Schon wieder keine Weihnachtsfeier?
Arbeitswelt Der Anstieg der Infektionen durchkreuzt auch die Planungen für die wichtigste Mitarbeiterveranstaltung des Jahres.
Wie Firmen in der Region darauf reagieren – und warum viele keine Lust mehr haben auf digitale Formate
Augsburg „Reduzieren Sie Ihre Kontakte. Vermeiden Sie vor allem Situationen, in denen mehrere Menschen in Innenräumen zusammenkommen“– Lothar Wieler, der Präsident des Robert-koch-instituts, hat seine Warnung vor dem weiteren Anstieg der Corona-infektionszahlen jüngst mit einer dringenden Bitte untermauert. Größere Veranstaltungen sollten abgesagt oder gemieden werden. In den Unternehmen ist die Warnung angekommen. Immer mehr Betriebe stellen ihre Weihnachtsfeier auf den Prüfstand oder sagen sie ab.
Leicht gefallen ist die Entscheidung zur Absage der Feier Weltbild-chef Christian Sailer in Augsburg nicht. Nach vielen Gesprächen stand am Mittwoch aber fest: „Zum Schutz der Gesundheit werden wir auf die Weihnachtsfeier verzichten“, sagte Sailer unserer Redaktion. Man habe bei den Planungen zwar bereits verschiedene Möglichkeiten ins Auge gefasst gehabt. Da sich die Corona-lage aber täglich ändere, sei die Absage letztlich unabwendbar geworden, so Sailer.
Sicher sei, dass es auf jeden Fall eine Weihnachtsüberraschung und einen digitalen Weihnachtsgruß gewird. Schließlich musste die Feier bereits 2020 ausfallen.
Bei der Molkerei Gropper in Bissingen im Landkreis Donau-ries steht die Entscheidung schon länger fest: Die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehe an oberster Stelle, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. Daher verzichte man aufgrund der aktuell rapide steigenden Infektionszahlen auf eine Weihnachtsfeier. Als Lebensmittelbetrieb gelte es auch, die Produktion „in vollem Ausmaß und unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen am Laufen zu halten“.
Bei Glasbau Wiedemann in Augsburg verweist Geschäftsführer Christoph Wiedemann bei der Begründung der Absage auch auf die aus seiner Sicht nicht ausreichende Impfquote: „Dass in unserer Firma in etwa nur zwei Drittel geimpft sind und die restlichen Mitarbeiter sich nicht impfen lassen wollen, ist mir unverständlich. Da helfen aber keine Gespräche und Argumente. Wir haben aus diesem Grund die Weihnachtsfeier wie letztes Jahr abgesagt. Die Mitarbeiter erhalten dafür einen Einkaufsgutschein.“
Dieter Lessmann, Co-geschäftsführer des gleichnamigen Bürstenspezialisten aus Oettingen, geht von einer etwas höheren Impfquote in seinem Unternehmen aus. Aber auch bei 20 Prozent Ungeimpften könne eine Weihnachtsfeier seiner Einschätzung nach allenfalls unter 2G-bedingungen sicher durchgeführt werden. „Ob das dem Betriebsfrieden dient, weiß ich nicht“, sagt er. Die Feier sei ganz wichtig für die Stimmung im Betrieb. „Es gibt Essen und Livemusik, wir feiern da immer eine richtige Party“, sagt Lessmann. Schon vergangenes Jahr musste sie ausfallen, erklärt er voller Bedauern. Heuer ist die Entscheidung noch nicht gefallen. „Wir überlegen noch, ob wir eine Freiluft-alternative auf die Beine stellen können“, sagt Lessmann. In spätesben tens zwei Wochen herrschen.
Wie die Beschäftigten die Absagen aufnehmen, ist schwer zu sagen. Insgeheim ist mancher vielleicht sogar froh, wenn das Unternehmen einen Gutschein verschenkt und auf eine Feier verzichtet. Denn trotz aller Einlagen und Buffets ist das ungezwungene Zusammensein mit Kollegen oder Chefs nicht jedermanns Sache. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov von Anfang November wünscht sich aber knapp die Hälfte der Beschäftigten (47 Prozent) heuer trotz steigender Corona-zahlen eine Weihnachtsfeier. Allerdings:
soll Klarheit
Die Infektionszahlen sind seit der Befragung weiter gestiegen und mit regionalen Zahlen kann die Umfrage ebenfalls nicht aufwarten. Umgekehrt sprachen sich 39 Prozent gegen eine Feier aus.
Beim Fertigbau-unternehmen Baufritz in Erkheim bei Mindelheim hat die Weihnachtsfeier traditionell große Bedeutung, sagt Unternehmenssprecher Kevin Hartmann: „Wir sind in einem Gasthaus mit Feststadl, es tritt immer eine Liveband auf und wir ehren bei der Veranstaltung verdiente Mitarbeiter.“Es gehe oft bis spät in die Nacht und Chefin Dagmar Fritz-kramer, die früher in einer Band aktiv war, singe meist auch selbst ein paar Songs.
Nun ist nichts mit Weihnachtsparty, die Feier wurde Anfang der Woche abgesagt – obwohl man sich schon für alle Eventualitäten gerüstet sah, Drive-in-testkonzept inklusive. „Wir hoffen aber, dass wir im Frühjahr eine Feier nachholen können, vielleicht ein Grillfest“, sagt Hartmann. Ein Geschenk bekomme jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter aber auch heuer.
Die Absagen der Firmenfeiern treffen nicht nur die Beschäftigten. Auch die Veranstaltungsbranche muss damit einen erneuten Tiefschlag verkraften. Alexandra
Schönweiß organisiert mit ihrer Agentur Eventreich für Unternehmen auch schon mal einen ganzen Weihnachtsmarkt auf dem Firmengelände, samt Lebkuchenhausbauen und Märchenerzähler. Für dieses Jahr ließ sich das Geschäft zunächst auch gut an, erzählt Schönweiß: „Wir haben einen kleinen Nachfrageboom erlebt. Mit drei Firmen waren wir schon in konkreten Planungen für Outdoor-events. Mitte letzter Woche wurden dann alle Feiern abgesagt. Das ist natürlich sehr ernüchternd für uns.“
Die Entscheidungen der Firmen seien für sie durchaus verständlich. Keiner wolle bei den steigenden Infektionszahlen das Risiko eingehen, einen Hotspot zu schaffen. Die Feiern hätten erst im Dezember stattfinden sollen, bis dahin könnte sich die Lage weiter verschärfen. Dennoch ist nun erst mal viel Arbeit umsonst gemacht worden. Einer der Kunden überlege noch, stattdessen im Sommer ein Fest zu organisieren. Nach digitalen Ersatzangeboten gefragt habe keiner. „Viele Mitarbeiter haben wahrscheinlich auch keine Lust mehr auf Online-veranstaltungen. Da gab es in der Vergangenheit schon so viel, dass es schwer ist, die Leute dafür noch richtig zu begeistern“, sagt Schönweiß.