Umstrittene Premiere in Katar
Formel 1 Exakt ein Jahr vor der Fußball-wm macht der Rennzirkus erstmals Station in dem Wüstenstaat.
Die Menschenrechtslage ist vor Ort ein Thema, doch bei der Wahl der Rennorte geht es dem Verband um eines: Geld
Losail Zimperlich bei der Wahl ihrer Rennorte war die Formel 1 noch nie. Wer dem früheren Formel1-boss Bernie Ecclestone ausreichend Millionen überwies, durfte den Rennzirkus zu sich einladen. Ecclestone entwickelte seine Rennserie zu einem weltumspannenden Spektakel. Auf lästige Nebengeräusche wie Menschenrechte, politische Verhältnisse oder Arbeitsbedingungen nahm der ehemalige Gebrauchtwagenhändler keine Rücksicht. Die neuen Besitzer haben zwar einige alte Zöpfe nach der Übernahme abgeschnitten, aber auch Liberty Media verkauft sein Produkt meistbietend. Schließlich wollen die sündteuren Rennställe mit ihrem gigantischen Entwicklungs- und Einsatzapparat finanziert werden. Der Motorsport-weltverband Fia mit Jean Todt an der Spitze verabschiedet zwar final den Rennkalender, aber bisher hat man in der Verbandszentrale in Paris noch nie Nein gesagt. Katar steht seit vielen Jahren wegen Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung der Arbeiter am Pranger. Mit Sportveranstaltungen der Topkategorie rückt der Wüstenstaat immer wieder in den medialen Fokus. Mit dem sogenannten „Sportwashing“will sich der Wüstenstaat international Renommee verschaffen. Die Handball-wm machte bereits dort Station, auch der Weltcup der Schwimmer.
Am Wochenende bezieht nun also die Formel 1 die Garagen am Losail International Circuit. Die Motorrad-piloten kennen die Piste mitten in der Wüste bereits, nun drehen auch die Einsitzer ihre Runden. Auf den Tag exakt ein Jahr vor dem
Start der Fußball-weltmeisterschaft 2022 steigt am Sonntag (15 Uhr/live in Sky) das erste Rennen. Losail springt für das abgesagte Rennen in Australien ein.
Wenn der große Fußball 2022 kommt, pausieren die Renner, doch ab 2023 läuft der Vertrag für zehn Jahre. Geschätzte 50 Millionen Dollar lässt sich der Wüstenstaat einen Lauf kosten. So hoch ist die Antrittsprämie der Teams. Betreiber wie etwa der Nürburgring in der Eifel oder Hockenheim sind nicht mehr bereit, so viel Geld zu zahlen, weil sie die Summe mit dem Verkauf von Eintrittskarten oder Sponsoring nicht refinanzieren können. Seit Jahren steht Katar, das kleine Land auf einer Halbinsel am Persischen Golf, aufgrund der Missachtung von Menschenrechten, der Ausbeutung von Arbeitsmigranten oder der Unterdrückung der freien Meinung in der Kritik. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte sich gewünscht, dass die Fahrer und Teams im Vorfeld die Probleme ansprechen, auch wenn die Zeit mit mehr als 1000 Toten auf den Baustellen der Hauptstadt längst vorbei ist.
Die Regierung des Landes wies Kritik wiederholt zurück und beruft sich auf die umgesetzten Reformen für die Arbeiter. In den vergangenen zehn Jahren habe man mehr als jedes andere Land getan, um die Bedingungen für ausländische Arbeiter zu verbessern, hieß es. „Sie machen hier Schritte nach vorne, das wird sich auch nicht über Nacht verbessern. Es gibt immer noch einen langen Weg zu gehen“, sagte Mercedes-pilot Lewis Hamilton: „Ich versuche, meine Stimme zu erheben, aber es gibt weitaus intelligentere Leute, die sich mit diesen Themen auskennen und versuchen, sie im Hintergrund zu bekämpfen.“
Sebastian Vettel vermied klare
Kritik: „Es ist mehr eine Frage für die ganze Formel 1 und nicht nur für mich als Einzelnen.“Deutlicher wird Hamilton. „Diese Orte müssen genau im Blick behalten werden. Gleichberechtigung ist ein ernstes Thema. Da der Sport an diese Orte geht, ist er verpflichtet, das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen“, sagte der 36 Jahre alte Mercedes-pilot, vermied aber ebenso wie alle seine Fahrer-kollegen direkte Kritik an Katar.
Einerseits kämpft die Formel 1 mit ihrer Kampagne #Weraceasone gegen Rassismus und für Diversität. Mit der Streckenauswahl passt die Kampagne jedoch nicht zusammen. Die Piloten sind aber die Letzten, die für den Rennkalender verantwortlich sind. Die Fahrer stecken
Die Fahrer stecken in einer Zwickmühle
in der Zwickmühle, können aufgrund ihrer Verträge keinen Grand Prix boykottieren. „Alle sind sich über diese Dinge mit den Menschenrechten bewusst“, sagte Williamsfahrer George Russell: „Ich muss aber darauf vertrauen, dass uns die Fia an Orte bringt, an denen es auch angebracht ist, zu fahren.“In zwei Wochen startet die Formel 1 in Saudi-arabien. Dem saudischen Königreich wird vorgeworfen, Frauen, politische Gegner und religiöse Minderheiten zu unterdrücken. Die Formel 1 sieht die Arabische Halbinsel jedoch als lukrativen Markt. Nach den Stopps in Katar und Saudi-arabien steigt das Saisonfinale in der Glitzerwelt Abu Dhabis. Die kommende Saison beginnt in Bahrain und Saudi-arabien.