Viel mehr als nur ein Feuerwehrhaus
Sicherheit Im neuen Gebäude in Illertissen stecken zwei Einrichtungen, die Bedeutung über den Landkreis Neu-ulm hinaus haben
Illertissen Der Name „Feuerwehrhaus“ist ein echtes Understatement. Denn das topmoderne Gebäude, das jetzt auf der Anhöhe am Eingang Illertissens steht, ist weit mehr als das. Entsprechend groß ist die Begeisterung derjenigen, die von dort aus zu Einsätzen in der ganzen Region ausrücken werden, aber auch bei den politisch Verantwortlichen und der Feuerwehrführung im Landkreis. Jetzt gab es erstmals Einblick in das neue Gebäude.
Architekt Berthold Braunger (Blaustein) erklärte, worauf es ihm bei diesem für ihn besonderen Projekt angekommen ist: „Wir wollten ein funktionales, langlebiges und robustes Gebäude schaffen.“Sichtbeton, aber auch viel Holz und Steinböden wurden dafür auf 3740 Quadratmetern Nettoraumfläche verarbeitet. Was dem Architekten wichtig ist: Die Werkstoffe wurden ineinandergefügt, nicht verklebt. Sollte das Feuerwehrhaus also in 100 oder mehr Jahren einmal wieder abgebaut werden müssen, könne das Material entsprechend getrennt entsorgt werden und es entstehe kein Sondermüll.
Bei Baukosten von 10,4 Millionen Euro ist das Projekt nur knapp über dem geschätzten Kostenrahmen geblieben. Mit etwa drei Prozent Steigerung angesichts eines Baukostenindex von satten zwölf Prozent ist auch das eine besondere Leistung. „Würden wir heute anfangen zu bauen, wären es leicht zwei Millionen Euro mehr“, so Illertissens Bürgermeister Jürgen Eisen. Die Sorge um explodierende Baukosten hatte Eisen wie auch die Stadträte immer wieder umgetrieben. Fast seit Beginn seiner Amtszeit 2014 habe ihn das Projekt beschäftigt. Anfangs war noch darüber diskutiert worden, am alten Standort mitten in der Stadt einen Um- und Neubau zu realisieren. Doch die Entscheidung fiel für den Bau nahe der Autobahnanschlussstelle. „Aus meiner Sicht war es zu 100 Prozent die richtige Entscheidung“, sagt Eisen heute. „Wenn man sich dieses Gebäude in seiner Größe auf dem Schrannenplatz vorstellt – da wäre das Rathaus verschwunden.“
Nicht nur die Stadt und der Landkreis investierten viel – auch die Feuerwehr Illertissen gab alles für das Projekt. Kommandant Erik Riedel ist ebenfalls seit 2014 als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Illertissen im Amt und war bereits bei den ersten Planungen dabei. „Wir haben einen Riesen-aufwand betrieben“, sagt er rückblickend, unter allen Mitgliedern seien Ideen gesammelt worden. Und nicht nur dort. „In ganz Süddeutschland haben wir uns andere Feuerwehrhäuser angeschaut. Und wo wir etwas Gutes gesehen haben, quasi Stehlen mit den Augen betrieben.“
Es war ein erfolgreicher Beutezug, wie Klaus Butterhof berichtet. Der Vorsitzende des Feuerwehrvereins ist zugleich verantwortlich für die neue, hochmoderne Atemschutzgeräte-trainingsstrecke. Stolz ist er jedoch auch auf die Umkleideräume der Feuerwehr. Die Spinde, die dort jetzt für jede einzelne Feuerwehrfrau und jeden Feuerwehrmann installiert sind, haben die lllertisser selbst entworfen. „Wir haben gesehen, dass überall dort, wo es Metallspinde gab, eine kalte Atmosphäre war“, erklärt Butterhof. Außerdem sei der Hall in solchen Räumen schrecklich, „wie in einer Blechdose“.
Den Prototyp ihrer Holzvariante hatten die Feuerwehrleute an eine Firma übergeben, die sie nach ihren Vorstellungen umsetzte. Und das Budget, das die Stadt dafür vorgesehen hatte, sei somit sogar unterschritten worden. Eine persönliche Note hat die Umkleide auch durch ein Bild bekommen, das in mehrere Segmente aufgeteilt jeweils die Stirnseiten der Spindschränke ziert: Es ist eine Aufnahme, die die Kameraden
bei einem Großbrand in Illertissen beim Kampf gegen die Flammen zeigt.
Der persönlichste Raum im Haus ist die Floriansstube, der Bereitschaftsraum der Feuerwehr. Er gehört nicht zu den Pflichtaufgaben der Kommune – deswegen hat der Feuerwehrverein nicht nur die Gestaltung übernommen, sondern wie beim Bau der angrenzenden Kalthalle auch Finanzierung und Eigenleistung eingebracht. 176.000 Euro und 10.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden stecken im neuen Feuerwehrhaus, wie Klaus Butterhof auflistet. Das Holz haben die Feuerwehrmitglieder sogar selbst aus dem Wald geholt und getrocknet, um daraus Möbelbauplatten herstellen zu lassen. Tischbeine und die Einfassung der Theke aus Stahl wurden selbst geschweißt. „Das ist die gute Stube des Hauses. Hier wollen wir der Mannschaft etwas davon zurückgeben, was sie leistet.“
Einen kleinen Eindruck davon, was die Feuerwehrleute alles leisten müssen, gab es bei der Vorführung der neuen Atemschutzübungsstrecke. Sie wird erst im kommenden Frühjahr in Betrieb gehen, wenn auch die Feuerwehrübungen mit Blick auf die Corona-zahlen wieder besser möglich sind. Bernhard Schmidt, der Kreisbrandrat des Landkreis Neu-ulm, betont die Wichtigkeit dieser Einrichtung.
„In den 1980er-jahren wurde im alten Feuerwehrhaus Illertissen die Trainingsstrecke eingerichtet, die jetzt noch in Betrieb ist. Die ohnehin schon anspruchsvolle Ausbildung hat sich seitdem jedoch stark verändert.“Vor allem für die Atemschutzträger kleinerer Feuerwehren im Landkreis sei das Training wichtig, da diese meist in der Praxis nicht so viele derartige Einsätze hätten wie die Kameraden größerer Wehren. Mit der neuen Einrichtung können sie nun nicht nur im Kriechtunnel bei Dunkelheit, Rauch und authentischer Geräuschkulisse üben. Auch ein Treppenhaus und ein Zielraum stehen zur Verfügung, in denen etwa die Suche nach Menschen trainiert werden kann.
Bis zum endgültigen Umzug wird es noch ein bisschen dauern. Kommandant Erik Riedel erklärt, warum: „Zuerst werden noch einige kleinere Restarbeiten von Handwerkern ausgeführt. Dann steht die Inbetriebnahme der Technik an – und die Mannschaft muss noch in das Gebäude eingewiesen werden. Dann können wir starten.“Gearbeitet wird im Feuerwehrhaus jedoch zumindest an einer Stelle schon: Die technisch-taktische Betriebsstelle für den Digitalfunk der beiden Landkreise Neu-ulm und Günzburg hat bereits ihren Betrieb aufgenommen. Kreisbrandmeister Christian Fuchs (Landkreis Neu-ulm) und Daniel Hiller (Landkreis Günzburg) sind die Hüter des Funks an insgesamt 5845 Funkgeräten in den beiden kreisen. Von Illertissen aus fahren sie auch zu den Feuerwehren vor Ort, wenn beispielsweise Updates auf die Geräte aufgespielt werden müssen. Die beiden kümmern sich in ihrer Werkstatt in Illertissen aber auch um defekte Geräte. 116 Feuerwehren und sechs Werksfeuerwehren im Kreis Günzburg sowie 76 Feuerwehren und fünf Werksfeuerwehren im Kreis Neu-ulm betreuen die beiden jetzt.
Für Landrat Thorsten Freudenberger hat die Feuerwehr, wie alle Blaulicht-organisationen, aktuell immens an Bedeutung gewonnen. „Wir befinden uns in der schwierigsten und dramatischsten Situation der Pandemie“, so Freudenberger. Dass das Zusammenwirken so gut funktioniere, sei gerade jetzt wichtig. „Auf die Feuerwehr ist immer Verlass“, betonte der Landrat. Eigentlich, so Freudenberger, wäre angesichts der Fertigstellung des Feuerwehrhauses jetzt ein Festwochenende angesagt.
Doch das verbietet sich in der aktuellen Situation natürlich. Bürgermeister Jürgen Eisen hat jedoch bereits angekündigt, dass auch die Öffentlichkeit die Gelegenheit bekommen soll, mit der Feuerwehr gemeinsam das neue Haus zu feiern und es auch ausgiebig zu besichtigen. Denn schließlich, das betont auch Feuerwehrmann Klaus Butterhof, ist das Haus nicht nur für die Feuerwehr, sondern in erster Linie für die Sicherheit und den Schutz der Bürgerschaft gemacht.
Feuerwehrleute gestalten die Floriansstube
Weitere Fotos und ein Video finden Sie online im entsprechenden Bericht unter nuz.de/lokales