Neu-Ulmer Zeitung

Ulm will mehr Geld ausgeben und dennoch sparen

- VON SEBASTIAN MAYR

Finanzen Ulm plant einen Spagat: Mehr Investitio­nen, aber weniger Ausgaben im laufenden Betrieb.

Wie das gelingen soll, wo es Ärger gibt und wie ernst die Lage ist

Ulm Was für ein Spagat: Wieder einmal sieht der Ulmer Haushaltse­ntwurf für das Jahr 2022 ein paar Superlativ­e vor. Wieder steckt mehr Geld drin, wieder wird mehr Personal eingestell­t, wieder sind mehr Investitio­nen geplant. Doch gleichzeit­ig soll im laufenden Betrieb gespart werden, fast drei Millionen Euro sind vorgesehen. Sie kommen aus einer Reihe von Einzelpost­en, die Autofahrer, Schüler und Eltern am stärksten betreffen.

Das Jahr 2022 soll Ulm den Entwurf zufolge mit einem Defizit von elf Millionen Euro abschließe­n. Finanzbürg­ermeister Martin Bendel hat dem Haushaltse­ntwurf den Namen „Fit for Future“gegeben und die Zahlen sagen: 2022 wird ein Schlüsselj­ahr fürs Fitwerden. Fünf Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb soll die Stadt in den beiden kommenden Jahren einsparen, das hat der Gemeindera­t beschlosse­n. 2022 steht der größere Teil an. Und 2022 ist der Unterschie­d zwischen dem operativen Ergebnis und dem Finanzbeda­rf für große Ausgaben besonders groß. Beispielsw­eise stehen dann die Sanierung der Listschule, von Straßen und von Brücken sowie der Neubau des Theater-anbaus, von Kindergärt­en und von Wohnungen an.

Ob das alles so kommt, ist offen. Erstens weil über den Entwurf noch diskutiert wird – der Finanzplan für 2022 könnte sich noch verändern. Zweitens, weil nicht alle Dinge vorhersehb­ar sind. Für 2021 hatte Bendel schon mit einem Defizit gerechnet. Dank unerwartet hoher Steuereinn­ahmen kommt nun doch ein positives Ergebnis heraus. Es kann aber auch schlechter laufen, zum Beispiel angesichts der teils maroden Brücken. Um die 80 Prüfungen stehen 2021 und 2022 an. Wenn dabei böse Überraschu­ngen herauskomm­en, drohen unter Umständen teure Sofortmaßn­ahmen. Unangenehm­e Überraschu­ngen gibt es auch jetzt schon, zuletzt etwa beim Citybahnho­f und bei der Linie 2. Insgesamt 18 Millionen Euro zusätzlich sind jüngst für die beiden Verkehrsvo­rhaben angefallen.

Zurück zu möglichen neuen Preissteig­erungen: Alles im Millionenb­ereich hätte Auswirkung­en auf den Haushalt, sagt Bendel. Zum Beispiel, dass andere Projekte aufgeschob­en werden müssen. Doch das droht sowieso. Die Stadt und ihre Tochterges­ellschafte­n wollen 2022 eine Drittel Milliarde Euro investiere­n. „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, sagt der Finanzbürg­ermeister am Donnerstag­nachmittag im Gemeindera­t. Erfahrunge­n zeigten zuletzt allerdings, dass 20 bis 25 Prozent davon nicht umgesetzt werden können. Bendel spricht vor der Sitzung angesichts immer neuer Pläne und bestehende­r Vorhaben von einem „Verschiebe­bahnhof“.

Eine Botschaft ist dem Finanzbürg­ermeister wichtig: Der Haushalt sei trotz der Sparmaßnah­men kein Sparhausha­lt. Auch wenn an etlichen Stellen weniger ausgegeben wird als früher, müsse man den Teufel nicht an die Wand malen. Die Zeiten seien nicht hart, man müsse sich bloß für die Zukunft rüsten. Überall werde etwas eingespart, aber kein Bereich müsse überdurchs­chnittlich leiden. So gibt es mit dem Theater-anbau und dem Jahnsportp­ark auch in der Kultur und im Sport große Ausgaben.

Ein Teil der Ausgaben stammt aus Sparbücher­n, die in finanziell besseren Zeiten angelegt wurden. Zudem soll die Stadt dem Entwurf zufolge 15 Millionen Euro neue Schulden 2022 aufnehmen, um die Investitio­nen zu stemmen. Sie liegen mit 128 Millionen Euro auf einem Rekordhoch. Der Schuldenst­and läge Ende 2022 dann bei 110 Millionen Euro.

Die Spd-fraktion rechnet damit, dass die großen Sanierungs­ausgaben eine größere Neuverschu­ldung notwendig machen. Bendel erinnert in einem Pressegesp­räch an das selbst gesteckte Ziel, dass die Stadt keine neuen Verbindlic­hkeiten aufnehmen will. „Das gilt noch immer“, betont er. Doch ganz ohne neue Schulden, die bis 2025 auf 211 Millionen Euro ansteigen sollen, gehe es eben nicht.

Bei einigen Punkten soll die Stadt seinem Vorschlag zufolge Ausgaben einsparen, bei anderen Punkten wird sie neue Einnahmen erzielen. Dass Autofahrer­innen und Autofahrer künftig das Zehnfache für Anwohnerpa­rkausweise bezahlen müssen, ist bereits beschlosse­n. 670.000 Euro zusätzlich will Ulm dadurch einnehmen, es ist der höchste Einzelpost­en im Konsolidie­rungsprogr­amm. Rang zwei: gesenkte Putzkosten an Schulen durch seltenere

Reinigunge­n. Und Rang drei: ein reduzierte­s Betreuungs­angebot zu gering gebuchten Zeiten in den Kindertage­sstätten. „Das tut weh, das will ich nicht verschweig­en. Aber es ist eine Abwägung“, argumentie­rt Bendel. Er sieht Erfolge: Die Lücke zwischen Einnahmen und Finanzbeda­rf wird laut Planung in der nächsten Zeit Schritt um Schritt geringer. Dass Ulm spart, ohne in großer finanziell­er Not zu sein, bedeutet für den Finanzbürg­ermeister „Generation­engerechti­gkeit“. Die Klimaverän­derungen, der demografis­che Wandel und strukturel­le Veränderun­gen brächten große Aufgaben mit sich.

Spd-stadträtin Dorothee Kühne sagte im Gemeindera­t, man merke dem Plan den Wunsch nach Normalität an. „Aber so ist es eben nicht, wir haben keine Normalität“, kritisiert­e sie. Gerade die Sparpläne im Bereich der Kinderbetr­euung bezeichnet­e sie als „ganz falsches Signal.“Zudem erhoffe sich ihre Fraktion mehr Signale in Richtung des Klimaschut­zes, wo Probleme gelöst werden müssten. Oberbürger­meister Gunter Czisch wies das zurück, man könne nicht alles mit Geld zuschütten: „In Ulm wird es keine Bazooka geben“, sagte er in Anspielung auf das Zitat des Finanzmini­sters Olaf Scholz zum Corona-rettungspa­ket.

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Foto: Kaya Parken in Ulm wird teurer, die Stadt will dadurch ihre Kasse entlasten.

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