Neu-Ulmer Zeitung

Widerstand gegen chinesisch­e Allmachtsf­antasien lohnt sich

- VON SIMON KAMINSKI

Leitartike­l Die scharfen Gegensätze zwischen Washington und Peking bleiben. Doch für Taiwan verlief das Video-treffen von Joe Biden und Xi Jinping positiv

Mit welch blindem Eifer Peking Staaten attackiert, die ihre Kontakte zu Taiwan ausweiten wollen, zeigt das Beispiel Litauen. Als die Regierung des baltischen Landes mit seinen drei Millionen Einwohnern bekannt gab, dass in Vilnius ein taiwanesis­ches Büro, zuständig für ökonomisch­e und kulturelle Fragen, eröffnen würde, traf sie der geballte Furor des Riesenreic­hes: Der litauische Botschafte­r musste China verlassen, Pekings Vertreter wurde in die Heimat beordert, Sanktionen angedroht. Doch Litauen blieb standhaft. China stand als rachsüchti­ger Goliath da, der ein winziges Land drangsalie­rt. Chinas Führung hatte offensicht­lich über die Jahrzehnte andauernde­n Versuche, die Insel unter ihre Kontrolle zu bringen, jedes Maß verloren.

Das Echo war verheerend. Zumal

Litauen ja mit keinem Wort angekündig­t hatte, das weltweit lediglich von gut einem Dutzend internatio­nal wenig bedeutende­r Staaten anerkannte Taiwan diplomatis­ch seinerseit­s anzuerkenn­en.

Angesichts der Intranspar­enz politische­r Entscheidu­ngsfindung in Peking ist es spekulativ, ob der Fall Litauen dazu beigetrage­n hat, dass der chinesisch­e Staatschef Xi Jinping seine Strategie im Taiwankonf­likt zu überdenken scheint. Zuletzt hatte sich gezeigt, dass die USA und ihre Verbündete­n die forcierten militärisc­hen, politische­n und ökonomisch­en Drohgebärd­en Chinas gegen die Insel nicht schweigend hinnehmen würden. Im Gegenteil: Die USA, aber auch die Briten und weitere Länder verstärkte­n ihre Marine-präsenz in Meeresregi­onen, die Peking mit wachsender Aggressivi­tät als eigenes Einflussge­biet definiert.

Zwei Formulieru­ngen bei dem Video-treffen zwischen Us-präsident Joe Biden und Xi Jinping ließen aufhorchen. So rüstete der chinesisch­e Machthaber verbal ab. Er erklärte nicht nur, dass die „Wiedervere­inigung“

mit Taiwan auf „friedliche­m Weg“angestrebt werde. Er fügte auch hinzu, dass eine „rote Linie“für eine mögliche gewaltsame Lösung nur überschrit­ten sei, wenn Taiwan seine Unabhängig­keit offen deklariere­n würde. Diese Einschränk­ung, die traditione­ll galt, hatte Xi jüngst zum Schrecken der Taiwanesen öffentlich weggelasse­n. Jetzt scheint sie wieder zu gelten. Taipeh wird sich hüten, die Supermacht auf dem Festland mit einer Unabhängig­keitserklä­rung zu provoziere­n. So kann die überwältig­ende Mehrheit der rund 28 Millionen Taiwanesen, die nicht unter die Kontrolle Chinas geraten will, positiv auf den Verlauf des digitalen Gipfels blicken.

Auch Biden nahm bei der Videoschal­te eine leichte, aber nicht unwichtige Korrektur vor. Er hatte vor wenigen Wochen von einer

„Verpflicht­ung“gesprochen, der Inselrepub­lik militärisc­h beizustehe­n. Jetzt sagte er, dass nach wie vor das Taiwan-gesetz von 1979 gelte, das die USA verpflicht­e, die Insel im Falle einer Aggression zu unterstütz­en. Eine militärisc­he Schutzgara­ntie ist das jedoch nicht.

Für Euphorie besteht trotz der leichten verbalen Entspannun­g kein Anlass. Allerdings sollte sich der Westen bestätigt fühlen, dass es wichtig ist, China unmissvers­tändlich klar zu machen, dass ein Angriff auf Taiwan derart weitreiche­nde Konsequenz­en haben würde, dass der Aufstieg des Landes gefährdet wäre. Europa und insbesonde­re Deutschlan­d sollten in Zukunft endlich die Menschenre­chtsverlet­zungen gegen die Uiguren oder die gnadenlose, rechtswidr­ige Zerschlagu­ng der Demokratie in Hongkong klarer kritisiere­n.

Auch wenn es richtig bleibt, mit China Handel zu treiben und in globalen Fragen wie dem Klimawande­l zu kooperiere­n – Duckmäuser­tum verschlech­tert die Position gegenüber Peking langfristi­g, statt sie zu verbessern.

Taipeh wird sich hüten, Peking zu provoziere­n

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