Droht eine Absage in letzter Minute?
Pandemie Alles ist bereit für den Ulmer Weihnachtsmarkt, doch bei vielen Beteiligten herrscht Nervosität statt Vorfreude.
Wegen der Corona-lage könnte das Land die Veranstaltung noch kippen. Händler sehen ihre Existenzen gefährdet
Ulm/neuulm Die Brausebälle sind eingetütet und auch die Mostbrocken verpackt. Süßwarenhändler Michael Steinmüller könnte gleich loslegen. Doch vielleicht machen ihm Corona und die Landesregierung noch einen Strich durch die Rechnung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schloss gegenüber der Deutschen Presseagentur eine Absage sämtlicher Weihnachtsmärkte nicht aus. Eine Entscheidung soll noch diese Woche fallen. Es geht um mehr als Adventsstimmung: „Es stehen Existenzen auf dem Spiel“, sagt Jürgen Eilts, der Geschäftsführer der Ulmer Messegesellschaft, dem Veranstalter des Ulmer Weihnachtsmarkts. „Eine Absage wäre schon sehr hart für uns“, sagt der Neu-ulmer Steinmüller. Seit Beginn der Pandemie lebe er von der Substanz: Geld, das er glücklicherweise auf der hohen Kante habe. Denn weder als Süßwarenhändler noch als einer der beiden Geschäftsführer der Firma, die hinter dem Ulmer Volksfest steht, habe er in den vergangenen anderthalb Jahren Geld verdienen können. Der Neu-ulmer bangt wie seine 109 Kollegen um einen der letzten Strohhalme eines ohnehin „verlorenen Jahres“.
Ulms OB Gunter Czisch gibt sich auf Anfrage unserer Redaktion kämpferisch: „Es bleibt dabei, der Weihnachtsmarkt findet statt.“Allerdings kommt die Einschränkung sofort hinterher: „So weit es erlaubt ist.“Am Mittwoch, 17. November, wird in Baden-württemberg die Alarmstufe ausgelöst. Damit gilt in Restaurants, Museen und bei den öffentlichen Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkten die 2G-regel – geimpft oder genesen. Etwas daran ändern könnte nur eine Verordnung des Landes.
Bis es so weit ist, treibt Orga-chef Eilts die für Montag, 22. November, geplante Eröffnung voran. „Wir haben die Veranstaltung nach den Vorgaben des Landesrechts organisiert“, sagt Eilts. Der „große Startknopf sei gedrückt“. Was mit vielen Folgekosten verbunden sei. Bei einer plötzlichen Absage würde es um Schadensersatzansprüche gehen. Die Ulmer-messe als Veranstalter habe mit jedem einzelnen Standbetreiber eine Rechtsbeziehung. Vereinfacht gesagt: Für das Recht, Waren auf dem Weihnachtsmarkt zu verkaufen, wird eine Standgebühr
„Eine Absage hätte aus dem Bauch raus, die Folge, dass es dann rund die Hälfte der Beschicker nicht mehr gibt“, sagt Eilts. Denn viele der Händler haben sich ganz und gar mit Weihnachtlichem auf Ulm spezialisiert. Ganz zu schweigen von einem wichtigen Impuls, der bei einer Absage für die Ulmer Innenstadt ausbleiben würde. Eilts plädiert leidenschaftlich dafür, an einer Durchführung festzuhalten. „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir hier gut und sicher agieren.“In der öffentlichen Diskussion würden Weihnachtsmärkte oftmals mit dem „Ballermann“verglichen. Das sei unfair.
Waltraud und Werner Dunger von Haushaltswaren Dunger in Merklingen verkaufen ihre Springerle seit über 20 Jahren auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt. Eine Absage wäre „existenzgefährdend“, sagt Waltraud Dunger. „Wir haben Tausende reingesteckt“, sagt ihr Mann und spricht von einem „gewaltigen Ver
falls noch abgesagt werden würde. Denn Formen für Springerle und Ausstecherle, dem Spezialgebiet des Haushaltswarengeschäfts, könnten nun mal fast nur auf Weihnachtsmärkten verkauft werden. „Finanziell wäre eine Absage eine riesengroße Einbuße“, sagt auch Sandra Maurer aus Langenau. Sie habe ein paar Tausend Artikel rund um das Thema „Wärme zum Wohlfühlen“vorbestellt. Und ist in finanzielle Vorleistung gegangen.
So wie die Gastronomen auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt. Zu den großen der Branche gehört die Firma Burger, die seit über 30 Jahren auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt zu finden ist. Die berühmte Feuerwurst wird heuer – sofern es überhaupt erlaubt wird – aus einem etwas kleineren Stand verkauft. Ohne „Vip-stüble“im OG für Weihnachtsfeiern und Co. Den Zweistöcker ließen die Burgers bereits zu Hause. Stattdessen wurde die acht Jahre eingemottete, frühere Weiherhoben. nachtsmarkt-hütte zu neuem Leben erweckt. Ansonsten ist in dem Gewerbe von neuem Leben nicht viel zu spüren: „Uns trifft es besonders hart.“Seit zwei Jahren gehe in der Veranstaltungsbranche und im Groß-cateringbereich „so gut wie nichts“. „Wenn jetzt noch eine Absage kommen würde, wäre es fatal“, sagt Chef Peter Burger. Nicht zuletzt für die gut 30 Mitarbeiter, die direkt auf dem Weihnachtsmarkt bei Burger beschäftigt sind.
Und auch sonst werde vorsichtiger kalkuliert, wie Gastronom Christian Becker (Ente, Riolet, Stadthaus, Theater, Becker`s) sagt. „Wir haben viel vorsichtiger geplant.“Denn die Zeiten seien unkalkulierbar. Im Gegensatz zu früheren Jahren wurde so weniger Ware vorbestellt. Was dennoch bei einer kompletten Absage dennoch zu Verlusten führen würde. „Da müssen wir dann durch.“
Im Gegensatz zu Baden-württemberg stehen in Bayern die Zeilust“, chen bei Weihnachtsmärkten eher auf Absage. So etwa der Nikolausmarkt in Weißenhorn. Am Dienstag wurde auch der Christkindlmarkt in München abgesagt. Nachdem in Neu-ulm die Inzidenz höher ist als in der Landeshauptstadt, scheint es kaum vorstellbar, dass der Mittelalterliche Weihnachtsmarkt in Neuulm stattfindet, während München in die Röhre guckt. Die Debatte wird nach Aussage von Pressesprecherin Sandra Lützel noch diese Woche auf übergeordneter Ebene geführt werden. Also etwa im Landratsamt. „Wir verfolgen die Diskussionen intensiv und müssen abwarten, was uns von dort mit auf den Weg gegeben wird.“Der Weihnachtsmarkt in Neu-ulm werde nur dann stattfinden, wenn die Stadtspitze der Meinung ist, dass es aufgrund des Infektionsgeschehens und der Regelungen, die getroffen werden, verantwortbar ist. Wie genau der Zugang zum Markt gehandhabt wird, werde derzeit noch geprüft.