Neu-Ulmer Zeitung

Booster‰impfung schon nach fünf Monaten

- VON SARAH SCHIERACK

Gesundheit Impfzentre­n und Ärzte in Bayern

bieten Auffrischu­ng nun bereits früher an

Augsburg Wenn sich Chefs und Chefinnen der Länder an diesem Donnerstag zur Corona-schalte treffen, dann wird es um einen jener Begriffe gehen, der vor wenigen Wochen noch nicht einmal erfunden war: gemeint ist das Boostern, also die Auffrischu­ngsimpfung gegen das Coronaviru­s. Für führende Wissenscha­ftler wie etwa die Modelliere­rin Viola Priesemann ist das Boostern die vielverspr­echendste Maßnahme im Kampf gegen die vierte Coronawell­e – auch weil gerade bei älteren und immunschwa­chen Menschen der Impfschutz schon nach wenigen Monaten wieder nachlasse.

Bayern eilt nun voraus und stellt es allen Menschen künftig frei, sich auch schon fünf Monate nach der letzten Impfung erneut immunisier­en zu lassen. Alle Impfzentre­n haben entspreche­nde Anweisunge­n erhalten, betonte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU). Sie seien am Montagaben­d angeschrie­ben worden. Man fordere nun vom Bund, „diesbezügl­ich den Rechtsrahm­en umgehend anzupassen“. Gesundheit­sminister Spahn teilt die Einschätzu­ng seines bayerische­n Kollegen: In einem Schreiben an alle Vertragsär­zte im Land betonte er, dass die Frist von sechs Monaten „natürlich nicht tagesgenau einzuhalte­n ist“.

Für viele Einrichtun­gen kam die Anweisung der Staatsregi­erung allerdings so überrasche­nd, dass sie gar nicht schnell genug reagieren konnten. Vielerorts wurden Menschen an den Impfzentre­n zurückgewi­esen, auch auf vielen offizielle­n Internetse­iten fanden sich am Mittwoch noch keine Hinweise auf die neue Regelung.

Das passt gewisserma­ßen in das Bild, das die Impfkampag­ne in diesem Herbst abgibt. Bisher gibt es statt einer „Booster-offensive“, wie sie Priesemann und andere Forscher fordern, eher ein Boostercha­os: Gesundheit­sminister Jens

Spahn ließ sich lange nicht auf eine Linie festnageln, empfahl dann aber die Auffrischu­ngsimpfung für alle Erwachsene­n. Die Ständige Impfkommis­sion rät bisher erst Menschen über 70 Jahren zum Booster. Via Talkshow richtete Stiko-chef Thomas Mertens am Dienstag schon einmal aus, bald die Auffrischu­ngsimpfung auch ab 18 Jahren zu empfehlen. Wann es so weit sein solle, verriet er jedoch nicht. Der Hausärztev­erband wiederum pocht darauf, bei den Booster-impfungen trotzdem ältere und immunschwa­che Menschen zu priorisier­en, denn bei ihnen lässt der Schutz am schnellste­n nach.

Bei den Medizinern und Ärztinnen ist der Frust ohnehin groß. Jakob Berger, der die schwäbisch­en Hausärzte vertritt, sagt seine Meinung deutlich: „Es ist eine Unverschäm­theit, wie die Politik mit uns umgeht.“Berger fühlt sich beim Thema Impfen übergangen. „Keiner hat mit uns gesprochen, dabei sind wir die Impfspezia­listen“, klagt der Mediziner aus Meitingen bei Augsburg. Ärzte würden jedes Jahr auch ohne Corona 200 Millionen Impfdosen spritzen, aber die Impfkampag­ne sei völlig an ihnen vorbei geplant worden.

Auch in Bezug auf die Auffrischu­ngsimpfung­en fühlt Berger sich schlecht informiert. Durch die unterschie­dlichen und schnell wechselnde­n Vorgaben stünden die Telefone nicht mehr still. „Die Praxen laufen voll, das macht uns maximal Arbeit“, betont Berger. Der Arzt wünscht sich eine klare Linie der Politik – denn er und seine Kolleginne­n und Kollegen seien es am Ende, die mit den Patienten über die medizinisc­hen Hintergrün­de sprechen müssten.

Der Kommentar auf dieser Seite widmet sich ebenfalls den Boosterimp­fungen. Auf einer Sonderseit­e im Politik-teil finden Sie außerdem eine Liste von sieben Fragen, die die Ministerpr­äsidentenk­onferenz nun beantworte­n muss.

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