So läuft es bei der „Genusswelt“von Seeberger
Essen Als „weltweit einzigartig“beschreibt das Familienunternehmen aus Ulm ein 20 Millionen Euro teures
neues Gebäude im Donautal. Es soll so etwas wie ein Ausflugsziel werden
Ulm Nicht heimlich, aber still und leise eröffnete Seeberger im Spätsommer einen Neubau direkt am Stammsitz im Ulmer Donautal. Zumindest teilweise: Bevor der komplette 20-Millionen-bau inklusive Restaurant und Ausstellung Besucherinnen und Besucher empfangen wird, muss das Coronavirus eingedämmt sein. Erste Erfahrungswerte deuten offenbar darauf hin, dass nicht umsonst 150 Parkplätze und eine Busspur gebaut wurden, um den erwarteten Ansturm bewältigen zu können. „Wir sind bislang sehr zufrieden“, sagt Marketingleiter Joachim Mann. Und das trotz Corona.
Andere Lebensmittelfirmen haben es vorgemacht: Die Molkerei Zott hat ihre Genusswelt in Mertingen, Alb Gold Teigwaren eine gläserne Produktion in Trochtelfingen und Ritter-sport lockt mit der Schoko-welt nach Waldenbuch. Eine „Destination“, also ein Ziel für Ausflüge möchte auch Seeberger im Ulmer Donautal etablieren, sagt Mann. Schick designt mit hellem Eichenboden, Sichtbeton und hängenden Gärten an den Wänden. Wenn die gesamte Genusswelt einmal eröffnet ist, sollen 60 neue Stellen bei Seeberger entstanden sein. Auf den ersten Blick geht es um den Verkauf der Seeberger-produkte und Kaffee, Kuchen und in naher Zukunft einmal Mittagessen.
Doch der Ansatz reicht tiefer: Seeberger möchte eine Plattform schaffen, um eine Marke zu präsentieren, die in 60 Ländern der Welt durch ihre orangefarben verpackten Nüsse und Trockenfrüchte bekannt ist und so den Namen Seeberger in hellem Glanz erstrahlen lassen: „Wir wollen hier das zeigen und anbieten, wofür wir als Seeberger stehen: Nachhaltigkeit, Genuss und Qualität“, so die Geschäftsführerin der Genusswelt, Yvonne Doll.
Dies geschieht digital und auch ganz bewusst analog in einer noch im Aufbau befindlichen Ausstellung über die Geschichte von Seeberger und die Produktion der Produkte. Mit den Zusammenhängen von Naturschutz, Qualität und sozialer Verantwortung. So erfährt der Ausstellungsbesucher, dass von Seeberger in Ulm im afrikanischen Ghana direkt 500 Mango-bauern abhängig sind. Das Unternehmen aus Ulm sichere langfristig den Lebensunterhalt von 6000 Menschen, darunter 1000 Schulkinder. Es gehe auch um soziale Verantwortung: Für die Mitarbeiter in Ghana existiere eine betriebseigene Montessori-kinderkrippe und eine kostenlose Kantine.
Viel Raum räumt Seeberger auch dem Thema Umwelt ein. Dass es Seeberger ernst ist mit der Nachhaltigkeit, liegt nahe: Als Unternehmen, das direkt die Produkte der Landwirtschaft verarbeitet und so im Jahr 300 Millionen Euro umsetzt, kommt der Klimawandel in Form von allerlei Schwierigkeiten und Preissteigerungen in Ulm an. Etwa durch Dürre in Kalifornien, die sich auf die Mandelernte niederschlägt, oder wenig Regen in Indien, der den Cashews fehlt. Was Qualität für Seeberger bedeutet, ist ebenso Thema.
Im Aufbau befindet sich noch eine Ausstellung, die das Thema Kaffee, Natur, Umweltschutz und Genuss thematisieren soll. Als eine der ältesten Kaffeeröstereien
Deutschlands ist Seeberger mit Bohnen groß geworden, allerdings eher in der Gastronomie als im Einzelhandel zu Hause. Ausgesuchte Kaffes gibt es allerdings auch für den Endverbraucher im Donautal. Darunter kleine Chargen, die in einer verglasten kleinen Röstmaschine bei der „Genussecke“geröstet werden. So wie der derzeit im Verkauf befindliche „Orang Utan Kaffee“. Sortenreine Bohnen von der indonesischen Insel Sumatra, die von Kleinbauern nach strengen Richtlinien angebaut werden, sodass dem gefährdeten Menschenaffen nicht noch mehr Lebensraum genommen wird.
Verkauft und in Hochglanz präsentiert wird nicht nur Kaffee, sondern ein ganzes Lebensgefühl: In Barista-seminaren wird Kaffeefreaks ein umfangreiches Wissen rund um Kaffee und dessen Herstellung sowie Zubereitung vermittelt. Gastro-profis können an den riesigen Maschinen ihrer Bars lernen, in einem Seminarraum stehen die chromblitzenden Siebträger sämtlicher bekannter Marken bereit.
Das geplante Restaurant ist noch geschlossen, erlebte jedoch jüngst mit der Verleihung des Ulmer Marketingpreises eine erfolgreiche Vorpremiere. So ganz von null auf 100 geht das Lokal ohnehin nicht. Denn eine Aufgabe der Genusswelt ist auch die Verpflegung der mittlerweile über 650 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Produktion und Verwaltung in Ulm. Frisch gekocht wird in Eigenregie – mit fest angestelltem Küchenpersonal –, das soll in Zukunft auch Besuchern schmecken. Nachhaltigkeit, Genuss und Qualität sollen auch hier im Mittelpunkt stehen. So wie bereits im geöffneten Café, das eine „kleine Karte“sowie Kuchen aus Neu-ulm anbietet: Noch geliefert aus dem Konzertsaal, eine eigene Produktion sei in Zukunft angedacht. Auch das liegt auf der Hand: Schließlich kommen viele der Zutaten aus eigener Produktion.
Unter Volllast soll in der „Genusswelt“in naher Zukunft an jeder Ecke etwas zu sehen sein: Eine Schauküche ist mit Kameras ausgestattet, die das Bild direkt auf die Tische der Teilnehmer von geplanten Koch- und Backkursen überträgt. Modernes Teambuilding finde bei Seeberger mit Genussfaktor am Kochtopf oder einer Siebträgerkaffeemaschine statt. Die herumstehenden Automaten sind weniger Serviceangebot denn Schauobjekt: Der Betrieb der elektronischen Verkäufer ist inzwischen ein großes Geschäftsfeld bei Seeberger, sie stehen in vielen Werken der großen deutschen Autobauer. Zuerst war da der Kaffeeautomat. Und wer Kaffee trinkt, hat gern dazu einen Snack plus Kaltgetränk. Inzwischen bestückt Seeberger die Geräte mit so ziemlich allem, was reinpasst.