Wo die Ampel wirklich um die Zukunft streitet
Leitartikel Olaf Scholz wird Kanzler, schon klar. Aber wie viel er gestalten kann, entscheidet der Finanzminister stark mit. Wird es am Ende Lindner oder Habeck?
dem Vetorecht des Finanzierungsvorbehalts, prägt mit, was der Kanzler überhaupt angehen kann. Vor allem aber geht es bei dem Duell im Grundsatz darum, wie Finanzpolitik im 21. Jahrhundert aussehen soll – und auch um die Frage, wer die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft bezahlen soll.
Habeck, dem noch immer fachliche Schnitzer etwa zur Pendlerpauschale nachhängen, büffelt seit Monaten Finanzpolitik. Er büffelt aber vor allem, was auch die Berater rund um den noch amtierenden Bundesfinanzminister Olaf Scholz lesen – und Einflüsterer von Uspräsident Joe Biden. Die sagen, die aktuellen Mini-zinsen seien eine ideale Gelegenheit zum Schuldenmachen. Sie wollen diese Phase nutzen, um a) massiv in staatliche Infrastruktur zu investieren und b) viel Geld für den Kampf gegen den Klimawandel zu mobilisieren.
Zwar sehen manche von ihnen die Gefahr, dass man das Ausgeben übertreibt und so die Inflation befördert. Aber Angst vor Schulden oder Geldentwertung, lange eine urdeutsche Eigenschaft, haben sie nicht – auch weil sie glauben, dass künftige Generationen den aktuellen Kampf ums Klima mitfinanzieren müssen. Von den Notenbanken wünschen sie sich weiter eine lockere Geldpolitik. Sie halten sich für sehr modern und Kritiker oft für vorsintflutlich verstaubt.
Lindner steht ziemlich genau im anderen Lager, in dem auch konservativere Ökonomen oder Nochbundesbankpräsident
Jens Weidmann zu finden sind. Diese leugnen zwar nicht die Notwendigkeit von Klimaschutz und Investitionen dafür, aber ihnen ist die moralische Intonierung unheimlich. „Gegen das Argument vom drohenden Weltuntergang verblasst jeder Einwand zur Unabhängigkeit der Notenbanken oder die Schuldenbremse“, klagen sie. Auch beim Klimaschutz müsse aber die Frage erlaubt sein, welche Investitionen wirklich lohnten – und ob staatliche Mittel überhaupt sinnvoll abgerufen werden könnten. Sie hinterfragen die Risiken der expansiven Geldpolitik und massiver Staatsausgaben – und fürchten, dass immer neue Rechtfertigungen dafür gesucht werden, nach Corona und Klima etwa für den Artenschutz. Und sie sehen sich keineswegs als altmodisch, sondern als regeltreu.
Wie dieser Kampf ausgeht, wird nicht nur Deutschland auf Jahre prägen, sondern auch Europa. Denn damit einher geht die Frage, welche Schuldendisziplin dort von einem deutschen Finanzminister eingefordert werden wird. Fachleute verfolgen ihn gebannt, aber mit einer großen Sorge: dass nämlich am Ende weder die Sorge um Stabilität noch um die Zukunft entscheiden könnte, sondern politische Feigheit. An eine große Rentenreform traut sich nämlich wohl auch die Ampelkoalition nicht. Der Staatszuschuss, rund 100 Milliarden Euro pro Jahr, wird weiter steigen. Das begrenzt massiv den Spielraum für die Zukunftsgestaltung – egal, wer Finanzminister wird.
An die Rente traut sich keiner ran