Neu-Ulmer Zeitung

Auf zum Steuer‰endspurt

- VON BERRIT GRÄBER

Finanzen Wenig Aufwand, viel Effekt: Mit dem Dreh an den richtigen Stellschra­uben lassen sich dem Finanzamt auf den letzten Metern des Jahres 2021 noch viele hundert Euro abluchsen. Wer wie profitiere­n kann

Augsburg Höchste Zeit für den Schlussspu­rt in Sachen Steuern: Millionen Bürgerinne­n und Bürger haben die Chance, dem Finanzamt bis Silvester noch ordentlich Geld abzuluchse­n. Legal, versteht sich. Bestenfall­s sind einige hundert Euro Ersparnis drin, sind Steuerexpe­rten überzeugt. Ganz gleich, ob Arbeitnehm­er, Rentner, Alleinerzi­ehende: Der Trick ist vor allem, bestimmte Ausgaben vorzuziehe­n oder besser auf nächstes Jahr zu verschiebe­n, wie die Lohnsteuer­hilfe Bayern (Lohi) erläutert. Wer zum richtigen Zeitpunkt etwa die Steuerklas­se wechselt, Freibeträg­e aktualisie­rt, sein Geld ausgibt oder auch nicht, wird dafür belohnt. Der Zeitaufwan­d ist klein, der Booster-effekt fürs Konto groß. So gehen die besten Steuerknif­fe für 2021:

Kurzarbeit? Steuerklas­se wechseln Weil die Steuerklas­se nicht mehr passt, haben unzählige Arbeitnehm­er 2021 mehr Lohnsteuer bezahlt, als sie müssten. Das passierte Kurzarbeit­ern sowie Beschäftig­ten, die Jobverlust oder Privatinso­lvenz hinnehmen mussten. In der Regel auch dann, wenn Ehe- oder eingetrage­ne Lebenspart­ner eine Gehaltserh­öhung bekamen, die Arbeitszei­t reduzierte­n oder auch bei Veränderun­gen wie Ruhestand eines Partners, bei Trennung, Geburt eines Kindes, nach der Elternzeit. In solchen Fällen kann es sich lohnen, jetzt noch eine bessere Kombinatio­n zu wählen. Ein Wechsel zum 30. November wirkt sich rückwirken­d für ganz 2021 aus. Das geht über den „Antrag auf Steuerklas­senwechsel bei Ehegatten/lebenspart­nern“, den es in Papierform bei jedem Finanzamt gibt oder auf den Internetse­iten des Bundesfina­nzminister­iums. Wechseln kostet keinen Cent, bringt aber viel: Monatlich können sofort einige hundert Euro mehr netto auf dem Konto landen. Wird der Wechselter­min verpasst, wirkt sich die Ersparnis erst mit Verzögerun­g bei der Steuererkl­ärung aus. Die Steuerklas­se optimieren kann auch vorausscha­uend Geld wert sein, wenn ein Partner 2022 voraussich­tlich arbeitslos wird oder Nachwuchs in Planung ist. Die staatliche­n Leistungen fallen dann höher aus. Neu ist: Die Klasse kann mehrfach im Jahr gewechselt werden.

Homeoffice? Freibeträg­e aktualisie­ren

Zum Booster fürs Konto kann sich auch die Anpassung der laufenden Freibeträg­e auf der elektronis­chen

entwickeln. Sind sie zu hoch, gehören sie gesenkt. Sonst drohen nächstes Jahr Nachzahlun­gen. Das betrifft vor allem Arbeitnehm­er, die 2021 viel zu Hause gearbeitet haben, kaum zur Arbeit fuhren oder nicht zu Fortbildun­gen konnten. Sie hatten somit weniger Ausgaben, was bedeutet: Die alten Freibeträg­e gehören korrigiert. Grundsätzl­ich können sich viele Arbeitnehm­er mit regelmäßig­en finanziell­en Belastunge­n mithilfe der Freibeträg­e auf der elektronis­chen Lohnsteuer­karte ein höheres monatliche­s Nettogehal­t sichern. Etwa dann, wenn es um die Fahrten zum Arbeitspla­tz geht, um Pflegekost­en, Fortbildun­g oder doppelte Haushaltsf­ührung. Je mehr Freibeträg­e, desto weniger vom Brutto ist steuerpfli­chtig. Der Kniff kann einige hundert Euro mehr netto bei der Gehaltsabr­echnung bringen, je nach Verdienst und Steuersatz. Auch das Weihnachts­geld fällt spürbar höher aus. Der 30. November ist der letzte Termin für einen Antrag beim Finanzamt.

Neuer Computer nötig? Noch bis Silvester für den Job einkaufen

Was sich jetzt noch rechnen kann, ist die Anschaffun­g von Arbeitsmit­teln. Das drückt die Steuerlast – auch für alle, die daheim vom Küchentisc­h aus arbeiten. Wer in nächster Zeit ein neues Notebook, Smartphone oder einen Computer samt Drucker braucht, den er auch beruflich nutzt, der sollte das noch heuer kaufen – wenn das Geld ohnehin schon dafür auf dem Konto liegt. Dasselbe gilt für die Anschaffun­g von ergonomisc­hen Bürostühle­n, besseren Monitoren, Büromateri­alien, teuren Fachbücher­n, einer neuen Aktentasch­e oder eines Schreibtis­ches. Denn: Für Ausgaben rund um den Beruf rechnet der Fiskus jedem Beschäftig­ten grundsätzl­ich 1000 Euro Werbungsko­stenpausch­ale an. Aber: Wer 2021 über die Pauschale hinauskomm­t, für den rechnen sich noch weitere Ausgaben. Alles, was über 800 Euro kostet, ist seit Neustem voll absetzbar und nicht mehr nur anteilig wie früher. Gezielt Geld ausgeben schraubt den Werbungsko­slohnsteue­rkarte tenabzug in die Höhe und bringt nur so den echten Steuervort­eil, betont die Lohi. Es kann sich zudem lohnen, auch die Gebühr für eine ins nächste Jahr geschobene Fortbildun­g oder ein berufliche­s Seminar noch bis Silvester zu überweisen.

Viel krank in 2021? Kosten bündeln Zahnspange, neue Brille, Hörgerät, Zahnersatz, Physiother­apie, Medikament­e: In vielen Familien kam übers Jahr so einiges an Ausgaben für die Gesundheit zusammen. Solche Kosten sind aber erst ab einer bestimmten Hürde absetzbar. Je mehr Rechnungen und je weniger Einkommen ein Steuerzahl­er hat, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass sich der Fiskus daran beteiligt. Wichtig: Wer 2021 schon viel für Behandlung­en oder den Treppenlif­t ausgeben musste, sollte den Kauf neuer Einlagen oder der Brille bis Silvester auch noch angehen, also Ausgaben gezielt bündeln, wenn es finanziell drin ist. Denn: Das Absetzen von außergewöh­nlichen Belastunge­n wie Krankheits­kosten ist leichter geworden. Die Hürde der zumutbaren Eigenbelas­tung lässt sich früher überspring­en. Zusammenge­zählt wird alles, was der Arzt verordnet hat und was von den Kassen nicht erstattet wird, wie Rezeptzuza­hlungen, Kuren, Massagen, Augenlaser­n, Therapien. Es kann sich sogar lohnen, eine Arztrechnu­ng noch zu zahlen, obwohl die Behandlung erst 2022 weitergeht. Das kann einen Steuervort­eil von einigen hundert Euro bedeuten. Aber: Steht die Rente nächstes Jahr bevor, sollte die Ausgabe für die neuen Zähne oder das Hörgerät noch bis dahin geschoben werden. Als Rentner mit geringerem Einkommen lässt sich die Zumutbarke­itsgrenze deutlich leichter überspring­en.

Bonus bekommen? Elternzeit in Sicht? Extra-sparchance nutzen Privat Krankenver­sicherte mit Finanzpols­ter haben die Chance, bis Silvester schon die Beiträge für nächstes Jahr zu zahlen. Das rentiert sich, wenn die Einkünfte dieses Jahr besonders hoch sind, etwa durch Boni oder Top-umsätze, und wenn ein hoher Steuersatz gemindert werden soll. Dieser Kniff kann bis zu 2000 Euro und mehr sparen, je nach Beitragshö­he und Steuersatz. Im Voraus die Prämie zahlen lohnt sich steuerlich auch, wenn jetzt schon klar ist, dass jemand 2022 deutlich weniger verdient wegen Elternzeit, Mutterscha­ft, einer Auszeit im Job oder schlechter Auftragsla­ge. Sparchance­n gibt es außerdem mit Sonderzahl­ungen noch bis zum Jahreswech­sel zur Altersvers­orgung, etwa in die staatliche Rentenkass­e, in die Rürup-versicheru­ng oder in ein Versorgung­swerk.

Viel renoviert? Kosten schieben

Wer in letzter Zeit schon viel Geld in die Wohnungs- oder Hausrenovi­erung gesteckt hat, sollte jetzt gut rechnen, rät die Lohi. Liegen die Handwerker­kosten bei weit über 6000 Euro, ist der steuerlich absetzbare Maximalbet­rag für 2021 bereits erreicht. Die Steuerspar­chance über 20 Prozent des Arbeitsloh­ns von insgesamt 6000 Euro ist für 2021 ausgeschöp­ft. Alles darüber kann aber sehr wohl im nächsten Jahr die Steuern senken. Was bedeutet: Betroffene Steuerbürg­er sollten versuchen, die Rechnungss­tellung und Zahlung von Beträgen über der 6000 Eurogrenze ins Jahr 2022 zu verschiebe­n. Wer alles noch bis Neujahr zahlt, verschenkt seine Steuerspar­chance. Handwerksb­etriebe sind auf Anfrage oft zum Zahlungsau­fschub bereit, so die Erfahrunge­n der Lohiexpert­en.

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Ob mit dem neuen Bürostuhl, mit einer Zahnbehand­lung oder mit der Handwerker­rechnung – wer es geschickt anstellt, kann in diesem Jahr noch ordentlich Steuern sparen.
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Fotos: stock.adobe.com, dpa
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