Rollerfahren wie früher, nur ganz anders
Test Er knattert nicht, er stinkt nicht, aber flott unterwegs ist man mit dem Niu MQI, einem dieser neuen E-scooter, schon
Früher war mehr Lärm. Wir erinnern uns an die ersten Ausfahrten mit einem postgelben 50er Roller der Kultmarke Piaggio. Knatternd durch die Nacht. Und gestunken hat es. So schön nach Öl- und Benzingemisch. Jetzt, 30 Jahre danach, sitzen wir wieder auf so einem Ding. Der Roller ist dieses Mal quietschrot. Und statt auf den Anlasshebel zu springen, drücken wir nur sanft auf einen Knopf. Heutzutage rollen wir lautlos durch die Nacht mit einem dieser neuen E-scooter.
Der Niu MQI GT kommt aus Shanghai. Ursprünglich war es nur ein kleines Start-up, die Chinesen haben nun allein im zweiten Quartal 2021 eine knappe Viertelmillion von diesen Elektro-zweirädern verkauft und auch der europäische Markt boomt. Den MQI gibt es in zwei Ausführungen. Je nach Führerscheinklasse bekommt man so einen Roller entweder mit 45 oder 70 km/h Endgeschwindigkeit, sonst sind die Modelle identisch.
Rollerfahren ist ein Kinderspiel. Das verlernt man nie. Rauf auf das Zweirad. Zwei Knöpfe drücken, sanft am Gashebel drehen, Füße hoch. Und schon gleitet der Asphalt unter uns weg. Man mag es nicht glauben, aber die 3 kw Leistung reichen satt im Einmannbetrieb. Der E-motor von Bosch schiebt den 112 Kilogramm schweren Roller nebst Fahrer so kräftig an, dass wir dem ein oder anderen Pkw-lenker beim Kavalierstart an der Ampel zumindest auf den ersten Metern eine schwere Niederlage zufügen. Neben dem ordentlichen Abzug sind auch Fahrwerk, Bremsen und Reifen so ausgelegt, dass sich der MQI sportlich anfühlt. Ein Vergnügen, das seine Grenzen nur an der Akku-reichweite findet. 74 Kilometer gibt der Hersteller an. Das ist unseren Erfahrungen nach eher tiefgestapelt und von daher völlig ausreichend. Aufgeladen werden die beiden Akkus in rund sechs Stunden an einer Haushaltssteckdose.
Praktisch: Die beiden Batterien, die unter der Sitzbank eingebaut sind, kann man mit zwei einfachen Handgriffen herausnehmen und zusammen mit einem speziellen Ladekabel bequem in der Wohnung laden. Wer eine Garage hat, für den heißt es: einfach einstecken. So umweltfreundlich das mit den Akkus auch ist, kosten sie allerdings ziemlich Platz. Und so bringt man unter der Sitzbank außer einer Tafel Schokolade und 100 Gramm Wurstaufschnitt nicht recht viel mehr unter. Das heißt: Hier ist Rucksacktragen angesagt. Bis es irgendwann einmal smarte und kleinere Akkus gibt. Das zweite Ärgernis: Die Rückspiegel sind schlichtweg zu klein geraten. Deshalb muss man beim Blick zurück immer auch ein wenig Verrenkungskünstler sein, um alles zu erfassen, was sich hinter dem Rücken verkehrstechnisch tut.
Unser Fazit zum E-roller aus China fällt trotzdem positiv aus. Das Fahrgerät ist spritzig, sieht flott und sympathisch aus und bietet eine gute Verarbeitung. Die ordentliche Reichweite und das einfache Aufladen sind weitere Pluspunkte. Und dann erst der Preis. Mit rund 3400 Euro ist der Niu nur halb so teuer wie die Konkurrenz von E-schwalbe, Elektro-vespa und Co.
Rudolf Bögel