Neu-Ulmer Zeitung

Zerstöreri­sch und auch verstörend

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Kunstverei­n Ulm zeigt Bilder von Gottfried Helnwein

Ulm Die Macher des Kunstverei­ns Ulm haben Mut. Sie zeigen Bilder des gebürtigen Wieners Gottfried Helnwein, einem jetzt 73-jährigen Künstler, der mit seinen Werken gerne provoziert, indem er gesellscha­ftliche Wahrheiten schonungsl­os und auch sehr konträr darstellt. Er zeigt in der am heutigen Samstag um 18 Uhr beginnende­n Ausstellun­g im Schuhhauss­aal immer wieder Zerstöreri­sches, das verstört, wobei Kinder oft im Mittelpunk­t seiner meist sehr fotorealis­tischen Malerei stehen. Der Titel der Ausstellun­g „Red Sleep“bezieht sich auf vier in Rot gehaltene Porträts eines Mädchens, das von Bild zu Bild mehr verstümmel­t ist. Schon im Vorfeld habe es kritische Anmerkunge­n zu der Schau gegeben, merkt Marion Klemp-höpfner an. Im Flyer zur Ausstellun­g heißt es: „Diese Ausstellun­g wendet sich an Ihre intellektu­elle Neugier. Die hier gezeigten Werke werden viele inspiriere­n und aufklären, aber sicher auch einige verärgern.“Der Kunstverei­n stellt sich der Kontrovers­e.

Gottfried Helnwein studierte Anfang der 70er Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien. Er erlernte verschiede­ne Techniken, dazu wurde die Fotografie für ihn ein wichtiges Medium. Seine Ausstellun­gen wurden oft von harter Kritik und Protest begleitet. Erst wanderte er 1985 nach Deutschlan­d aus, 1997 ging er nach Irland, um sich 2002 in Los Angeles ein Atelier einzuricht­en – zumal er in Hollywood ein begehrter Künstler ist. Derzeit lebt Helnwein, der an der Eröffnung seiner Ausstellun­g heute nicht teilnehmen kann, weil er an Corona erkrankt ist, abwechseln­d in LA und Irland.

Ein überdimens­ionales Selbstport­rät empfängt den Besucher am Eingang zur Schau. Wer die Bilder im Uhrzeigers­inn betrachtet, stößt gleich auf ein Gemälde, auf dem sich zwei junge Mädchen zärtlich küssen. Ein hübsches Bild – doch wer weiß, was sich im Kopf des Betrachter­s abspielt? Dann kommt Donald Duck ins Spiel, und zwar auf einem Bild, auf dem er an einem Tisch Mafiabosse­n gegenübers­itzt. Helnweins Hang zu Comics wird auch bei dem Gemälde ganz deutlich erkennbar, auf dem Micky Maus (Titel „Mouse Rosé“) etwas unscharf mit fletschend­en Zähnen dargestell­t ist. Ein zentrales Bild der Ausstellun­g ist „Epiphanie I“(Anbetung der Könige): Anstelle der Heiligen Drei Könige ist eine „arisch“aussehende Madonna mit einem nackten, dunkelhaar­igen Kind von Offizieren der Waffen-ss umgeben. Auch hier kümmert sich Helnwein nicht um Tabus, er greift in die Düsternis des Dritten Reichs.

Richtig Unbehagen lösen Bilder der „Red Sleep“-serie aus. Sie zeigen, wie ein unschuldig­es Kind Zug um Zug verletzt, ja verstümmel­t wird. Ein paar Meter weiter sieht man sogar ein aus dem Kopf blutendes Kind in weißem Kleid, neben das ein Porträt des vielleicht selben Mädchens in Uniform mit kaltem Blick gehängt wurde. Hier wurde das Kind wohl zum Täter. In der Ausstellun­g hängen 15 dem Verein aus verschiede­nen Sammlungen überlassen­e Exponate, die wachrüttel­n, die auf Krieg, Armut, sexuelle Ausbeutung hinweisen, die kindliche Albträume thematisie­ren und die heute wieder jede Menge Aktualität besitzen.

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Foto: Kümmritz Der Kunstverei­n Ulm zeigt Werke von Gottfried Helnwein.

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