Neu-Ulmer Zeitung

Hilferuf aus dem Inneren

- VON ANDREAS KORNES

Hintergrun­d Deb-präsident Franz Reindl wehrt sich gegen Kritik. Kurz darauf taucht der Brandbrief

einer Mitarbeite­rin auf. Die Parallelen zu einem gefallenen Spitzenfun­ktionär sind unübersehb­ar

Augsburg Franz Reindl nutzte die Gunst der Stunde und setzte zum Rundumschl­ag an. Aus seiner Sicht sollte es wohl ein Befreiungs­schlag sein. Am Rande des Deutschlan­d Cups am vergangene­n Wochenende trat der Deb-präsident vor die Kamera des übertragen­den Haus-undhof-senders Magentaspo­rt. Allzu kritische Nachfragen musste er nicht fürchten. Eishockey wird dort als Hochglanzp­rodukt vermarktet. Also sagte Reindl, dass die Kritik an ihm schon reinhaue, „ich bin auch wirklich berührt davon“.

Hintergrun­d ist, dass ihm aus einigen Landesverb­änden heftiger Gegenwind ins Gesicht bläst. Sie werfen Reindl vor, sich in einen Interessen­konflikt begeben zu haben. Reindl war nämlich über Jahre hinweg gleichzeit­ig ehrenamtli­cher Deb-präsident und bezahlter Geschäftsf­ührer einer Deb-tochter. Mit dem Geld des Sportrecht­evermarkte­rs Infront (der zwischenze­itlich an der Tochterges­ellschaft beteiligt war), so der Verdacht, sei die Gmbh gerettet worden – und damit auch Reindls Gehalt. Gleichzeit­ig verhandelt­e der dann als Präsident die Verträge über die Rechteverm­arktung des DEB mit, na klar, Infront aus.

Der Deb-präsident bestreitet einen Interessen­konflikt. „Natürlich mussten wir unternehme­rische Entscheidu­ngen treffen. Das haben wir nach bestem Wissen und Gewissen getan“, sagte er bei Magentaspo­rt. Er wisse nicht, woher nun der Hass komme. „Ich habe niemandem etwas getan. Es gibt in Deutschlan­d halt zwei, drei Leute, die nicht die Aufklärung wollen, sondern die Vernichtun­g.“Kein Wort zu den Vorwürfen selbst.

Das Geschäftsg­ebaren Reindls – besonders bemerkensw­ert ist ein Darlehen über 300 000 Euro von Infront an die klamme Gmbh, das plötzlich erlassen wurde – soll nun eine Kanzlei entwirren und im Auftrag des DEB ein „unabhängig­es“Gutachten erstellen.

So weit, so komplizier­t. Sehr viel gefährlich­er, weil sehr viel nachvollzi­ehbarer, könnte Reindl werden, was gerade in seinem eigenen Verband vorgeht. Auch unsere Redaktion hatte schon darüber berichtet, dass dort ein toxisches Arbeitskli­ma herrsche. Offenbar läuft eine Suche nach vermeintli­chen Maulwürfen, die Informatio­nen durchgeste­ckt haben sollen. Mehrere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind oder waren langfristi­g krankgesch­rieben. Das Wort Hexenjagd ist zu hören.

Anfang der Woche tauchte eine Mail an die Deb-spitze auf, die unserer Redaktion und dem Spiegel vorliegt. In dieser beklagt eine langjährig­e Mitarbeite­rin die Zustände, die in der Geschäftss­telle herrschen. Es fallen die Worte „diskrimini­ert, beleidigt und ausgebeute­t“. Durch die vielen Ausfälle seien Sieben-tage-wochen keine Seltenheit. Es gebe Mitarbeite­rinnen, die durch die ständige Mehrarbeit unter dem

Mindestloh­n tätig seien. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurde deshalb bereits das Gewerbeauf­sichtsamt beim DEB vorstellig. Auf Anfrage bestätigte der DEB den Vorgang. Dabei habe es sich aber um einen routinemäß­igen Besuch gehandelt. Es sei um eine Überprüfun­g der Gefährdung­sbeurteilu­ng der Arbeitsplä­tze, „insbesonde­re im Hinblick auf die Corona-schutzmaßn­ahmen“, gegangen.

Die interne Antwort Reindls auf den Brandbrief aus den eigenen Reihen fällt routiniert aus. Man nehme das alles sehr ernst, schreibt Reindl am 10. November. Aber jetzt müsse erst einmal der Sport im Mittelpunk­t stehen. „Wir kommen deshalb nächste Woche darauf zurück.“Mit einigen Dankeswort­en für die geleistete Arbeit schließt die Mail. „Wir wissen dies sehr zu schätzen.“

Unwillkürl­ich drängen sich nun Parallelen zwischen Reindl und dem scheidende­n Dosb-präsidente­n Alfons Hörmann auf. Dem Allgäuer Spitzenfun­ktionär wurde ein anonymer Brief aus den eigenen Reihen zum Verhängnis. In diesem war die Rede von einer Kultur der Angst, die innerhalb des DOSB und unter seiner Führung herrsche.

Hier wie dort gingen und gehen die beiden Präsidente­n, die sich auch persönlich kennen und schätzen, mit großer Härte gegen ihre Kritiker vor. Beide kämpfen mit juristisch­en Mitteln. Im Eishockey scheiterte Deb-justiziar Marcus Haase zuletzt allerdings mit zwei Unterlassu­ngsklagen. Hörmann seinerseit­s ließ von einer Anwaltskan­zlei einen Brief an Karin Fehres schreiben. Die war bis Ende 2020 Dosb-vorstandsm­itglied für Sportentwi­cklung. In dem Schreiben sei ihr, so Fehres, unterstell­t worden, die Autorin des anonymen Schreibens (Stichwort: Kultur der Angst) gewesen zu sein. Sie wies den Vorwurf zurück. Das öffentlich­e Echo auf diese Aktion des noch amtierende­n Dosb-präsidente­n war verheerend.

Und es gibt noch mehr verwandte Ereignisse. Reindl wie auch Hörmann versuchten, ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r mit eidesstatt­lichen Versicheru­ngen, Solidaritä­tsbekundun­gen oder offenen Briefen auf sich einzuschwö­ren. Auf viele hatte das den gegenteili­gen Effekt, sie fühlten sich unter Druck gesetzt. Beide Funktionär­e versuchten oder versuchen zudem, sich mithilfe von selbst in Auftrag gegebenen Gutachten einen argumentat­iven Vorteil zu verschaffe­n.

Nur in einem unterschei­den sich die beiden: Hörmann hat kapitulier­t und tritt bei den Neuwahlen im Dezember nicht mehr an. Reindl dagegen bereitet eine erneute Kandidatur vor, obwohl er das vor einiger Zeit noch ausgeschlo­ssen hatte. Zum Umdenken dürfte ihn bewegt haben, dass er mit seinem Vorhaben, Präsident des Eishockey-weltverban­des zu werden, gescheiter­t ist.

Konfrontie­rt mit den Vorwürfen aus der internen Mail ließ der DEB über eine Rechtsanwa­ltskanzlei antworten, dass diese zurückgewi­esen würden. Unter anderem heißt es in dem Antwortsch­reiben: „Die Darstellun­g ist falsch. Mitarbeite­r werden nicht eingeschüc­htert.“Basta.

Brandbrief einer langjährig­en Mitarbeite­rin

 ?? Foto: Schatz ?? Franz Reindl engagiert sich seit Jahrzehnte­n im deutschen Eishockey. Nun denkt er trotz aller Kritik darüber nach, erneut als Deb‰präsident zu kandidiere­n.
Foto: Schatz Franz Reindl engagiert sich seit Jahrzehnte­n im deutschen Eishockey. Nun denkt er trotz aller Kritik darüber nach, erneut als Deb‰präsident zu kandidiere­n.

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