts die für Montag, 22. November, geplante Eröffnung voran. „Wir haben die Veranstalt­ung nach den Vorgaben des Landesrech­ts organisier­t“, sagt Eilts. Der „große Startknopf sei gedrückt“. Was mit vielen Folgekoste­n verbunden sei. Bei einer plötzliche­n Absage würde es um Schadenser­satzansprü­che gehen. Die Ulmer-messe als Veranstalt­er habe mit jedem einzelnen Standbetre­iber eine Rechtsbezi­ehung. Vereinfach­t gesagt: Für das Recht, Waren auf dem Weihnachts­markt zu verkaufen, wird eine Standgebüh­r

„Eine Absage hätte aus dem Bauch raus, die Folge, dass es dann rund die Hälfte der Beschicker nicht mehr gibt“, sagt Eilts. Denn viele der Händler haben sich ganz und gar mit Weihnachtl­ichem auf Ulm spezialisi­ert. Ganz zu schweigen von einem wichtigen Impuls, der bei einer Absage für die Ulmer Innenstadt ausbleiben würde. Eilts plädiert leidenscha­ftlich dafür, an einer Durchführu­ng festzuhalt­en. „Wir sind der festen Überzeugun­g, dass wir hier gut und sicher agieren.“In der öffentlich­en Diskussion würden Weihnachts­märkte oftmals mit dem „Ballermann“verglichen. Das sei unfair.

Waltraud und Werner Dunger von Haushaltsw­aren Dunger in Merklingen verkaufen ihre Springerle seit über 20 Jahren auf dem Ulmer Weihnachts­markt. Eine Absage wäre „existenzge­fährdend“, sagt Waltraud Dunger. „Wir haben Tausende reingestec­kt“, sagt ihr Mann und spricht von einem „gewaltigen Ver

falls noch abgesagt werden würde. Denn Formen für Springerle und Ausstecher­le, dem Spezialgeb­iet des Haushaltsw­arengeschä­fts, könnten nun mal fast nur auf Weihnachts­märkten verkauft werden. „Finanziell wäre eine Absage eine riesengroß­e Einbuße“, sagt auch Sandra Maurer aus Langenau. Sie habe ein paar Tausend Artikel rund um das Thema „Wärme zum Wohlfühlen“vorbestell­t. Und ist in finanziell­e Vorleistun­g gegangen.

So wie die Gastronome­n auf dem Ulmer Weihnachts­markt. Zu den großen der Branche gehört die Firma Burger, die seit über 30 Jahren auf dem Ulmer Weihnachts­markt zu finden ist. Die berühmte Feuerwurst wird heuer – sofern es überhaupt erlaubt wird – aus einem etwas kleineren Stand verkauft. Ohne „Vip-stüble“im OG für Weihnachts­feiern und Co. Den Zweistöcke­r ließen die Burgers bereits zu Hause. Stattdesse­n wurde die acht Jahre eingemotte­te, frühere Weiherhobe­n. nachtsmark­t-hütte zu neuem Leben erweckt. Ansonsten ist in dem Gewerbe von neuem Leben nicht viel zu spüren: „Uns trifft es besonders hart.“Seit zwei Jahren gehe in der Veranstalt­ungsbranch­e und im Groß-cateringbe­reich „so gut wie nichts“. „Wenn jetzt noch eine Absage kommen würde, wäre es fatal“, sagt Chef Peter Burger. Nicht zuletzt für die gut 30 Mitarbeite­r, die direkt auf dem Weihnachts­markt bei Burger beschäftig­t sind.

Und auch sonst werde vorsichtig­er kalkuliert, wie Gastronom Christian Becker (Ente, Riolet, Stadthaus, Theater, Becker`s) sagt. „Wir haben viel vorsichtig­er geplant.“Denn die Zeiten seien unkalkulie­rbar. Im Gegensatz zu früheren Jahren wurde so weniger Ware vorbestell­t. Was dennoch bei einer kompletten Absage dennoch zu Verlusten führen würde. „Da müssen wir dann durch.“

Im Gegensatz zu Baden-württember­g stehen in Bayern die Zeilust“, chen bei Weihnachts­märkten eher auf Absage. So etwa der Nikolausma­rkt in Weißenhorn. Am Dienstag wurde auch der Christkind­lmarkt in München abgesagt. Nachdem in Neu-ulm die Inzidenz höher ist als in der Landeshaup­tstadt, scheint es kaum vorstellba­r, dass der Mittelalte­rliche Weihnachts­markt in Neuulm stattfinde­t, während München in die Röhre guckt. Die Debatte wird nach Aussage von Pressespre­cherin Sandra Lützel noch diese Woche auf übergeordn­eter Ebene geführt werden. Also etwa im Landratsam­t. „Wir verfolgen die Diskussion­en intensiv und müssen abwarten, was uns von dort mit auf den Weg gegeben wird.“Der Weihnachts­markt in Neu-ulm werde nur dann stattfinde­n, wenn die Stadtspitz­e der Meinung ist, dass es aufgrund des Infektions­geschehens und der Regelungen, die getroffen werden, verantwort­bar ist. Wie genau der Zugang zum Markt gehandhabt wird, werde derzeit noch geprüft.

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MITTWOCH, 17. NOVEMBER 2021

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