Neu-Ulmer Zeitung

Schon wieder keine Weihnachts­feier?

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Arbeitswel­t Der Anstieg der Infektione­n durchkreuz­t auch die Planungen für die wichtigste Mitarbeite­rveranstal­tung des Jahres.

Wie Firmen in der Region darauf reagieren – und warum viele keine Lust mehr haben auf digitale Formate

Augsburg „Reduzieren Sie Ihre Kontakte. Vermeiden Sie vor allem Situatione­n, in denen mehrere Menschen in Innenräume­n zusammenko­mmen“– Lothar Wieler, der Präsident des Robert-koch-instituts, hat seine Warnung vor dem weiteren Anstieg der Corona-infektions­zahlen jüngst mit einer dringenden Bitte untermauer­t. Größere Veranstalt­ungen sollten abgesagt oder gemieden werden. In den Unternehme­n ist die Warnung angekommen. Immer mehr Betriebe stellen ihre Weihnachts­feier auf den Prüfstand oder sagen sie ab.

Leicht gefallen ist die Entscheidu­ng zur Absage der Feier Weltbild-chef Christian Sailer in Augsburg nicht. Nach vielen Gesprächen stand am Mittwoch aber fest: „Zum Schutz der Gesundheit werden wir auf die Weihnachts­feier verzichten“, sagte Sailer unserer Redaktion. Man habe bei den Planungen zwar bereits verschiede­ne Möglichkei­ten ins Auge gefasst gehabt. Da sich die Corona-lage aber täglich ändere, sei die Absage letztlich unabwendba­r geworden, so Sailer.

Sicher sei, dass es auf jeden Fall eine Weihnachts­überraschu­ng und einen digitalen Weihnachts­gruß gewird. Schließlic­h musste die Feier bereits 2020 ausfallen.

Bei der Molkerei Gropper in Bissingen im Landkreis Donau-ries steht die Entscheidu­ng schon länger fest: Die Gesundheit der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r stehe an oberster Stelle, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. Daher verzichte man aufgrund der aktuell rapide steigenden Infektions­zahlen auf eine Weihnachts­feier. Als Lebensmitt­elbetrieb gelte es auch, die Produktion „in vollem Ausmaß und unter Berücksich­tigung aller Schutzmaßn­ahmen am Laufen zu halten“.

Bei Glasbau Wiedemann in Augsburg verweist Geschäftsf­ührer Christoph Wiedemann bei der Begründung der Absage auch auf die aus seiner Sicht nicht ausreichen­de Impfquote: „Dass in unserer Firma in etwa nur zwei Drittel geimpft sind und die restlichen Mitarbeite­r sich nicht impfen lassen wollen, ist mir unverständ­lich. Da helfen aber keine Gespräche und Argumente. Wir haben aus diesem Grund die Weihnachts­feier wie letztes Jahr abgesagt. Die Mitarbeite­r erhalten dafür einen Einkaufsgu­tschein.“

Dieter Lessmann, Co-geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Bürstenspe­zialisten aus Oettingen, geht von einer etwas höheren Impfquote in seinem Unternehme­n aus. Aber auch bei 20 Prozent Ungeimpfte­n könne eine Weihnachts­feier seiner Einschätzu­ng nach allenfalls unter 2G-bedingunge­n sicher durchgefüh­rt werden. „Ob das dem Betriebsfr­ieden dient, weiß ich nicht“, sagt er. Die Feier sei ganz wichtig für die Stimmung im Betrieb. „Es gibt Essen und Livemusik, wir feiern da immer eine richtige Party“, sagt Lessmann. Schon vergangene­s Jahr musste sie ausfallen, erklärt er voller Bedauern. Heuer ist die Entscheidu­ng noch nicht gefallen. „Wir überlegen noch, ob wir eine Freiluft-alternativ­e auf die Beine stellen können“, sagt Lessmann. In spätesben tens zwei Wochen herrschen.

Wie die Beschäftig­ten die Absagen aufnehmen, ist schwer zu sagen. Insgeheim ist mancher vielleicht sogar froh, wenn das Unternehme­n einen Gutschein verschenkt und auf eine Feier verzichtet. Denn trotz aller Einlagen und Buffets ist das ungezwunge­ne Zusammense­in mit Kollegen oder Chefs nicht jedermanns Sache. Nach einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov von Anfang November wünscht sich aber knapp die Hälfte der Beschäftig­ten (47 Prozent) heuer trotz steigender Corona-zahlen eine Weihnachts­feier. Allerdings:

soll Klarheit

Die Infektions­zahlen sind seit der Befragung weiter gestiegen und mit regionalen Zahlen kann die Umfrage ebenfalls nicht aufwarten. Umgekehrt sprachen sich 39 Prozent gegen eine Feier aus.

Beim Fertigbau-unternehme­n Baufritz in Erkheim bei Mindelheim hat die Weihnachts­feier traditione­ll große Bedeutung, sagt Unternehme­nssprecher Kevin Hartmann: „Wir sind in einem Gasthaus mit Feststadl, es tritt immer eine Liveband auf und wir ehren bei der Veranstalt­ung verdiente Mitarbeite­r.“Es gehe oft bis spät in die Nacht und Chefin Dagmar Fritz-kramer, die früher in einer Band aktiv war, singe meist auch selbst ein paar Songs.

Nun ist nichts mit Weihnachts­party, die Feier wurde Anfang der Woche abgesagt – obwohl man sich schon für alle Eventualit­äten gerüstet sah, Drive-in-testkonzep­t inklusive. „Wir hoffen aber, dass wir im Frühjahr eine Feier nachholen können, vielleicht ein Grillfest“, sagt Hartmann. Ein Geschenk bekomme jede Mitarbeite­rin und jeder Mitarbeite­r aber auch heuer.

Die Absagen der Firmenfeie­rn treffen nicht nur die Beschäftig­ten. Auch die Veranstalt­ungsbranch­e muss damit einen erneuten Tiefschlag verkraften. Alexandra

Schönweiß organisier­t mit ihrer Agentur Eventreich für Unternehme­n auch schon mal einen ganzen Weihnachts­markt auf dem Firmengelä­nde, samt Lebkuchenh­ausbauen und Märchenerz­ähler. Für dieses Jahr ließ sich das Geschäft zunächst auch gut an, erzählt Schönweiß: „Wir haben einen kleinen Nachfrageb­oom erlebt. Mit drei Firmen waren wir schon in konkreten Planungen für Outdoor-events. Mitte letzter Woche wurden dann alle Feiern abgesagt. Das ist natürlich sehr ernüchtern­d für uns.“

Die Entscheidu­ngen der Firmen seien für sie durchaus verständli­ch. Keiner wolle bei den steigenden Infektions­zahlen das Risiko eingehen, einen Hotspot zu schaffen. Die Feiern hätten erst im Dezember stattfinde­n sollen, bis dahin könnte sich die Lage weiter verschärfe­n. Dennoch ist nun erst mal viel Arbeit umsonst gemacht worden. Einer der Kunden überlege noch, stattdesse­n im Sommer ein Fest zu organisier­en. Nach digitalen Ersatzange­boten gefragt habe keiner. „Viele Mitarbeite­r haben wahrschein­lich auch keine Lust mehr auf Online-veranstalt­ungen. Da gab es in der Vergangenh­eit schon so viel, dass es schwer ist, die Leute dafür noch richtig zu begeistern“, sagt Schönweiß.

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Foto: Jens Kalaen, dpa Weihnachts­mann‰darsteller haben heuer wenig zu tun.

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