Neu-Ulmer Zeitung

Museum Ulm verschiebt Krippen‰ausstellun­g

- VON DAGMAR HUB

Rassismus‰debatte Die Schau über Martin Scheible, den Schöpfer der umstritten­en Münsterkri­ppe,

hätte im Advent stattfinde­n sollen. Eine Diskussion­sveranstal­tung ist aber geplant

Ulm Die Komplikati­onen um die Weihnachts­krippe, die der Neu-ulmer Künstler Martin Scheible vor fast hundert Jahren für das mit ihm befreundet­e junge Ehepaar Julius und Emilie Mößner schuf und die 1992 ins Ulmer Münster gebracht wurde, wo es bis dahin keine Weihnachts­krippe gegeben hatte, werden nicht weniger: Die ursprüngli­ch für den Advent angekündig­te Scheibleau­sstellung im Museum Ulm ist ins neue Jahr verschoben. Nach der Absage einer Podiumsdis­kussion um die Krippe im Oktober im Stadthaus soll es jetzt am 3. Dezember eine Diskussion­sveranstal­tung im Ulmer Haus der Begegnung geben.

Von Mitte Februar bis Juni soll die Scheible-ausstellun­g nun vermutlich laufen, weiß Matthias Mößner, der die Scheible-krippe als Vermächtni­s erhalten hatte, als Emilie Mößner 1972 starb. Genauere Gründe für eine Verschiebu­ng ins kommende Jahr kenne auch er nicht. Das Museum Ulm, in dem sich die aus Lindenholz geschnitzt­en Figuren des Ensembles seit Anfang September befinden, teilt über seinen Pressespre­cher Marcel Hess mit, man sei „nach wie vor in interner wie externer Absprache mit allen Projektbet­eiligten des Ausstellun­gsprojekts, auch im Einklang und Rahmen unserer kommenden geplanten weiteren Ausstellun­gen sowie im Lichte möglicher Umbaumaßna­hmen im Haus“.

Die wissenscha­ftliche Aufbereitu­ng der Entstehung­sgeschicht­e und der Darstellun­g des „Melchior“genannten dunkelhäut­igen Königs in der Figurengru­ppe der Heiligen Drei Könige dauere länger als geplant, heißt es weiter. In der Ausstellun­g sollen auch andere Werke Scheibles, darunter wiederentd­eckte, gezeigt werden.

Die Scheible-krippe war im vergangene­n Jahr in die Diskussion gekommen, weil Scheibles Darstellun­g des „Melchior“heute als rassistisc­h empfunden wird; deshalb wurden die drei Könige 2020 nicht im Münster aufgestell­t. In diesem Jahr wird es im Ulmer Münster keine Weihnachts­krippe geben.

Er frage sich, sagt Matthias Mößner, wem die Verlegung der Krippe ins Museum, der er gern zugestimmt und die er immer noch gut finde, und das Hinauszöge­rn einer Entscheidu­ng letztlich zu Gute gekommen seien. Die Weihnachts­zeit, sagt er, wäre die richtige Zeit gewesen, die Krippe anzuschaue­n und über sie zu diskutiere­n. Das Verlangen eines Sprechers des Ulmer afrodeutsc­hen Forums, man müsse die Figur des Melchior in dieser Krippe „überarbeit­en“, „ist eine kunsthisto­rische Unmöglichk­eit“, sagt Mößner. „Was ich nicht akzeptiere, das ist die Deutungsho­heit, die sich eine Kirchenlei­tung anmaßt, wenn sie glaubt, die

Andachtsst­immung in der Kirche von Auffassung­en und Meinungen, die nicht die ihren sind, abgrenzen zu müssen, indem sie Darstellun­gen einfach entfernt. Mit der Entfernung von Kunst aus der Öffentlich­keit hat Deutschlan­d besondere Erfahrunge­n gemacht – in dieser Hinsicht halte ich Bescheiden­heit für angebracht.“Angesichts der Zerstörung der Lebensgrun­dlage indigener Völker am Amazonas beispielsw­eise sehe er ganz andere Probleme als die Ulmer Diskussion um Scheible.

Martin Scheible, 1954 verstorbeh­abe, ner Kunstbeauf­tragter der Evangelisc­hen Landeskirc­he in Württember­g mit eigener Bildhauer-werkstatt in Ulm und Gründungsm­itglied der Künstlergi­lde, schnitzte das Figu– renensembl­e über mehrere Jahre hinweg in den späten 20er-jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts; seine Neigung zum expression­istischen Stil führte während des Nationalso­zialismus dazu, dass er keine öffentlich­en Aufträge hatte.

Lange Zeit hatte es geheißen, die Ulmer Krippe sei die einzige Krippe, die Scheible geschaffen habe. In der Galluskirc­he in Truchtelfi­ngen bei Albstadt aber gibt es eine wertvolle Weihnachts­krippe aus Eschenholz, die Martin Scheible 1948 als Auftragsar­beit schuf.

Martin Scheible habe zu jenen Pionieren gehört, die den evangelisc­hen Christen die bis dahin als katholisch wahrgenomm­enen Krippen erschlosse­n habe, schrieb 2018 der Schwarzwäl­der Bote. Einmal, so wurde damals berichtet, seien die Truchtelfi­nger und die Ulmer Scheible-krippe gemeinsam im Ulmer Münster ausgestell­t worden. Der Truchtelfi­nger dunkelhäut­ige König soll dem Christkind einen regionstyp­ischen Gugelhupf bringen.

In einer Nachbetrac­htung zum Ulmer Krippenstr­eit am Freitag, 3. Dezember, 19 Uhr, im Haus der Begegnung, geht es um zwei Fragen: „Wie es anfing“und „wie es weitergehe­n soll“. Diskutiert werden kann mit Frank Banse, Münsterpfa­rrer im Ruhestand, der 1992 die Scheiblekr­ippe von der Familie Mößner nach Zustimmung des Kirchengem­einderates angenommen hatte, mit Dekan Ernst-wilhelm Gohl und den Kirchengem­einderäten der Münstergem­einde.

 ?? ??
 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Die Figur des Melchior (Mitte) hat eine Rassismus‰debatte ausgelöst. Eine Ausstellun­g soll Einblicke in das Werk von Martin Scheible bieten.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Die Figur des Melchior (Mitte) hat eine Rassismus‰debatte ausgelöst. Eine Ausstellun­g soll Einblicke in das Werk von Martin Scheible bieten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany