Ulm will mehr Geld ausgeben und dennoch sparen
Finanzen Ulm plant einen Spagat: Mehr Investitionen, aber weniger Ausgaben im laufenden Betrieb.
Wie das gelingen soll, wo es Ärger gibt und wie ernst die Lage ist
Ulm Was für ein Spagat: Wieder einmal sieht der Ulmer Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 ein paar Superlative vor. Wieder steckt mehr Geld drin, wieder wird mehr Personal eingestellt, wieder sind mehr Investitionen geplant. Doch gleichzeitig soll im laufenden Betrieb gespart werden, fast drei Millionen Euro sind vorgesehen. Sie kommen aus einer Reihe von Einzelposten, die Autofahrer, Schüler und Eltern am stärksten betreffen.
Das Jahr 2022 soll Ulm den Entwurf zufolge mit einem Defizit von elf Millionen Euro abschließen. Finanzbürgermeister Martin Bendel hat dem Haushaltsentwurf den Namen „Fit for Future“gegeben und die Zahlen sagen: 2022 wird ein Schlüsseljahr fürs Fitwerden. Fünf Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb soll die Stadt in den beiden kommenden Jahren einsparen, das hat der Gemeinderat beschlossen. 2022 steht der größere Teil an. Und 2022 ist der Unterschied zwischen dem operativen Ergebnis und dem Finanzbedarf für große Ausgaben besonders groß. Beispielsweise stehen dann die Sanierung der Listschule, von Straßen und von Brücken sowie der Neubau des Theater-anbaus, von Kindergärten und von Wohnungen an.
Ob das alles so kommt, ist offen. Erstens weil über den Entwurf noch diskutiert wird – der Finanzplan für 2022 könnte sich noch verändern. Zweitens, weil nicht alle Dinge vorhersehbar sind. Für 2021 hatte Bendel schon mit einem Defizit gerechnet. Dank unerwartet hoher Steuereinnahmen kommt nun doch ein positives Ergebnis heraus. Es kann aber auch schlechter laufen, zum Beispiel angesichts der teils maroden Brücken. Um die 80 Prüfungen stehen 2021 und 2022 an. Wenn dabei böse Überraschungen herauskommen, drohen unter Umständen teure Sofortmaßnahmen. Unangenehme Überraschungen gibt es auch jetzt schon, zuletzt etwa beim Citybahnhof und bei der Linie 2. Insgesamt 18 Millionen Euro zusätzlich sind jüngst für die beiden Verkehrsvorhaben angefallen.
Zurück zu möglichen neuen Preissteigerungen: Alles im Millionenbereich hätte Auswirkungen auf den Haushalt, sagt Bendel. Zum Beispiel, dass andere Projekte aufgeschoben werden müssen. Doch das droht sowieso. Die Stadt und ihre Tochtergesellschaften wollen 2022 eine Drittel Milliarde Euro investieren. „Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, sagt der Finanzbürgermeister am Donnerstagnachmittag im Gemeinderat. Erfahrungen zeigten zuletzt allerdings, dass 20 bis 25 Prozent davon nicht umgesetzt werden können. Bendel spricht vor der Sitzung angesichts immer neuer Pläne und bestehender Vorhaben von einem „Verschiebebahnhof“.
Eine Botschaft ist dem Finanzbürgermeister wichtig: Der Haushalt sei trotz der Sparmaßnahmen kein Sparhaushalt. Auch wenn an etlichen Stellen weniger ausgegeben wird als früher, müsse man den Teufel nicht an die Wand malen. Die Zeiten seien nicht hart, man müsse sich bloß für die Zukunft rüsten. Überall werde etwas eingespart, aber kein Bereich müsse überdurchschnittlich leiden. So gibt es mit dem Theater-anbau und dem Jahnsportpark auch in der Kultur und im Sport große Ausgaben.
Ein Teil der Ausgaben stammt aus Sparbüchern, die in finanziell besseren Zeiten angelegt wurden. Zudem soll die Stadt dem Entwurf zufolge 15 Millionen Euro neue Schulden 2022 aufnehmen, um die Investitionen zu stemmen. Sie liegen mit 128 Millionen Euro auf einem Rekordhoch. Der Schuldenstand läge Ende 2022 dann bei 110 Millionen Euro.
Die Spd-fraktion rechnet damit, dass die großen Sanierungsausgaben eine größere Neuverschuldung notwendig machen. Bendel erinnert in einem Pressegespräch an das selbst gesteckte Ziel, dass die Stadt keine neuen Verbindlichkeiten aufnehmen will. „Das gilt noch immer“, betont er. Doch ganz ohne neue Schulden, die bis 2025 auf 211 Millionen Euro ansteigen sollen, gehe es eben nicht.
Bei einigen Punkten soll die Stadt seinem Vorschlag zufolge Ausgaben einsparen, bei anderen Punkten wird sie neue Einnahmen erzielen. Dass Autofahrerinnen und Autofahrer künftig das Zehnfache für Anwohnerparkausweise bezahlen müssen, ist bereits beschlossen. 670.000 Euro zusätzlich will Ulm dadurch einnehmen, es ist der höchste Einzelposten im Konsolidierungsprogramm. Rang zwei: gesenkte Putzkosten an Schulen durch seltenere
Reinigungen. Und Rang drei: ein reduziertes Betreuungsangebot zu gering gebuchten Zeiten in den Kindertagesstätten. „Das tut weh, das will ich nicht verschweigen. Aber es ist eine Abwägung“, argumentiert Bendel. Er sieht Erfolge: Die Lücke zwischen Einnahmen und Finanzbedarf wird laut Planung in der nächsten Zeit Schritt um Schritt geringer. Dass Ulm spart, ohne in großer finanzieller Not zu sein, bedeutet für den Finanzbürgermeister „Generationengerechtigkeit“. Die Klimaveränderungen, der demografische Wandel und strukturelle Veränderungen brächten große Aufgaben mit sich.
Spd-stadträtin Dorothee Kühne sagte im Gemeinderat, man merke dem Plan den Wunsch nach Normalität an. „Aber so ist es eben nicht, wir haben keine Normalität“, kritisierte sie. Gerade die Sparpläne im Bereich der Kinderbetreuung bezeichnete sie als „ganz falsches Signal.“Zudem erhoffe sich ihre Fraktion mehr Signale in Richtung des Klimaschutzes, wo Probleme gelöst werden müssten. Oberbürgermeister Gunter Czisch wies das zurück, man könne nicht alles mit Geld zuschütten: „In Ulm wird es keine Bazooka geben“, sagte er in Anspielung auf das Zitat des Finanzministers Olaf Scholz zum Corona-rettungspaket.