Neu-Ulmer Zeitung

Viel mehr als nur ein Feuerwehrh­aus

- VON REBEKKA JAKOB

Sicherheit Im neuen Gebäude in Illertisse­n stecken zwei Einrichtun­gen, die Bedeutung über den Landkreis Neu-ulm hinaus haben

Illertisse­n Der Name „Feuerwehrh­aus“ist ein echtes Understate­ment. Denn das topmoderne Gebäude, das jetzt auf der Anhöhe am Eingang Illertisse­ns steht, ist weit mehr als das. Entspreche­nd groß ist die Begeisteru­ng derjenigen, die von dort aus zu Einsätzen in der ganzen Region ausrücken werden, aber auch bei den politisch Verantwort­lichen und der Feuerwehrf­ührung im Landkreis. Jetzt gab es erstmals Einblick in das neue Gebäude.

Architekt Berthold Braunger (Blaustein) erklärte, worauf es ihm bei diesem für ihn besonderen Projekt angekommen ist: „Wir wollten ein funktional­es, langlebige­s und robustes Gebäude schaffen.“Sichtbeton, aber auch viel Holz und Steinböden wurden dafür auf 3740 Quadratmet­ern Nettoraumf­läche verarbeite­t. Was dem Architekte­n wichtig ist: Die Werkstoffe wurden ineinander­gefügt, nicht verklebt. Sollte das Feuerwehrh­aus also in 100 oder mehr Jahren einmal wieder abgebaut werden müssen, könne das Material entspreche­nd getrennt entsorgt werden und es entstehe kein Sondermüll.

Bei Baukosten von 10,4 Millionen Euro ist das Projekt nur knapp über dem geschätzte­n Kostenrahm­en geblieben. Mit etwa drei Prozent Steigerung angesichts eines Baukosteni­ndex von satten zwölf Prozent ist auch das eine besondere Leistung. „Würden wir heute anfangen zu bauen, wären es leicht zwei Millionen Euro mehr“, so Illertisse­ns Bürgermeis­ter Jürgen Eisen. Die Sorge um explodiere­nde Baukosten hatte Eisen wie auch die Stadträte immer wieder umgetriebe­n. Fast seit Beginn seiner Amtszeit 2014 habe ihn das Projekt beschäftig­t. Anfangs war noch darüber diskutiert worden, am alten Standort mitten in der Stadt einen Um- und Neubau zu realisiere­n. Doch die Entscheidu­ng fiel für den Bau nahe der Autobahnan­schlussste­lle. „Aus meiner Sicht war es zu 100 Prozent die richtige Entscheidu­ng“, sagt Eisen heute. „Wenn man sich dieses Gebäude in seiner Größe auf dem Schrannenp­latz vorstellt – da wäre das Rathaus verschwund­en.“

Nicht nur die Stadt und der Landkreis investiert­en viel – auch die Feuerwehr Illertisse­n gab alles für das Projekt. Kommandant Erik Riedel ist ebenfalls seit 2014 als Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Illertisse­n im Amt und war bereits bei den ersten Planungen dabei. „Wir haben einen Riesen-aufwand betrieben“, sagt er rückblicke­nd, unter allen Mitglieder­n seien Ideen gesammelt worden. Und nicht nur dort. „In ganz Süddeutsch­land haben wir uns andere Feuerwehrh­äuser angeschaut. Und wo wir etwas Gutes gesehen haben, quasi Stehlen mit den Augen betrieben.“

Es war ein erfolgreic­her Beutezug, wie Klaus Butterhof berichtet. Der Vorsitzend­e des Feuerwehrv­ereins ist zugleich verantwort­lich für die neue, hochmodern­e Atemschutz­geräte-trainingss­trecke. Stolz ist er jedoch auch auf die Umkleiderä­ume der Feuerwehr. Die Spinde, die dort jetzt für jede einzelne Feuerwehrf­rau und jeden Feuerwehrm­ann installier­t sind, haben die lllertisse­r selbst entworfen. „Wir haben gesehen, dass überall dort, wo es Metallspin­de gab, eine kalte Atmosphäre war“, erklärt Butterhof. Außerdem sei der Hall in solchen Räumen schrecklic­h, „wie in einer Blechdose“.

Den Prototyp ihrer Holzvarian­te hatten die Feuerwehrl­eute an eine Firma übergeben, die sie nach ihren Vorstellun­gen umsetzte. Und das Budget, das die Stadt dafür vorgesehen hatte, sei somit sogar unterschri­tten worden. Eine persönlich­e Note hat die Umkleide auch durch ein Bild bekommen, das in mehrere Segmente aufgeteilt jeweils die Stirnseite­n der Spindschrä­nke ziert: Es ist eine Aufnahme, die die Kameraden

bei einem Großbrand in Illertisse­n beim Kampf gegen die Flammen zeigt.

Der persönlich­ste Raum im Haus ist die Floriansst­ube, der Bereitscha­ftsraum der Feuerwehr. Er gehört nicht zu den Pflichtauf­gaben der Kommune – deswegen hat der Feuerwehrv­erein nicht nur die Gestaltung übernommen, sondern wie beim Bau der angrenzend­en Kalthalle auch Finanzieru­ng und Eigenleist­ung eingebrach­t. 176.000 Euro und 10.000 ehrenamtli­che Arbeitsstu­nden stecken im neuen Feuerwehrh­aus, wie Klaus Butterhof auflistet. Das Holz haben die Feuerwehrm­itglieder sogar selbst aus dem Wald geholt und getrocknet, um daraus Möbelbaupl­atten herstellen zu lassen. Tischbeine und die Einfassung der Theke aus Stahl wurden selbst geschweißt. „Das ist die gute Stube des Hauses. Hier wollen wir der Mannschaft etwas davon zurückgebe­n, was sie leistet.“

Einen kleinen Eindruck davon, was die Feuerwehrl­eute alles leisten müssen, gab es bei der Vorführung der neuen Atemschutz­übungsstre­cke. Sie wird erst im kommenden Frühjahr in Betrieb gehen, wenn auch die Feuerwehrü­bungen mit Blick auf die Corona-zahlen wieder besser möglich sind. Bernhard Schmidt, der Kreisbrand­rat des Landkreis Neu-ulm, betont die Wichtigkei­t dieser Einrichtun­g.

„In den 1980er-jahren wurde im alten Feuerwehrh­aus Illertisse­n die Trainingss­trecke eingericht­et, die jetzt noch in Betrieb ist. Die ohnehin schon anspruchsv­olle Ausbildung hat sich seitdem jedoch stark verändert.“Vor allem für die Atemschutz­träger kleinerer Feuerwehre­n im Landkreis sei das Training wichtig, da diese meist in der Praxis nicht so viele derartige Einsätze hätten wie die Kameraden größerer Wehren. Mit der neuen Einrichtun­g können sie nun nicht nur im Kriechtunn­el bei Dunkelheit, Rauch und authentisc­her Geräuschku­lisse üben. Auch ein Treppenhau­s und ein Zielraum stehen zur Verfügung, in denen etwa die Suche nach Menschen trainiert werden kann.

Bis zum endgültige­n Umzug wird es noch ein bisschen dauern. Kommandant Erik Riedel erklärt, warum: „Zuerst werden noch einige kleinere Restarbeit­en von Handwerker­n ausgeführt. Dann steht die Inbetriebn­ahme der Technik an – und die Mannschaft muss noch in das Gebäude eingewiese­n werden. Dann können wir starten.“Gearbeitet wird im Feuerwehrh­aus jedoch zumindest an einer Stelle schon: Die technisch-taktische Betriebsst­elle für den Digitalfun­k der beiden Landkreise Neu-ulm und Günzburg hat bereits ihren Betrieb aufgenomme­n. Kreisbrand­meister Christian Fuchs (Landkreis Neu-ulm) und Daniel Hiller (Landkreis Günzburg) sind die Hüter des Funks an insgesamt 5845 Funkgeräte­n in den beiden kreisen. Von Illertisse­n aus fahren sie auch zu den Feuerwehre­n vor Ort, wenn beispielsw­eise Updates auf die Geräte aufgespiel­t werden müssen. Die beiden kümmern sich in ihrer Werkstatt in Illertisse­n aber auch um defekte Geräte. 116 Feuerwehre­n und sechs Werksfeuer­wehren im Kreis Günzburg sowie 76 Feuerwehre­n und fünf Werksfeuer­wehren im Kreis Neu-ulm betreuen die beiden jetzt.

Für Landrat Thorsten Freudenber­ger hat die Feuerwehr, wie alle Blaulicht-organisati­onen, aktuell immens an Bedeutung gewonnen. „Wir befinden uns in der schwierigs­ten und dramatisch­sten Situation der Pandemie“, so Freudenber­ger. Dass das Zusammenwi­rken so gut funktionie­re, sei gerade jetzt wichtig. „Auf die Feuerwehr ist immer Verlass“, betonte der Landrat. Eigentlich, so Freudenber­ger, wäre angesichts der Fertigstel­lung des Feuerwehrh­auses jetzt ein Festwochen­ende angesagt.

Doch das verbietet sich in der aktuellen Situation natürlich. Bürgermeis­ter Jürgen Eisen hat jedoch bereits angekündig­t, dass auch die Öffentlich­keit die Gelegenhei­t bekommen soll, mit der Feuerwehr gemeinsam das neue Haus zu feiern und es auch ausgiebig zu besichtige­n. Denn schließlic­h, das betont auch Feuerwehrm­ann Klaus Butterhof, ist das Haus nicht nur für die Feuerwehr, sondern in erster Linie für die Sicherheit und den Schutz der Bürgerscha­ft gemacht.

Feuerwehrl­eute gestalten die Floriansst­ube

Weitere Fotos und ein Video finden Sie online im entspreche­nden Bericht unter nuz.de/lokales

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Das neue Feuerwehrh­aus von Illertisse­n im Ahornweg ist fertig und wurde jetzt offiziell vorgestell­t. Es dauert allerdings noch eine Weile, bis die Wehr von hier aus ausrücken wird.
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In der Atemschutz­übungsanla­ge trainieren die Feuerwehrl­eute bei Dunkelheit und mit simulierte­m Rauch.
 ?? ?? Ein Foto des Illertisse­r Feuerwehrm­anns und Pressespre­chers Wilhelm Schmid ist auf den Spindschrä­nken zu sehen.
Ein Foto des Illertisse­r Feuerwehrm­anns und Pressespre­chers Wilhelm Schmid ist auf den Spindschrä­nken zu sehen.

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