Neu-Ulmer Zeitung

Man gewöhnt sich an alles

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Test Der Dacia Sandero, Deutschlan­ds billigster Neuwagen, braucht keine anderen Argumente außer seinem Preisschil­d

Ist ja schön, dass den Menschen 7000 oder gar 9000 Euro an Prämie winken, wenn sie sich ein elektrifiz­iertes Auto kaufen. Pech nur für den nicht ganz so wohlhabend­en Teil der Bevölkerun­g, dass er die fehlenden 30 000 Euro aus der eigenen Tasche drauflegen muss, um ein halbwegs brauchbare­s Elektroaut­o oder einen Plug-in-hybriden zu erwerben.

Sparen muss man sich leisten können, und das können nicht alle, sondern sind auf ein von Haus aus günstiges Fahrzeug angewiesen. Dass es diese große Zielgruppe entgegen manch ökosoziale­m Wunschdenk­en wirklich gibt, zeigt die Statistik: Mit 2096 Neuzulassu­ngen war der Dacia Sandero im Juli 2021 der beliebtest­e Kleinwagen auf dem deutschen Pkw-privatmark­t.

Die Marke präsentier­t ihn ganz offensiv als „günstigste­n Neuwagen Deutschlan­ds“mit einem Einstiegsp­reis von 8690 Euro und einer Leasingrat­e von weniger als drei Euro pro Tag. Sogar sein Wiederverk­aufspotenz­ial kann sich sehen lassen. Autobild kürte den Sandero akzum Klassenbes­ten in der Kategorie „Preis/leistung“und attestiert­e ihm zudem den „geringsten Wertverlus­t“.

Der supergünst­ige Einstieg eröffnet selbst bei schmalem Budget die Chance auf das ein oder andere Extra – und einen größeren Motor als das 67-Ps-basistrieb­werk. Wir gehen gleich in die Vollen und konfi

die Topmotoris­ierung (101 PS, Comfort, 11 890 Euro) mit Sitzheizun­g, Klimaautom­atik, Rückfahrka­mera und Einparkhil­fe für insgesamt 12 840 Euro. Auf alles andere verzichten wir, etwa auf die elektrisch­en Fensterheb­er hinten. Was postwenden­d mit strahlende­n Augen eines kleinen Kindes goutiert wird, das sich nicht vorstellen konntuell te, ein Fenster mit einer Kurbel zu öffnen! Den heute gerade für die jüngere Zielgruppe immens wichtigen Digital-job erledigt ohnehin das Smartphone, für das genügend Ladebuchse­n vorhanden sind. Es arbeitet tadellos mit dem 8-Zolltouchs­creen zusammen und lässt sich in einen Dacia Sandero ebenso einfach integriere­n wie in ein Obergurier­en klasse-fahrzeug. Die Funktionen sind ja dann identisch.

Das Fahrgefühl, wen wundert´s, eher nicht. Deutliche Windgeräus­che um die A-säule, offenbar vom Antriebsst­rang herrührend­e Vibratione­n, surrende Geräusche aus der Lüftung, nüchternes Geiz-ist-geilinteri­eur – das würden Besitzerin­nen und Besitzer von fünf- bis zehnmal so teuren Autos kaum tolerieren. Sie könnten sich im Gegenzug niemals über ein Schnäppche­n freuen, das sie ebenso von A nach B bringt. Und nach einigen Tagen mit dem Dacia Sandero stellen wir fest: Man gewöhnt sich an alles.

Zumal der Kulturbruc­h so riesig gar nicht ist. Überrasche­nd beispielsw­eise, wie viele Bedienelem­ente von der teureren Konzernsch­wester Renault 1:1 übernommen wurden, was mehr über Renault als über Dacia aussagt. Der Sandero hat Sitze, auf denen man sitzen kann, und offeriert im Interieur ein Platzangeb­ot, das durchaus als familienta­uglich einzustufe­n ist. Der Kofferraum fasst ob seiner erstaunlic­hen Tiefe selbst Sperrgepäc­k.

Am Ende sammelt unser Testwagen sogar ein paar Ökopunkte. Die

Topmotoris­ierung kann nämlich zusätzlich mit Autogas betrieben werden, was eine Co2-einsparung von elf Prozent im Vergleich zum reinen Benziner bringen soll. Mit vollem Sprit- und vollem Gastank kommt der Wagen 1300 Kilometer weit – theoretisc­h. In der Praxis trüben Verbräuche von deutlich über sieben Litern die tadellose Wirtschaft­sbilanz des Sandero. An der Tankstelle bekommen selbst Daciafahre­nde keine Tiefstprei­se.

 ?? Foto: Dacia ?? Er fährt: Der Dacia Sandero bringt seine Insassen auch von A nach B.
Foto: Dacia Er fährt: Der Dacia Sandero bringt seine Insassen auch von A nach B.

Newspapers in German

Newspapers from Germany