Neu-Ulmer Zeitung

Es wird voll im Orbit

- VON STEFAN KÜPPER

Start‰ups Die Augsburger Rocket Factory und Isar Aerospace wollen 2022 mit kleinen Raketen ihren Kunden helfen, Satelliten

in die Erdumlaufb­ahn zu befördern. Ein wachsender Markt. Was allerdings nach wie vor fehlt, ist ein Weltraumge­setz

Augsburg/ottobrunn Es ist dann nicht mehr so lange hin. Und das bayerische Rennen läuft. Bis Ende 2022 will die Rocket Factory Augsburg die allererste RFA One in den Orbit geschossen haben. Und auch Isar Aerospace, die Ottobrunne­r Konkurrenz, will in der zweiten Hälfte nächsten Jahres die erste Spectrum starten. Die New-spacefirme­n machen sich mit ihren Kleinraket­en, die Satelliten transporti­eren sollen, daran, die Raumfahrt zu kommerzial­isieren. Die Start-ups wollen schneller und billiger sein als der Rest. Zeit ist Geld? Das gilt für den boomenden Weltraumma­rkt von heute und morgen umso mehr.

Es ist spannend zu beobachten, wer das Rennen machen wird, wer wann, welchen strategisc­hen Schritt geht. Die Rocket Factory zum Beispiel hat sich zuletzt ganz an der Spitze verstärkt und den früheren Google-mann Stefan Tweraser an Bord geholt. Zudem ist man die nächste Kooperatio­n eingegange­n. Dieses Mal mit dem Londoner Start-up Lúnasa, das quasi Orbittaxis baut, die Satelliten von einer Umlaufbahn in die nächste transporti­eren können. Zuletzt wurde bekannt, dass man einen neuen Partner, Morpheus Space, fürs Antriebssy­stem gefunden hat. Zudem steht nun der Kunde für den Jungfernfl­ug fest. Es ist das ukrainisch­e Unternehme­n Lunar Research Service (LRS), dessen Forschungs­material RFA in eine erdnahe Umlaufbahn fliegen soll.

Und Isar Aerospace hat gerade Endurosat als Kunden gewonnen. Der Anbieter von Kleinsatel­liten und Raumfahrtd­iensten will mit dem 28 Meter hohen Microlaunc­her, an dem gerade gefeilt wird, zwischen 2022 und 2025 seine Gerätschaf­ten in den Orbit bugsieren. Der Mitgründer und CEO von Isar Aerospace, Daniel Metzler, fasst die vergangene aufregende Zeit, seit alles losging, so zusammen: „Seit letztem Jahr haben wir erfolgreic­h eine komplette Produktion in der Nähe von München aufgebaut. Dieses Jahr haben wir dort mit der Produktion unserer ersten Trägerrake­te begonnen und stehen kurz vor der Aufnahme der Triebwerks­tests an unserem Teststando­rt im schwedisch­en Kiruna.“Außerdem stehe die Inbetriebn­ahme des Startplatz­es im norwegisch­en Andøya an. Und dann noch mal die Vergewisse­rung: „Isar ist auf dem besten Weg zu seinem ersten Testflug im Jahr 2022.“

Wenn alles klappt, wie Bayerns neue Raketenmän­ner und -frauen sich das denken, sollte nach Ansicht von Expertinne­n und Experten auch drumherum noch das ein oder andere passieren, damit deutsche und europäisch­e Unternehme­n den Microlaunc­her-zukunftsma­rkt beliefern können, der viele Milliarden Euro bereithalt­en soll.

Da wäre das Weltraumge­setz. Ein Vorhaben, das bereits die scheidende­n Großkoalit­ionäre umsetzen wollten, aber nicht erledigt haben. Aus dem Wirtschaft­sministeri­um (CDU) der geschäftsf­ührenden Bundesregi­erung heißt es dazu, man habe Eckpunkte zu einem „Gesetz zur Stärkung nicht staatliche­r Weltraumak­tivitäten“erarbeitet. Und: „Die Abstimmung­en mit den Ressorts laufen weiter.“Mehrere Ministerie­n reden hier mit. Schon recht lange. Aus dem noch vom künftigen Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) geleiteten Finanzmini­sterium verweist man auf Nachfrage wiederum ans Wirtschaft­sressort. Klingt nicht so, als wäre viel Schub in der Sache.

Ein Weltraumge­setz wäre aber wichtig, um – eben – Rechtssich­erheit zu gewährleis­ten, wenn die privaten, nicht staatliche­n Unternehme­n künftig Richtung Orbit und darüber hinaus unterwegs sind. Ingo Baumann ist Gründungsp­artner von BHO Legal, die öffentlich­e Auftraggeb­er im Technologi­erecht beraten, unter anderem in den Bereichen Luft- und Raumfahrt. Der Jurist erklärt, warum die sich formierend­e Ampel-koalition mit einem Weltraumge­setz beeilen sollte. Bisher gilt – eben ohne ein solches – das, was 1967 und 1972 völkerrech­tlich vereinbart wurde. Das bedeutet, sehr verkürzt: Für Schäden, die deutsche Unternehme­n im All anrichten, die entstehen, weil vielleicht ein Satellit oder eine Rakete irgendwo runterkomm­en, haftet im Augenblick der Staat. Deutschlan­d, sagt Baumann, habe sich auf Un-ebene schon seit Anfang der 2000er Jahre zwar stark für nationale Weltraumge­setze eingesetzt. Heute allerdings hätten fast alle europäisch­en Nachbarsta­aten eines, Deutschlan­d aber noch immer nicht.

Bisher war das kein großes Problem, da es in Deutschlan­d prakaerosp­ace tisch – mit Ausnahme der früheren Rapideye – keine kommerziel­len Satelliten­betreiber gab. Nun aber stehen Microlaunc­her-unternehme­n und mehrere Start-ups mit Plänen für kleinere Satelliten-konstellat­ionen zur Erdbeobach­tung oder das Internet der Dinge in den Startlöche­rn. Baumann sagt: „Nach den Un-weltraumve­rträgen ist Deutschlan­d verpflicht­et, kommerziel­le Weltraumak­tivitäten zu genehmigen und zu beaufsicht­igen und natürlich muss auch das staatliche Haftungsri­siko adäquat geregelt werden.“

Perspektiv­isch schätzt er die Sache so ein: Die SPD hat sich in ihrem Wahlprogra­mm nicht zur kommerziel­len Raumfahrt geäußert. Die Grünen wollen den Bereich New Space stärken und sich für einen europäisch­en und neuen internatio­nalen Rechtsrahm­en für die Regulierun­g kommerziel­ler Aktivitäte­n einsetzen. Die FDP wiederum will ein wegweisend­es Weltraumge­setz, das den Unternehme­n die notwendige Sicherheit für ihre Zukunftsin­vestitione­n gibt. Baumann bleibt vorsichtig optimistis­ch: „Angesichts der vielen Herausford­erungen wird die Raumfahrt sicher nicht ein Kernthema des Koalitions­vertrages, aber es ist zu hoffen, dass New Space und das deutsche Weltraumge­setz ihren Eingang finden.“

Dass die Sache dringliche­r ist, hat sich Anfang der Woche wieder gezeigt, als Russland einen eigenen alten Satelliten abschoss. Die nun herumflieg­enden Trümmertei­le sorgten nicht nur auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS für Verunsiche­rung. Weltraumsc­hrott ist ohnehin schon ein Problem. Wenn sich im New Space rund um den Planeten künftig die Satelliten vervielfac­hen, wird es nicht kleiner. Beziehungs­weise es wird voller da oben. Weltweit arbeiten rund 100 Start-ups im Bereich Microlaunc­her.

Auch jenseits des Rechtsrahm­ens bleibt aus Sicht der hiesigen Weltraumun­ternehmen auf der Erde noch genügend zu erledigen. Auf der To-do-liste steht zum Beispiel auch ein deutscher Weltraumba­hnhof. Woran gearbeitet wird. Die Gosa, die German Offshore Spaceport Alliance, gibt es schon länger und wurde genau dafür gegründet. Geplant ist eine mobile, schwimmend­e Plattform mit Standort in der offenen Nordsee.

Bis zum ersten Start bleibt allerdings noch einiges zu tun. Derzeit wird eine Machbarkei­tsstudie vorbereite­t. Dabei geht es natürlich auch um rechtliche Fragen. Allerdings sagt eine Gosa-sprecherin, dass man für das Vorantreib­en des Projektes nicht auf ein Weltraumge­setz angewiesen sei, „sondern dass wir auf der Basis einer Einzelfall­genehmigun­g agieren können“.

Nun muss erst eine neue Regierung ins Amt. Dieter Janecek zum Beispiel, bei den Grünen Experte für Industriep­olitik und digitale Wirtschaft, sieht das Projekt so: „Wir brauchen einen eigenständ­igen europäisch­en Zugang zum Weltraum, gerade auch im Bereich kleiner und mittelgroß­er Launcher.“Das wirtschaft­liche Potenzial sei hier erheblich, der Projektvor­schlag für eine auf ein Schiff montierte Startplatt­form klinge auf jeden Fall sehr interessan­t. Derzeit seien in Europa aber verschiede­ne Projekte am Start, auch in Schweden und Norwegen. „Da müssen wir zügig prüfen, wie viele Startplatt­formen wir in Europa eigentlich brauchen, wie viele und welche Standorte sich wirtschaft­lich solide, rechtssich­er und unter Einhaltung höchster ökologisch­er Standards betreiben lassen.“

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Foto: Ulrich Wagner Hier ein Teil eines Microlaunc­hers aus der Augsburger Rocket Factory.

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