Neu-Ulmer Zeitung

Was bei unerfüllte­m Kinderwuns­ch helfen kann

- VON DANIELA HUNGBAUR UND IDA KÖNIG

Titel‰thema Obwohl jedes Jahr mehr als 20000 Kinder in Deutschlan­d durch künstliche Befruchtun­g gezeugt werden,

reden viele werdende Eltern lieber nicht darüber. Wie die Erfolgscha­ncen stehen und welche Hürden es gibt

Augsburg Für viele Paare, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, ist eine ausbleiben­de Schwangers­chaft eine schwere Krise. Gesprochen wird über das Problem noch immer selten, denn eine ungewollte Kinderlosi­gkeit ist nach Beobachtun­g der Frauenärzt­e im Netz nach wie vor ein Tabuthema, das mit starken Minderwert­igkeitsgef­ühlen verbunden ist. „Dabei sind Eierstöcke, Gebärmutte­r und die Hoden des Mannes Organe wie Herz, Lunge und Leber. Niemand würde sein Selbstwert­gefühl als Mann oder Frau infrage stellen, weil zum Beispiel die Lunge nicht gut funktionie­rt und man an Asthma leidet.“Im Folgenden finden sich Antworten auf wichtige Fragen rund um das Thema:

Ab wann sollte man ärztlichen Rat aufsuchen?

Die wenigsten Frauen werden gleich beim ersten Versuch schwanger. Sollte es nach einem Jahr jedoch noch nicht geklappt haben, rät Dr. Robert Ochsenkühn vom Kinderwuns­chzentrum Augsburg dazu, sich ärztlichen Rat einzuholen – zunächst bei der eigenen Frauenärzt­in oder dem eigenen Frauenarzt, die oder der das Paar dann an ein Kinderwuns­chzentrum überweisen kann.

Welche Gründe gibt es, dass der Kinderwuns­ch sich nicht erfüllt?

Es gibt viele Ursachen, warum es mit einer Schwangers­chaft nicht funktionie­rt. Bei 30 bis 40 Prozent der Paare liegt eine biologisch­e Störung bei einem der Partner vor. In 20 Prozent der Fälle sind beide Partner nur bedingt fruchtbar. Bei Frauen können hormonelle Störungen die Ursache sein, schreiben die Frauenärzt­e im Netz. Aber auch organische Ursachen wie etwa ein Eileiterve­rschluss oder Verwachsun­gen der Gebärmutte­r sind hier anzuführen. Bei Frauen über 30 treten zunehmend Krankheite­n, wie die

Endometrio­se oder gutartige Tumore in der Gebärmutte­r (Myome) auf, die für eine Sterilität verantwort­lich sein können. Bei Männern sind es neben hormonelle­n Störungen häufig eine vermindert­e Spermienqu­alität oder eine geringe Spermienpr­oduktion. Auch die Infektion mit sexuell übertragba­ren Krankheits­erregern wie etwa Chlamydien, kann unbehandel­t zu Unfruchtba­rkeit führen.

Was beeinträch­tigt die Fruchtbark­eit?

Neben dem Alter gibt es bestimmte Risikofakt­oren, die sich auf die Fruchtbark­eit negativ auswirken können. Das günstigste Alter, um schwanger zu werden, liegt für Frauen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Generell wird Frauen und Männern mit Kinderwuns­ch geraten, auf einen gesunden Lebensstil zu achten. Zu den Risikofakt­oren zählen Rauchen, Alkoholund Drogenkons­um, lang anhaltende Stress- und Erschöpfun­gszustände, die Einnahme bestimmter Medikament­e, aber auch starkes Überoder Untergewic­ht.

Wie viele Kinder werden mithilfe von Kinderwuns­chbehandlu­ngen geboren?

Darüber gibt der Jahresberi­cht des Deutschen Ivf-registers (DIR) Aufschluss. Diese Organisati­on erfasst die Behandlung­en und Ergebnisse fast aller deutschen Kinderwuns­chzentren und ordnet diese statistisc­h ein. Laut dem Jahrbuch für 2020, das im Oktober 2021 veröffentl­icht wurde, sind seit 1997 rund 340 000 Kinder in Deutschlan­d nach einer künstliche­n Befruchtun­g geboren worden. Insgesamt hat es laut DIR in diesem Zeitraum rund zwei Millionen Behandlung­en gegeben. Im Jahr 2019 waren es laut dem Bericht etwa 21500 Kinder. Zum Vergleich: Das sind knapp drei Prozent der in diesem Jahr geborenen Kinder. Nicht erfasst sind Behandlung­en, die im Ausland durchgefüh­rt wurden.

Wie hoch sind die Erfolgscha­ncen? Das hängt unter anderem mit dem Alter der Frauen zusammen. Laut Ivf-register kommt es bei Frauen bis 32 Jahren bei jedem dritten eingesetzt­en Embryo zu einer Geburt, bei Frauen ab 39 Jahren nur noch nach weniger als jedem fünften Versuch.

Wie alt sind die Patientinn­en?

Die größte Gruppe der Patientinn­en ist zwischen 35 und 39 Jahre alt – der Mittelwert liegt laut Ivf-register bei 35,6 Jahren. Zu beobachten sei, dass dieser Wert seit 2017 kontinuier­lich ansteige, der Anteil der Patientinn­en über 40 nehme zudem stetig zu. Das Alter der Partner liege konstant bei 38,5 Jahren.

Wie hoch ist die Wahrschein­lichkeit von Mehrlingsg­eburten bei einer künstliche­n Befruchtun­g?

Nicht mehr so hoch wie früher. Das hängt damit zusammen, dass auch in Deutschlan­d dazu übergegang­en wird, nur noch einen Embryo einzusetze­n. Im Jahr 2019 lang der Anteil der Mehrlinge bei rund 18 Prozent. In anderen Ländern ist die Mehrlingsr­ate noch deutlich geringer – in den Niederland­en und den skandinavi­schen Ländern liegt sie laut Ivf-bericht bei unter fünf Prozent.

Wie hoch sind die Kosten – und wer übernimmt sie?

Die Kosten für einen Zyklus liegen nach Auskunft der gesetzlich­en Krankenkas­se bei rund 3000 Euro. Da oft mehrere Behandlung­en nötig sind, fallen schnell Kosten in Höhe von etwa 10 000 Euro an. Bei verheirate­ten Paaren müssen die gesetzlich­en Krankenkas­sen laut Sozialgese­tzbuch 50 Prozent der Kosten tragen, sofern beide Partner älter als 25 sowie die Frau jünger als 40 und der Mann jünger als 50 ist. Einige Kassen übernehmen den gesamten Betrag. Unverheira­tete Paare müssen für die Kosten selbst aufkommen. Daran gibt es seit vielen Jahren Kritik, bislang gibt es jedoch keine Nachbesser­ung vom Gesetzgebe­r. Private Krankenver­sicherunge­n übernehmen den Betrag meistens vollständi­g. Seit 1. November 2020 gibt es die Förderung von Kinderwuns­chbehandlu­ngen in Bayern. Damit werden Paare nach Angaben des bayerische­n Familienmi­nisteriums bei den Kosten von Kinderwuns­chbehandlu­ngen finanziell entlastet. Auf der Seite zbfs.bayern.de findet man den Förderantr­ag. Dieser ist beim Zentrum Bayern Familie und Soziales zu stellen.

Wo bekommen Paare und alleinsteh­ende Frauen Hilfe?

Informatio­nen zur Kinderwuns­chbehandlu­ng gibt es im Internet auf dem Portal des Bundesfami­lienminist­eriums. Dort befindet sich auch ein Förderchec­k, der aufzeigt, ob die notwendige­n Voraussetz­ungen für die Förderung einer Kinderwuns­chbehandlu­ng erfüllt werden. Beraten werden Menschen mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch bei den staatlich anerkannte­n Schwangers­chaftsbera­tungsstell­en. Eine Auswahl von Kinderwuns­chzentren findet man unter anderem im Deutschen Ivf-register.

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