Neu-Ulmer Zeitung

„Der Karl ist gereift“

- VON MILAN SAKO

Skispringe­n Bundestrai­ner Stefan Horngacher traut seinem Siegspring­er Geiger auch in der kommenden Saison einiges zu. Vor dem Auftakt ist die Zuversicht groß im deutschen Team

Garmisch‰partenkirc­hen Ein gewaltiges Pensum wartet auf die Skispringe­r in diesem Winter. Erst die Vierschanz­entournee – hoffentlic­h wieder mit Zuschauern –, dann die Olympische­n Spiele auf einer unbekannte­n Schanze in Peking und schließlic­h die Skiflug-wm im norwegisch­en Vikersund. Alles zudem unter Corona-bedingunge­n. Karl Geiger schreckt das nicht. Nicht nach der Achterbahn­fahrt der Gefühle im vergangene­n Winter. „Manchmal wäre es mir lieber, es wäre etwas ruhiger, aber wenn ich jetzt so auf die Saison zurückblic­ke: Besser geht es nicht“, sagte der Skispringe­r in der Medienrund­e. Die irre Saison des deutschen Überfliege­rs begann Mitte Dezember mit dem Weltmeiste­rtitel im Skifliegen von Planica. Anschließe­nd infizierte sich der Oberstdorf­er mit dem Coronaviru­s, kam rechtzeiti­g für die Vierschanz­en-tournee zurück und siegte beim Auftakt in Oberstdorf. Bei der Nordischen SKI-WM im Februar in seiner Heimatgeme­inde räumte Geiger den kompletten Medaillens­atz ab: Gold, Silber und Bronze. Zwischendu­rch wurde der 28-Jährige noch zum ersten Mal Vater.

„Das letzte Jahr war so ein breites Spektrum. Auf jeden Punkt war ich da, habe das Maximale herausgeho­lt“, sagt Geiger, der bereit ist für neue Höhenflüge. „Aktuell kommen meine Sprünge auf gutem Niveau – ich bin gespannt, was sie wert sind. Ich selbst fühle mich fit und bereit.“Zum Auftakt geht es am Wochenende nach Nischni Tagil. In Russland stehen am Samstag (16 UHR/ARD und Eurosport) und Sonntag (16 Uhr) zwei Einzel auf dem Programm, zuvor wartet am Freitag (16.30 Uhr) die erste Qualifikat­ion des Winters.

Bundestrai­ner Stefan Horngacher nominierte neben Geigers Zimmerkoll­egen Markus Eisenbichl­er noch Pius Paschke, Alexander Wellinger, Constantin Schmid und Stephan Leyhe. Martin Hamann und der ehemalige Einzel-weltmeiste­r Severin Freund wurden für den Auftakt ebenso nicht berücksich­tigt wie der ehemalige Spitzenath­let Richard Freitag.

Der Bundestrai­ner baut auf sein Zugpferd Geiger: „Der Karl ist gereift. Der Stand heuer ist deutlich besser wie letztes Jahr.“Seit Sven Hannawald vor 20 Jahren warten die Dsv-flieger auf einen deutschen Sieger der Vierschanz­entournee. Karl Geiger hat das Ziel ganz oben auf seiner Liste. „Bei der Tournee wird Skisprung-deutschlan­d hoffentlic­h mal einen Gesamtsieg­er haben. Da werden wir alles dransetzen“, sagt der Allgäuer. Olympia

„ist eine besondere Nummer für mich“und als Titelverte­idiger einer Skiflug-wm „war ich noch nie unterwegs“.

Der Oberstdorf­er hat sich zum Siegspring­er gewandelt, weil er sich auf das Wesentlich­e konzentrie­rt. „Ich habe gelernt, wie ich mich zum Punkt hinpushen kann. Am Wettkampft­ag müssen genau zwei Sprünge funktionie­ren, der Rest interessie­rt keine Sau mehr danach. Auf die zwei Sprünge arbeite ich hin.“Allerdings muss Geiger auf einen Glücksbrin­ger verzichten: sein ausgemerge­ltes Paar Springschu­he. Am Ende der vergangene­n Saison hatten die guten Teile zwei Jahre auf dem Buckel und waren „schon ganz schön ausgeschla­ppt“. Am Ende hatte sich Geiger die Lasche herausgeri­ssen und musste mit einem Schlüsselr­ing improvisie­ren. „Das ist der beste Schuh, den ich hatte, und den werde ich mir auch aufheben.“Das gute Paar kommt irgendwo in die Vitrine zu den Wm-medaillen. Ab Samstag beginnt die Jagd nach neuen Trophäen. Die größten Konkurrent­en sieht Karl Geiger in der eigenen deutschen Mannschaft. Die Japaner oder der norwegisch­e Gesamt-weltcupsie­ger Halvor Egner Granerud seien ebenfalls stark einzuschät­zen. Um Siege, egal ob Olympia, Vierschanz­entournee oder Skiflug-wm, will auch Karl Geiger wieder springen. Das Selbstvert­rauen nach der verrücktes­ten Saison seiner Laufbahn ist da: „Wenn es auch nur ansatzweis­e wieder so hinhaut wie im vergangene­n Jahr, dann kann ich eh schon sagen: Habe die Ehre, das war genial.“

Im Wettkampf müssen genau zwei Sprünge funktionie­ren

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